Ein dicker Caffeedampf, nach morgenländscher Art, Der in der obern Luft zu Phantasien ward. Selinde ruhte sanft auf ihrem Rosenbette, Als wenn das Schrecken nie ihr Blut durchschauert hätte: Jhr nahet sich der Traum, und schüttet Ambraduft, Und lieblichen Geruch in die balsamte Luft. Drauf ließ er sie im Schlaf, den Gott des Puders, se- hen. Jn seinem ganzen Reiz sah sie ihn vor sich stehen. Die Nymph erröthet sanft, indem er auf sie blickt, Und ihre weisse Hand an seine Lippen drückt. O Schöne, (fieng er an, wie Zephis ihn gelehret) Du weißt nicht, wie ein Geist als Sklave dich vereh- ret. Du siehst den Pudergott zu deinen Füssen stehn; Jst auch ein Sterblicher so siegend, und so schön, Als ich, o Schöne, bin! und doch seh ich mit Neide, Daß dich ein Federhut, der Schnitt von einem Kleide,
Und
Verwandlungen.
Ein dicker Caffeedampf, nach morgenlaͤndſcher Art, Der in der obern Luft zu Phantaſien ward. Selinde ruhte ſanft auf ihrem Roſenbette, Als wenn das Schrecken nie ihr Blut durchſchauert haͤtte: Jhr nahet ſich der Traum, und ſchuͤttet Ambraduft, Und lieblichen Geruch in die balſamte Luft. Drauf ließ er ſie im Schlaf, den Gott des Puders, ſe- hen. Jn ſeinem ganzen Reiz ſah ſie ihn vor ſich ſtehen. Die Nymph erroͤthet ſanft, indem er auf ſie blickt, Und ihre weiſſe Hand an ſeine Lippen druͤckt. O Schoͤne, (fieng er an, wie Zephis ihn gelehret) Du weißt nicht, wie ein Geiſt als Sklave dich vereh- ret. Du ſiehſt den Pudergott zu deinen Fuͤſſen ſtehn; Jſt auch ein Sterblicher ſo ſiegend, und ſo ſchoͤn, Als ich, o Schoͤne, bin! und doch ſeh ich mit Neide, Daß dich ein Federhut, der Schnitt von einem Kleide,
Und
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Verwandlungen.
Ein dicker Caffeedampf, nach morgenlaͤndſcher Art,
Der in der obern Luft zu Phantaſien ward.
Selinde ruhte ſanft auf ihrem Roſenbette,
Als wenn das Schrecken nie ihr Blut durchſchauert
haͤtte:
Jhr nahet ſich der Traum, und ſchuͤttet Ambraduft,
Und lieblichen Geruch in die balſamte Luft.
Drauf ließ er ſie im Schlaf, den Gott des Puders, ſe-
hen.
Jn ſeinem ganzen Reiz ſah ſie ihn vor ſich ſtehen.
Die Nymph erroͤthet ſanft, indem er auf ſie blickt,
Und ihre weiſſe Hand an ſeine Lippen druͤckt.
O Schoͤne, (fieng er an, wie Zephis ihn gelehret)
Du weißt nicht, wie ein Geiſt als Sklave dich vereh-
ret.
Du ſiehſt den Pudergott zu deinen Fuͤſſen ſtehn;
Jſt auch ein Sterblicher ſo ſiegend, und ſo ſchoͤn,
Als ich, o Schoͤne, bin! und doch ſeh ich mit Neide,
Daß dich ein Federhut, der Schnitt von einem Kleide,
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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