Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite
Murner in der Hölle.
Du, o holde Rosaura, die du das Ende des Lieb-
lings
Fast drey Viertelstunden beweint; (So lange weint oft
nicht,
Um den verstorbnen podagrischen Mann, die buhlrische
Wittwe)
Holde Rosaura, beseele dies Lied mit dem siegenden
Auge,
Welches so viele Herzen entflammt, und lächle der
Muse
Würdige Kühnheit ins Herz, wenn sie die Stygischen
Wasser
Unter sich brausen hört, und zu den traurigen Schaaren
Wandelnder Schatten sich mischt, die Charons Ueber-
fahrt fodern!
Mitten in einem veralteten Schloß am Ufer der
Elbe
Wohnte der ehrliche Raban mit seiner Nichte Rosaura.
Artiger war kein Fräulein umher, als seine Rosaura;
Holder waren die Gratien nicht, und schöner nicht Ve-
nus,
Als sie, noch tröpfelnd vom Schaume des Meers, die
Fluthen herausstieg.
Zärtlich liebte die Nichte der Onkel, und was sie nur
wünschte,
War zu ihrem Befehl; doch wünschte das Fräulein nur
wenig;
Wel-
Murner in der Hoͤlle.
Du, o holde Roſaura, die du das Ende des Lieb-
lings
Faſt drey Viertelſtunden beweint; (So lange weint oft
nicht,
Um den verſtorbnen podagriſchen Mann, die buhlriſche
Wittwe)
Holde Roſaura, beſeele dies Lied mit dem ſiegenden
Auge,
Welches ſo viele Herzen entflammt, und laͤchle der
Muſe
Wuͤrdige Kuͤhnheit ins Herz, wenn ſie die Stygiſchen
Waſſer
Unter ſich brauſen hoͤrt, und zu den traurigen Schaaren
Wandelnder Schatten ſich miſcht, die Charons Ueber-
fahrt fodern!
Mitten in einem veralteten Schloß am Ufer der
Elbe
Wohnte der ehrliche Raban mit ſeiner Nichte Roſaura.
Artiger war kein Fraͤulein umher, als ſeine Roſaura;
Holder waren die Gratien nicht, und ſchoͤner nicht Ve-
nus,
Als ſie, noch troͤpfelnd vom Schaume des Meers, die
Fluthen herausſtieg.
Zaͤrtlich liebte die Nichte der Onkel, und was ſie nur
wuͤnſchte,
War zu ihrem Befehl; doch wuͤnſchte das Fraͤulein nur
wenig;
Wel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0136" n="128"/>
            <fw place="top" type="header">Murner in der Ho&#x0364;lle.</fw><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Du, o holde Ro&#x017F;aura, die du das Ende des Lieb-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">lings</hi> </l><lb/>
              <l>Fa&#x017F;t drey Viertel&#x017F;tunden beweint; (So lange weint oft</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">nicht,</hi> </l><lb/>
              <l>Um den ver&#x017F;torbnen podagri&#x017F;chen Mann, die buhlri&#x017F;che</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Wittwe)</hi> </l><lb/>
              <l>Holde Ro&#x017F;aura, be&#x017F;eele dies Lied mit dem &#x017F;iegenden</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Auge,</hi> </l><lb/>
              <l>Welches &#x017F;o viele Herzen entflammt, und la&#x0364;chle der</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Mu&#x017F;e</hi> </l><lb/>
              <l>Wu&#x0364;rdige Ku&#x0364;hnheit ins Herz, wenn &#x017F;ie die Stygi&#x017F;chen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Wa&#x017F;&#x017F;er</hi> </l><lb/>
              <l>Unter &#x017F;ich brau&#x017F;en ho&#x0364;rt, und zu den traurigen Schaaren</l><lb/>
              <l>Wandelnder Schatten &#x017F;ich mi&#x017F;cht, die Charons Ueber-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">fahrt fodern!</hi> </l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Mitten in einem veralteten Schloß am Ufer der</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Elbe</hi> </l><lb/>
              <l>Wohnte der ehrliche Raban mit &#x017F;einer Nichte Ro&#x017F;aura.</l><lb/>
              <l>Artiger war kein Fra&#x0364;ulein umher, als &#x017F;eine Ro&#x017F;aura;</l><lb/>
              <l>Holder waren die Gratien nicht, und &#x017F;cho&#x0364;ner nicht Ve-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">nus,</hi> </l><lb/>
              <l>Als &#x017F;ie, noch tro&#x0364;pfelnd vom Schaume des Meers, die</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Fluthen heraus&#x017F;tieg.</hi> </l><lb/>
              <l>Za&#x0364;rtlich liebte die Nichte der Onkel, und was &#x017F;ie nur</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">wu&#x0364;n&#x017F;chte,</hi> </l><lb/>
              <l>War zu ihrem Befehl; doch wu&#x0364;n&#x017F;chte das Fra&#x0364;ulein nur</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">wenig;</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Wel-</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0136] Murner in der Hoͤlle. Du, o holde Roſaura, die du das Ende des Lieb- lings Faſt drey Viertelſtunden beweint; (So lange weint oft nicht, Um den verſtorbnen podagriſchen Mann, die buhlriſche Wittwe) Holde Roſaura, beſeele dies Lied mit dem ſiegenden Auge, Welches ſo viele Herzen entflammt, und laͤchle der Muſe Wuͤrdige Kuͤhnheit ins Herz, wenn ſie die Stygiſchen Waſſer Unter ſich brauſen hoͤrt, und zu den traurigen Schaaren Wandelnder Schatten ſich miſcht, die Charons Ueber- fahrt fodern! Mitten in einem veralteten Schloß am Ufer der Elbe Wohnte der ehrliche Raban mit ſeiner Nichte Roſaura. Artiger war kein Fraͤulein umher, als ſeine Roſaura; Holder waren die Gratien nicht, und ſchoͤner nicht Ve- nus, Als ſie, noch troͤpfelnd vom Schaume des Meers, die Fluthen herausſtieg. Zaͤrtlich liebte die Nichte der Onkel, und was ſie nur wuͤnſchte, War zu ihrem Befehl; doch wuͤnſchte das Fraͤulein nur wenig; Wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/136
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/136>, abgerufen am 27.11.2024.