Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite


Murner in der Hölle.
Zweyter Gesang.
Kaum beherrschte Lisette nunmehr das einsame Zimmer
Unumschränkt und allein; so nahm sie die Maske der
Trauer
Von dem Gesicht', und war nicht mehr der Seufzer
Rosaurens
Stets gefälliges Echo. Sie warf auf den Leichnam des
Katers,
Den sie so sehr im Leben gehaßt, zufriedene Blicke.
Also schaut der würgende Sieger zufrieden ins Schlacht-
feld;
Weidet die Augen am Blut der Erschlagnen; die wie-
hernden Rosse
Tragen ihn hoch auf Leichnamen her -- Jndem die Po-
saune
Siegender Heerschaaren um ihn ertönt, so dünkt er ein
Gott sich.
Hönisch stieß die erbitterte Zofe den blutigen Leichnam
Mit dem Fuß; doch riß sie vorher mit entweihenden
Händen
Von dem Halse den blendenden Purpur mit silbernen
Blumen,
Und


Murner in der Hoͤlle.
Zweyter Geſang.
Kaum beherrſchte Liſette nunmehr das einſame Zimmer
Unumſchraͤnkt und allein; ſo nahm ſie die Maſke der
Trauer
Von dem Geſicht’, und war nicht mehr der Seufzer
Roſaurens
Stets gefaͤlliges Echo. Sie warf auf den Leichnam des
Katers,
Den ſie ſo ſehr im Leben gehaßt, zufriedene Blicke.
Alſo ſchaut der wuͤrgende Sieger zufrieden ins Schlacht-
feld;
Weidet die Augen am Blut der Erſchlagnen; die wie-
hernden Roſſe
Tragen ihn hoch auf Leichnamen her — Jndem die Po-
ſaune
Siegender Heerſchaaren um ihn ertoͤnt, ſo duͤnkt er ein
Gott ſich.
Hoͤniſch ſtieß die erbitterte Zofe den blutigen Leichnam
Mit dem Fuß; doch riß ſie vorher mit entweihenden
Haͤnden
Von dem Halſe den blendenden Purpur mit ſilbernen
Blumen,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0149" n="141"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Murner in der Ho&#x0364;lle</hi>.</hi><lb/>
Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">K</hi>aum beherr&#x017F;chte Li&#x017F;ette nunmehr das ein&#x017F;ame Zimmer</l><lb/>
              <l>Unum&#x017F;chra&#x0364;nkt und allein; &#x017F;o nahm &#x017F;ie die Ma&#x017F;ke der</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Trauer</hi> </l><lb/>
              <l>Von dem Ge&#x017F;icht&#x2019;, und war nicht mehr der Seufzer</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Ro&#x017F;aurens</hi> </l><lb/>
              <l>Stets gefa&#x0364;lliges Echo. Sie warf auf den Leichnam des</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Katers,</hi> </l><lb/>
              <l>Den &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;ehr im Leben gehaßt, zufriedene Blicke.</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;chaut der wu&#x0364;rgende Sieger zufrieden ins Schlacht-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">feld;</hi> </l><lb/>
              <l>Weidet die Augen am Blut der Er&#x017F;chlagnen; die wie-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">hernden Ro&#x017F;&#x017F;e</hi> </l><lb/>
              <l>Tragen ihn hoch auf Leichnamen her &#x2014; Jndem die Po-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;aune</hi> </l><lb/>
              <l>Siegender Heer&#x017F;chaaren um ihn erto&#x0364;nt, &#x017F;o du&#x0364;nkt er ein</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Gott &#x017F;ich.</hi> </l><lb/>
              <l>Ho&#x0364;ni&#x017F;ch &#x017F;tieß die erbitterte Zofe den blutigen Leichnam</l><lb/>
              <l>Mit dem Fuß; doch riß &#x017F;ie vorher mit entweihenden</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Ha&#x0364;nden</hi> </l><lb/>
              <l>Von dem Hal&#x017F;e den blendenden Purpur mit &#x017F;ilbernen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Blumen,</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0149] Murner in der Hoͤlle. Zweyter Geſang. Kaum beherrſchte Liſette nunmehr das einſame Zimmer Unumſchraͤnkt und allein; ſo nahm ſie die Maſke der Trauer Von dem Geſicht’, und war nicht mehr der Seufzer Roſaurens Stets gefaͤlliges Echo. Sie warf auf den Leichnam des Katers, Den ſie ſo ſehr im Leben gehaßt, zufriedene Blicke. Alſo ſchaut der wuͤrgende Sieger zufrieden ins Schlacht- feld; Weidet die Augen am Blut der Erſchlagnen; die wie- hernden Roſſe Tragen ihn hoch auf Leichnamen her — Jndem die Po- ſaune Siegender Heerſchaaren um ihn ertoͤnt, ſo duͤnkt er ein Gott ſich. Hoͤniſch ſtieß die erbitterte Zofe den blutigen Leichnam Mit dem Fuß; doch riß ſie vorher mit entweihenden Haͤnden Von dem Halſe den blendenden Purpur mit ſilbernen Blumen, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/149
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/149>, abgerufen am 27.11.2024.