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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

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Das Schnupftuch.
Der seinen Federhut zu sehr den Gassen zeigt.
Mein Fräulein, (fuhr sie fort, im höhern Ton zu spre-
chen,)
Rächt immer ihr Geschlecht und wird es ietzt auch rä-
chen.
Sie hat kein Pflästerchen vergebens noch gelegt,
Und keinen Blick gethan, der nicht ein Herz bewegt.
Wie kömmts denn, daß der Graf, allein sich unter-
stehet,
Und wider das Gesetz der Klugheit sich vergehet?
Den sieht mit schlechter Huld ein Frauenzimmer an,
Der, wenn er glücklich ist, nicht einmal schweigen kan.
Ein Schnupftuch hat er tüngst dem Fräulein wegge-
nommen;
Er hat es halb mit List, und halb mit Scherz bekom-
men;
Doch warum zeiget er es an die ganze Welt?
Wer hat wohl öffentlich so was zur Schau gestellt?
Die ganze schöne Welt nimmt Theil an dieser Sache.
Die Stadt ist voll davon; das Schnupftuch fodert
Rache.

Und

Das Schnupftuch.
Der ſeinen Federhut zu ſehr den Gaſſen zeigt.
Mein Fraͤulein, (fuhr ſie fort, im hoͤhern Ton zu ſpre-
chen,)
Raͤcht immer ihr Geſchlecht und wird es ietzt auch raͤ-
chen.
Sie hat kein Pflaͤſterchen vergebens noch gelegt,
Und keinen Blick gethan, der nicht ein Herz bewegt.
Wie koͤmmts denn, daß der Graf, allein ſich unter-
ſtehet,
Und wider das Geſetz der Klugheit ſich vergehet?
Den ſieht mit ſchlechter Huld ein Frauenzimmer an,
Der, wenn er gluͤcklich iſt, nicht einmal ſchweigen kan.
Ein Schnupftuch hat er tuͤngſt dem Fraͤulein wegge-
nommen;
Er hat es halb mit Liſt, und halb mit Scherz bekom-
men;
Doch warum zeiget er es an die ganze Welt?
Wer hat wohl oͤffentlich ſo was zur Schau geſtellt?
Die ganze ſchoͤne Welt nimmt Theil an dieſer Sache.
Die Stadt iſt voll davon; das Schnupftuch fodert
Rache.

Und
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[16/0024] Das Schnupftuch. Der ſeinen Federhut zu ſehr den Gaſſen zeigt. Mein Fraͤulein, (fuhr ſie fort, im hoͤhern Ton zu ſpre- chen,) Raͤcht immer ihr Geſchlecht und wird es ietzt auch raͤ- chen. Sie hat kein Pflaͤſterchen vergebens noch gelegt, Und keinen Blick gethan, der nicht ein Herz bewegt. Wie koͤmmts denn, daß der Graf, allein ſich unter- ſtehet, Und wider das Geſetz der Klugheit ſich vergehet? Den ſieht mit ſchlechter Huld ein Frauenzimmer an, Der, wenn er gluͤcklich iſt, nicht einmal ſchweigen kan. Ein Schnupftuch hat er tuͤngſt dem Fraͤulein wegge- nommen; Er hat es halb mit Liſt, und halb mit Scherz bekom- men; Doch warum zeiget er es an die ganze Welt? Wer hat wohl oͤffentlich ſo was zur Schau geſtellt? Die ganze ſchoͤne Welt nimmt Theil an dieſer Sache. Die Stadt iſt voll davon; das Schnupftuch fodert Rache. Und

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/24>, abgerufen am 23.11.2024.