Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht. Doch, West, gehorchst du nicht; so will ich grausam handeln. Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan- deln; Und seh ich, daß dich wird ein schönes Haar erfreun, So soll dein wilder Hauch es alsobald zerstreun; Du sollst zur Winterzeit um rothe Nasen brausen, Und um den langen Pelz der alten Weiber sausen.
So sprach der Geist, und schwieg; und seine Hand ließ ihn Mit säuselndem Geräusch frey in die Lüfte fliehn. Der Stutzer wundert sich, daß ihm die Flucht gelinget, Und merkt nicht, daß er sich durch leere Lüfte schwin- get. Doch wie erschrack er nicht, sobald er um sich sah! Er sah sich in der Luft; sein Kleid war nicht mehr da, Er sah sich selber kaum; und wenn er sich bewegte, Bemerkt er, daß das Gras nur sanft die Spitzen regte.
Ach
Zweytes Buch.
Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht. Doch, Weſt, gehorchſt du nicht; ſo will ich grauſam handeln. Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan- deln; Und ſeh ich, daß dich wird ein ſchoͤnes Haar erfreun, So ſoll dein wilder Hauch es alſobald zerſtreun; Du ſollſt zur Winterzeit um rothe Naſen brauſen, Und um den langen Pelz der alten Weiber ſauſen.
So ſprach der Geiſt, und ſchwieg; und ſeine Hand ließ ihn Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch frey in die Luͤfte fliehn. Der Stutzer wundert ſich, daß ihm die Flucht gelinget, Und merkt nicht, daß er ſich durch leere Luͤfte ſchwin- get. Doch wie erſchrack er nicht, ſobald er um ſich ſah! Er ſah ſich in der Luft; ſein Kleid war nicht mehr da, Er ſah ſich ſelber kaum; und wenn er ſich bewegte, Bemerkt er, daß das Gras nur ſanft die Spitzen regte.
Ach
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Zweytes Buch.
Den angenehmen Mund, um den ihr Klaglied fleht.
Doch, Weſt, gehorchſt du nicht; ſo will ich grauſam
handeln.
Jch will dich durch dies Band in einen Nord verwan-
deln;
Und ſeh ich, daß dich wird ein ſchoͤnes Haar erfreun,
So ſoll dein wilder Hauch es alſobald zerſtreun;
Du ſollſt zur Winterzeit um rothe Naſen brauſen,
Und um den langen Pelz der alten Weiber ſauſen.
So ſprach der Geiſt, und ſchwieg; und ſeine
Hand ließ ihn
Mit ſaͤuſelndem Geraͤuſch frey in die Luͤfte fliehn.
Der Stutzer wundert ſich, daß ihm die Flucht gelinget,
Und merkt nicht, daß er ſich durch leere Luͤfte ſchwin-
get.
Doch wie erſchrack er nicht, ſobald er um ſich ſah!
Er ſah ſich in der Luft; ſein Kleid war nicht mehr da,
Er ſah ſich ſelber kaum; und wenn er ſich bewegte,
Bemerkt er, daß das Gras nur ſanft die Spitzen regte.
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/271>, abgerufen am 30.07.2024.
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