Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].Das Schnupftuch. So sagte sie, und schwieg. Zwar that die holde Nymphe, Als sey sie sehr betrübt bey diesem neuen Schimpfe: Doch kaum war sie allein, so pries sie diesen Tag, Und eilte vor den Schrank, in dem das Schnupftuch lag. Mit Krachen öfnen sich die aufgerißnen Flügel. So sprangen von sich selbst des Höllenthores Riegel, Als um Euridicen der Wittwer Orpheus fang, Und durch sein mächtges Lied den Höllenhund bezwang. Der Sylphe, der auch hier das Schnupftuch noch be- wachte, Erschrack, da ihn die Hand des Schicksals freyer machte. Jn diesem Schrank geliebt, und zärtlich, und getreu, Bestürzt die Freyheit ihn mehr, als die Sklaverey. So wie aus Zärtlichkeit ein Sklave sich betrübet, Der eine Zulima in seinen Ketten liebet, Wenn ihm ein edler Dey die Freyheit wieder schenkt, Und
Das Schnupftuch. So ſagte ſie, und ſchwieg. Zwar that die holde Nymphe, Als ſey ſie ſehr betruͤbt bey dieſem neuen Schimpfe: Doch kaum war ſie allein, ſo pries ſie dieſen Tag, Und eilte vor den Schrank, in dem das Schnupftuch lag. Mit Krachen oͤfnen ſich die aufgerißnen Fluͤgel. So ſprangen von ſich ſelbſt des Hoͤllenthores Riegel, Als um Euridicen der Wittwer Orpheus fang, Und durch ſein maͤchtges Lied den Hoͤllenhund bezwang. Der Sylphe, der auch hier das Schnupftuch noch be- wachte, Erſchrack, da ihn die Hand des Schickſals freyer machte. Jn dieſem Schrank geliebt, und zaͤrtlich, und getreu, Beſtuͤrzt die Freyheit ihn mehr, als die Sklaverey. So wie aus Zaͤrtlichkeit ein Sklave ſich betruͤbet, Der eine Zulima in ſeinen Ketten liebet, Wenn ihm ein edler Dey die Freyheit wieder ſchenkt, Und
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Das Schnupftuch.
So ſagte ſie, und ſchwieg. Zwar that die holde
Nymphe,
Als ſey ſie ſehr betruͤbt bey dieſem neuen Schimpfe:
Doch kaum war ſie allein, ſo pries ſie dieſen Tag,
Und eilte vor den Schrank, in dem das Schnupftuch
lag.
Mit Krachen oͤfnen ſich die aufgerißnen Fluͤgel.
So ſprangen von ſich ſelbſt des Hoͤllenthores Riegel,
Als um Euridicen der Wittwer Orpheus fang,
Und durch ſein maͤchtges Lied den Hoͤllenhund bezwang.
Der Sylphe, der auch hier das Schnupftuch noch be-
wachte,
Erſchrack, da ihn die Hand des Schickſals freyer machte.
Jn dieſem Schrank geliebt, und zaͤrtlich, und getreu,
Beſtuͤrzt die Freyheit ihn mehr, als die Sklaverey.
So wie aus Zaͤrtlichkeit ein Sklave ſich betruͤbet,
Der eine Zulima in ſeinen Ketten liebet,
Wenn ihm ein edler Dey die Freyheit wieder ſchenkt,
Und
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