Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Laß der Sonne frühesten Stral die stammelnden Seuf-zer, Mit dem Opfergeruch des Morgens, zum Himmel hin- aufziehn. Hülflos lagest du da, in einem Zustand von Ohnmacht; Es war Tod -- Tod einer Nacht, in welchem du schliefest. O wie mächtig soltest du nicht die Wahrheit empfinden, Daß von einer höheren Macht dein Leben gehangen! Hast du dich selber erweckt? Hast du die Augen geöfnet, Die ein Anfang vom ewigen Schlaf so fest dir geschlos- sen? Kontest du deiner im Traum ausschweifenden Seele gebieten, Oder die schwärmende Phantasey in Schranken erhalten? Und du siehst es, du bist erweckt; ein Wunder erweckt dich, Und du lobst nicht den GOtt, der dir von neuem dein Leben, Ein so großes Geschenk, auf Sonnenstralen herabgiebt? Doch die Andacht leitet mich schon auf feurigen Flü- geln Hoch in die Wolken empor, und läßt mich die Erde beschauen. Welche B 2
Der Morgen. Laß der Sonne fruͤheſten Stral die ſtammelnden Seuf-zer, Mit dem Opfergeruch des Morgens, zum Himmel hin- aufziehn. Huͤlflos lageſt du da, in einem Zuſtand von Ohnmacht; Es war Tod — Tod einer Nacht, in welchem du ſchliefeſt. O wie maͤchtig ſolteſt du nicht die Wahrheit empfinden, Daß von einer hoͤheren Macht dein Leben gehangen! Haſt du dich ſelber erweckt? Haſt du die Augen geoͤfnet, Die ein Anfang vom ewigen Schlaf ſo feſt dir geſchloſ- ſen? Konteſt du deiner im Traum ausſchweifenden Seele gebieten, Oder die ſchwaͤrmende Phantaſey in Schranken erhalten? Und du ſiehſt es, du biſt erweckt; ein Wunder erweckt dich, Und du lobſt nicht den GOtt, der dir von neuem dein Leben, Ein ſo großes Geſchenk, auf Sonnenſtralen herabgiebt? Doch die Andacht leitet mich ſchon auf feurigen Fluͤ- geln Hoch in die Wolken empor, und laͤßt mich die Erde beſchauen. Welche B 2
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Der Morgen.
Laß der Sonne fruͤheſten Stral die ſtammelnden Seuf-
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Mit dem Opfergeruch des Morgens, zum Himmel hin-
aufziehn.
Huͤlflos lageſt du da, in einem Zuſtand von Ohnmacht;
Es war Tod — Tod einer Nacht, in welchem du
ſchliefeſt.
O wie maͤchtig ſolteſt du nicht die Wahrheit empfinden,
Daß von einer hoͤheren Macht dein Leben gehangen!
Haſt du dich ſelber erweckt? Haſt du die Augen geoͤfnet,
Die ein Anfang vom ewigen Schlaf ſo feſt dir geſchloſ-
ſen?
Konteſt du deiner im Traum ausſchweifenden Seele
gebieten,
Oder die ſchwaͤrmende Phantaſey in Schranken erhalten?
Und du ſiehſt es, du biſt erweckt; ein Wunder erweckt
dich,
Und du lobſt nicht den GOtt, der dir von neuem dein
Leben,
Ein ſo großes Geſchenk, auf Sonnenſtralen herabgiebt?
Doch die Andacht leitet mich ſchon auf feurigen Fluͤ-
geln
Hoch in die Wolken empor, und laͤßt mich die Erde
beſchauen.
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