Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Die Nacht.
Halb den Kirchhof verhüllt. Dahin, o ernstere Muse,
Laß uns wandeln, und dort Gedanken zur Sterblichkeit
athmen.

Feld des Todes, o sey mir gegrüßt! Jhr nächt-
lichen Schatten,

Die ihr unter Cypressen hier wohnt; und ihr, o ihr
Schrecken

Dunkler Begräbnisse, seyd mir gegrüßt! Mit beben-
den Füssen

Steh ich auf Gräbern; die Gräber bedeckt kein prah-
lender Marmor,

Und kein Stein voll Rednerfiguren erhebet den Land-
mann,

Welcher kein Lob sich erkauft, und ohne Denkmal hier
schlummert.

Hier und da steht etwan ein Kreutz, ein Büschel von
Wermuth,

Frisch mit Thränen benetzt; und auf dem Grabe des
Mädchens,

Oder des Jünglings, etwan ein Kranz von Flittern
und Blumen.

Eine Linde beschattet mit ihren Zweigen den Kirchhof,
Und
L 3

Die Nacht.
Halb den Kirchhof verhuͤllt. Dahin, o ernſtere Muſe,
Laß uns wandeln, und dort Gedanken zur Sterblichkeit
athmen.

Feld des Todes, o ſey mir gegruͤßt! Jhr naͤcht-
lichen Schatten,

Die ihr unter Cypreſſen hier wohnt; und ihr, o ihr
Schrecken

Dunkler Begraͤbniſſe, ſeyd mir gegruͤßt! Mit beben-
den Fuͤſſen

Steh ich auf Graͤbern; die Graͤber bedeckt kein prah-
lender Marmor,

Und kein Stein voll Rednerfiguren erhebet den Land-
mann,

Welcher kein Lob ſich erkauft, und ohne Denkmal hier
ſchlummert.

Hier und da ſteht etwan ein Kreutz, ein Buͤſchel von
Wermuth,

Friſch mit Thraͤnen benetzt; und auf dem Grabe des
Maͤdchens,

Oder des Juͤnglings, etwan ein Kranz von Flittern
und Blumen.

Eine Linde beſchattet mit ihren Zweigen den Kirchhof,
Und
L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0173" n="165"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Nacht.</hi> </fw><lb/>
          <l>Halb den Kirchhof verhu&#x0364;llt. Dahin, o ern&#x017F;tere Mu&#x017F;e,</l><lb/>
          <l>Laß uns wandeln, und dort Gedanken zur Sterblichkeit<lb/><hi rendition="#et">athmen.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Feld des Todes, o &#x017F;ey mir gegru&#x0364;ßt! Jhr na&#x0364;cht-<lb/><hi rendition="#et">lichen Schatten,</hi></l><lb/>
          <l>Die ihr unter Cypre&#x017F;&#x017F;en hier wohnt; und ihr, o ihr<lb/><hi rendition="#et">Schrecken</hi></l><lb/>
          <l>Dunkler Begra&#x0364;bni&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;eyd mir gegru&#x0364;ßt! Mit beben-<lb/><hi rendition="#et">den Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</hi></l><lb/>
          <l>Steh ich auf Gra&#x0364;bern; die Gra&#x0364;ber bedeckt kein prah-<lb/><hi rendition="#et">lender Marmor,</hi></l><lb/>
          <l>Und kein Stein voll Rednerfiguren erhebet den Land-<lb/><hi rendition="#et">mann,</hi></l><lb/>
          <l>Welcher kein Lob &#x017F;ich erkauft, und ohne Denkmal hier<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlummert.</hi></l><lb/>
          <l>Hier und da &#x017F;teht etwan ein Kreutz, ein Bu&#x0364;&#x017F;chel von<lb/><hi rendition="#et">Wermuth,</hi></l><lb/>
          <l>Fri&#x017F;ch mit Thra&#x0364;nen benetzt; und auf dem Grabe des<lb/><hi rendition="#et">Ma&#x0364;dchens,</hi></l><lb/>
          <l>Oder des Ju&#x0364;nglings, etwan ein Kranz von Flittern<lb/><hi rendition="#et">und Blumen.</hi></l><lb/>
          <l>Eine Linde be&#x017F;chattet mit ihren Zweigen den Kirchhof,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">L 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0173] Die Nacht. Halb den Kirchhof verhuͤllt. Dahin, o ernſtere Muſe, Laß uns wandeln, und dort Gedanken zur Sterblichkeit athmen. Feld des Todes, o ſey mir gegruͤßt! Jhr naͤcht- lichen Schatten, Die ihr unter Cypreſſen hier wohnt; und ihr, o ihr Schrecken Dunkler Begraͤbniſſe, ſeyd mir gegruͤßt! Mit beben- den Fuͤſſen Steh ich auf Graͤbern; die Graͤber bedeckt kein prah- lender Marmor, Und kein Stein voll Rednerfiguren erhebet den Land- mann, Welcher kein Lob ſich erkauft, und ohne Denkmal hier ſchlummert. Hier und da ſteht etwan ein Kreutz, ein Buͤſchel von Wermuth, Friſch mit Thraͤnen benetzt; und auf dem Grabe des Maͤdchens, Oder des Juͤnglings, etwan ein Kranz von Flittern und Blumen. Eine Linde beſchattet mit ihren Zweigen den Kirchhof, Und L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/173
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/173>, abgerufen am 22.11.2024.