schwachen Halse herabhangen, wenn sie der stürmische Regen belastet. Hektor zog ihn heraus aus dem Strom, und legte ihn zu seinen Füßen. Die Naja- den, durch das Geschrey erschreckt, flohen aus ihren Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob sein moosigtes Haupt hervor, und murrte und schalt, da er Blut sah. Wie ein großmüthiger Löwe, wenn er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann stößt, der im Walde wandelte, und seinen Gedanken nach- hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war; er reißt ihn zu Boden, aber sobald er ihn todt lie- gen sieht, schämt er sich seines unwürdigen Sieges, schüttelt die zottigte Mähne, und geht unwillig nach seiner Höhle zurück. Also stand Hektor über der Leiche des Hasen unzufrieden und finster, und brach
bald
Z 3
Dritter Geſang.
ſchwachen Halſe herabhangen, wenn ſie der ſtuͤrmiſche Regen belaſtet. Hektor zog ihn heraus aus dem Strom, und legte ihn zu ſeinen Fuͤßen. Die Naja- den, durch das Geſchrey erſchreckt, flohen aus ihren Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob ſein mooſigtes Haupt hervor, und murrte und ſchalt, da er Blut ſah. Wie ein großmuͤthiger Loͤwe, wenn er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann ſtoͤßt, der im Walde wandelte, und ſeinen Gedanken nach- hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war; er reißt ihn zu Boden, aber ſobald er ihn todt lie- gen ſieht, ſchaͤmt er ſich ſeines unwuͤrdigen Sieges, ſchuͤttelt die zottigte Maͤhne, und geht unwillig nach ſeiner Hoͤhle zuruͤck. Alſo ſtand Hektor uͤber der Leiche des Haſen unzufrieden und finſter, und brach
bald
Z 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0421"n="357"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Dritter Geſang.</hi></fw><lb/>ſchwachen Halſe herabhangen, wenn ſie der ſtuͤrmiſche<lb/>
Regen belaſtet. Hektor zog ihn heraus aus dem<lb/>
Strom, und legte ihn zu ſeinen Fuͤßen. Die Naja-<lb/>
den, durch das Geſchrey erſchreckt, flohen aus ihren<lb/>
Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob ſein<lb/>
mooſigtes Haupt hervor, und murrte und ſchalt, da<lb/>
er Blut ſah. Wie ein großmuͤthiger Loͤwe, wenn<lb/>
er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann ſtoͤßt,<lb/>
der im Walde wandelte, und ſeinen Gedanken nach-<lb/>
hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war;<lb/>
er reißt ihn zu Boden, aber ſobald er ihn todt lie-<lb/>
gen ſieht, ſchaͤmt er ſich ſeines unwuͤrdigen Sieges,<lb/>ſchuͤttelt die zottigte Maͤhne, und geht unwillig nach<lb/>ſeiner Hoͤhle zuruͤck. Alſo ſtand Hektor uͤber der<lb/>
Leiche des Haſen unzufrieden und finſter, und brach<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">bald</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[357/0421]
Dritter Geſang.
ſchwachen Halſe herabhangen, wenn ſie der ſtuͤrmiſche
Regen belaſtet. Hektor zog ihn heraus aus dem
Strom, und legte ihn zu ſeinen Fuͤßen. Die Naja-
den, durch das Geſchrey erſchreckt, flohen aus ihren
Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob ſein
mooſigtes Haupt hervor, und murrte und ſchalt, da
er Blut ſah. Wie ein großmuͤthiger Loͤwe, wenn
er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann ſtoͤßt,
der im Walde wandelte, und ſeinen Gedanken nach-
hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war;
er reißt ihn zu Boden, aber ſobald er ihn todt lie-
gen ſieht, ſchaͤmt er ſich ſeines unwuͤrdigen Sieges,
ſchuͤttelt die zottigte Maͤhne, und geht unwillig nach
ſeiner Hoͤhle zuruͤck. Alſo ſtand Hektor uͤber der
Leiche des Haſen unzufrieden und finſter, und brach
bald
Z 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/421>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.