Allein ihr Brüder, hoch! und laßt Selinden leben. Vivat Selinde hoch! brüllt tief ihr rauher Schlund; Vivat Selinde hoch! schreyt noch einmal ihr Mund, Zum drittenmale hoch! -- Das ganze Zimmer fchüt- tert, Daß auf dem nassen Tisch das grüne Paßglas zittert. Wie nach Homers Bericht, wenn in dem Trojerstreit, Mars, gleich zehntausend Mann, aus Schmerz der Wunde schreyt, Das ganze Heer erbebt, nebst Bergen, Thal und Felsen; So bebt die Stube hier von vier Studentenhälsen. Drauf mahlt Torf ihr Gesicht mit solcher Anmuth ab, Daß eines jeden Fluch ihm brausend Beyfall gab. Der Renommist versetzt, der insgeheim entbrannte: Jch wähle sie hiermit mir selber zur Scharmante. Den Teufel auch! (sprach Torf, der ungern sie ver- lohr,) Doch Raufbold schwur alsbald ihm zwanzig Ganze vor.
Torf
B 4
Erſter Geſang.
Allein ihr Bruͤder, hoch! und laßt Selinden leben. Vivat Selinde hoch! bruͤllt tief ihr rauher Schlund; Vivat Selinde hoch! ſchreyt noch einmal ihr Mund, Zum drittenmale hoch! — Das ganze Zimmer fchuͤt- tert, Daß auf dem naſſen Tiſch das gruͤne Paßglas zittert. Wie nach Homers Bericht, wenn in dem Trojerſtreit, Mars, gleich zehntauſend Mann, aus Schmerz der Wunde ſchreyt, Das ganze Heer erbebt, nebſt Bergen, Thal und Felſen; So bebt die Stube hier von vier Studentenhaͤlſen. Drauf mahlt Torf ihr Geſicht mit ſolcher Anmuth ab, Daß eines jeden Fluch ihm brauſend Beyfall gab. Der Renommiſt verſetzt, der insgeheim entbrannte: Jch waͤhle ſie hiermit mir ſelber zur Scharmante. Den Teufel auch! (ſprach Torf, der ungern ſie ver- lohr,) Doch Raufbold ſchwur alsbald ihm zwanzig Ganze vor.
Torf
B 4
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Erſter Geſang.
Allein ihr Bruͤder, hoch! und laßt Selinden leben.
Vivat Selinde hoch! bruͤllt tief ihr rauher Schlund;
Vivat Selinde hoch! ſchreyt noch einmal ihr Mund,
Zum drittenmale hoch! — Das ganze Zimmer fchuͤt-
tert,
Daß auf dem naſſen Tiſch das gruͤne Paßglas zittert.
Wie nach Homers Bericht, wenn in dem Trojerſtreit,
Mars, gleich zehntauſend Mann, aus Schmerz der
Wunde ſchreyt,
Das ganze Heer erbebt, nebſt Bergen, Thal und
Felſen;
So bebt die Stube hier von vier Studentenhaͤlſen.
Drauf mahlt Torf ihr Geſicht mit ſolcher Anmuth ab,
Daß eines jeden Fluch ihm brauſend Beyfall gab.
Der Renommiſt verſetzt, der insgeheim entbrannte:
Jch waͤhle ſie hiermit mir ſelber zur Scharmante.
Den Teufel auch! (ſprach Torf, der ungern ſie ver-
lohr,)
Doch Raufbold ſchwur alsbald ihm zwanzig Ganze vor.
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/87>, abgerufen am 28.11.2024.
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