Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].Erster Gesang. Also sprach er; und Thränen flossen in finstere Runzeln, Wie der zerschmelzende Schnee in braunen Furchen versieget. Aber, mein Vater, (erhub die junge Gräfin die Stimme,) Warum fürchtest du dich, da ich mich selber nicht fürchte? Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten, Auf dem spanischen Gaul, und auf dem ungrischen Klepper? Oder ist es so schwer, mit einem Wagen zu fahren? Bin ich nicht oft auf der Jagd dein kühner Kutscher gewesen? Vater, du willst nur nicht den neuen Phaeton wagen! O vertraue mir ihn, ich bring ihn schadlos zurücke. Also sprach sie, und schwieg; und ihre blühende Jugend, Und der Schönheit Gewalt, besiegen den furchtsamen Vater. Nun, es sey dir erlaubt, ich habe geschworen, und halt es. Nimm den Phaeton hin, und wähle dir selber die Pferde, Die
Erſter Geſang. Alſo ſprach er; und Thraͤnen floſſen in finſtere Runzeln, Wie der zerſchmelzende Schnee in braunen Furchen verſieget. Aber, mein Vater, (erhub die junge Graͤfin die Stimme,) Warum fuͤrchteſt du dich, da ich mich ſelber nicht fuͤrchte? Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten, Auf dem ſpaniſchen Gaul, und auf dem ungriſchen Klepper? Oder iſt es ſo ſchwer, mit einem Wagen zu fahren? Bin ich nicht oft auf der Jagd dein kuͤhner Kutſcher geweſen? Vater, du willſt nur nicht den neuen Phaeton wagen! O vertraue mir ihn, ich bring ihn ſchadlos zuruͤcke. Alſo ſprach ſie, und ſchwieg; und ihre bluͤhende Jugend, Und der Schoͤnheit Gewalt, beſiegen den furchtſamen Vater. Nun, es ſey dir erlaubt, ich habe geſchworen, und halt es. Nimm den Phaeton hin, und waͤhle dir ſelber die Pferde, Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0351" n="287"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erſter Geſang.</hi> </fw><lb/> <lg> <l>Alſo ſprach er; und Thraͤnen floſſen in finſtere<lb/><hi rendition="#et">Runzeln,</hi></l><lb/> <l>Wie der zerſchmelzende Schnee in braunen Furchen<lb/><hi rendition="#et">verſieget.</hi></l><lb/> <l>Aber, mein Vater, (erhub die junge Graͤfin die Stimme,)</l><lb/> <l>Warum fuͤrchteſt du dich, da ich mich ſelber nicht fuͤrchte?</l><lb/> <l>Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten,</l><lb/> <l>Auf dem ſpaniſchen Gaul, und auf dem ungriſchen<lb/><hi rendition="#et">Klepper?</hi></l><lb/> <l>Oder iſt es ſo ſchwer, mit einem Wagen zu fahren?</l><lb/> <l>Bin ich nicht oft auf der Jagd dein kuͤhner Kutſcher<lb/><hi rendition="#et">geweſen?</hi></l><lb/> <l>Vater, du willſt nur nicht den neuen Phaeton wagen!</l><lb/> <l>O vertraue mir ihn, ich bring ihn ſchadlos zuruͤcke.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Alſo ſprach ſie, und ſchwieg; und ihre bluͤhende<lb/><hi rendition="#et">Jugend,</hi></l><lb/> <l>Und der Schoͤnheit Gewalt, beſiegen den furchtſamen<lb/><hi rendition="#et">Vater.</hi></l><lb/> <l>Nun, es ſey dir erlaubt, ich habe geſchworen, und<lb/><hi rendition="#et">halt es.</hi></l><lb/> <l>Nimm den Phaeton hin, und waͤhle dir ſelber die<lb/><hi rendition="#et">Pferde,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></l> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [287/0351]
Erſter Geſang.
Alſo ſprach er; und Thraͤnen floſſen in finſtere
Runzeln,
Wie der zerſchmelzende Schnee in braunen Furchen
verſieget.
Aber, mein Vater, (erhub die junge Graͤfin die Stimme,)
Warum fuͤrchteſt du dich, da ich mich ſelber nicht fuͤrchte?
Hab ich von Jugend auf nicht auf wilden Pferden geritten,
Auf dem ſpaniſchen Gaul, und auf dem ungriſchen
Klepper?
Oder iſt es ſo ſchwer, mit einem Wagen zu fahren?
Bin ich nicht oft auf der Jagd dein kuͤhner Kutſcher
geweſen?
Vater, du willſt nur nicht den neuen Phaeton wagen!
O vertraue mir ihn, ich bring ihn ſchadlos zuruͤcke.
Alſo ſprach ſie, und ſchwieg; und ihre bluͤhende
Jugend,
Und der Schoͤnheit Gewalt, beſiegen den furchtſamen
Vater.
Nun, es ſey dir erlaubt, ich habe geſchworen, und
halt es.
Nimm den Phaeton hin, und waͤhle dir ſelber die
Pferde,
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/351 |
Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/351>, abgerufen am 30.07.2024. |