Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Langsam zieht er zur Flur, und reisset seitlang die Fur-chen, Unter der Lerche Musik, die ihm die Arbeit versüsset. Jetzo ruht er, gelehnt an den Pflug, und schauet be- gierig Weit gen Osten hinab, das Antlitz der Sonne zu sehen. Gönne dein Antlitz, o Sonne, den dich erwartenden Fluren, Und belohne die Müh des schweißvergiessenden Land- manns, Sie beschleunigt den Lauf, und röthet im wollichten Osten Jmmer heller die Wolken, die vor ihr hergehn, und schimmern, Wie ein glänzender Hof, der seinen Monarchen ver- kündigt. Und nun siehe! Sie kömmt, sie ist da! Mit vollem Gesichte Blickt queer über die Welt die holde Fürstin des Tages. Jetzo sliege die Phantasey, mit mächtigen Schwin- gen, An den entnebelten Strand des ruhig schweigenden Weltmeers; Oder sie schaue herab von himmelnahen Gebirgen Weit in die Wüste des Meers, die jetzo der Morgen bestralet. Wie-
Der Morgen. Langſam zieht er zur Flur, und reiſſet ſeitlang die Fur-chen, Unter der Lerche Muſik, die ihm die Arbeit verſuͤſſet. Jetzo ruht er, gelehnt an den Pflug, und ſchauet be- gierig Weit gen Oſten hinab, das Antlitz der Sonne zu ſehen. Goͤnne dein Antlitz, o Sonne, den dich erwartenden Fluren, Und belohne die Muͤh des ſchweißvergieſſenden Land- manns, Sie beſchleunigt den Lauf, und roͤthet im wollichten Oſten Jmmer heller die Wolken, die vor ihr hergehn, und ſchimmern, Wie ein glaͤnzender Hof, der ſeinen Monarchen ver- kuͤndigt. Und nun ſiehe! Sie koͤmmt, ſie iſt da! Mit vollem Geſichte Blickt queer uͤber die Welt die holde Fuͤrſtin des Tages. Jetzo ſliege die Phantaſey, mit maͤchtigen Schwin- gen, An den entnebelten Strand des ruhig ſchweigenden Weltmeers; Oder ſie ſchaue herab von himmelnahen Gebirgen Weit in die Wuͤſte des Meers, die jetzo der Morgen beſtralet. Wie-
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Der Morgen.
Langſam zieht er zur Flur, und reiſſet ſeitlang die Fur-
chen,
Unter der Lerche Muſik, die ihm die Arbeit verſuͤſſet.
Jetzo ruht er, gelehnt an den Pflug, und ſchauet be-
gierig
Weit gen Oſten hinab, das Antlitz der Sonne zu ſehen.
Goͤnne dein Antlitz, o Sonne, den dich erwartenden
Fluren,
Und belohne die Muͤh des ſchweißvergieſſenden Land-
manns,
Sie beſchleunigt den Lauf, und roͤthet im wollichten
Oſten
Jmmer heller die Wolken, die vor ihr hergehn, und
ſchimmern,
Wie ein glaͤnzender Hof, der ſeinen Monarchen ver-
kuͤndigt.
Und nun ſiehe! Sie koͤmmt, ſie iſt da! Mit vollem
Geſichte
Blickt queer uͤber die Welt die holde Fuͤrſtin des Tages.
Jetzo ſliege die Phantaſey, mit maͤchtigen Schwin-
gen,
An den entnebelten Strand des ruhig ſchweigenden
Weltmeers;
Oder ſie ſchaue herab von himmelnahen Gebirgen
Weit in die Wuͤſte des Meers, die jetzo der Morgen
beſtralet.
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Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/19>, abgerufen am 16.07.2024. |