Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan, Fängt so mit finstrem Blick zu Charamunden an: Erzittre! denn du hörst den Gott des Puders sprechen. Daß du Selinden liebst, ist mir schon ein Verbrechen; Doch daß dein Wankelmuth nicht treu sie lieben kan, Das seh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an. Dein flatterhafter Geist hat viel zu enge Schranken; Du sollst dem Pudergott ein neues Wesen danken, Das deiner würdiger, als deine Menschheit, ist, Voll Unbeständigkeit hast du herum geküßt; Geh hin, und küsse nun, an statt der Schönen, Aeste; Du liebtest, wie ein West: so werde denn zum Weste.
So sprach der Pudergott; und Charamund ver- schwand. Doch nur sein erster Leib, sein irdisches Gewand Verlohr sich in der Luft; und dünne feinre Glieder
Be-
Verwandlungen.
Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan, Faͤngt ſo mit finſtrem Blick zu Charamunden an: Erzittre! denn du hoͤrſt den Gott des Puders ſprechen. Daß du Selinden liebſt, iſt mir ſchon ein Verbrechen; Doch daß dein Wankelmuth nicht treu ſie lieben kan, Das ſeh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an. Dein flatterhafter Geiſt hat viel zu enge Schranken; Du ſollſt dem Pudergott ein neues Weſen danken, Das deiner wuͤrdiger, als deine Menſchheit, iſt, Voll Unbeſtaͤndigkeit haſt du herum gekuͤßt; Geh hin, und kuͤſſe nun, an ſtatt der Schoͤnen, Aeſte; Du liebteſt, wie ein Weſt: ſo werde denn zum Weſte.
So ſprach der Pudergott; und Charamund ver- ſchwand. Doch nur ſein erſter Leib, ſein irdiſches Gewand Verlohr ſich in der Luft; und duͤnne feinre Glieder
Be-
<TEI><text><body><divn="1"><lg><l><pbfacs="#f0268"n="204"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Verwandlungen.</hi></fw></l><lb/><l>Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan,</l><lb/><l>Faͤngt ſo mit finſtrem Blick zu Charamunden an:</l><lb/><l>Erzittre! denn du hoͤrſt den Gott des Puders ſprechen.</l><lb/><l>Daß du Selinden liebſt, iſt mir ſchon ein Verbrechen;</l><lb/><l>Doch daß dein Wankelmuth nicht treu ſie lieben kan,</l><lb/><l>Das ſeh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an.</l><lb/><l>Dein flatterhafter Geiſt hat viel zu enge Schranken;</l><lb/><l>Du ſollſt dem Pudergott ein neues Weſen danken,</l><lb/><l>Das deiner wuͤrdiger, als deine Menſchheit, iſt,</l><lb/><l>Voll Unbeſtaͤndigkeit haſt du herum gekuͤßt;</l><lb/><l>Geh hin, und kuͤſſe nun, an ſtatt der Schoͤnen, Aeſte;</l><lb/><l>Du liebteſt, wie ein Weſt: ſo werde denn zum Weſte.</l></lg><lb/><lg><l>So ſprach der Pudergott; und Charamund ver-<lb/><hirendition="#et">ſchwand.</hi></l><lb/><l>Doch nur ſein erſter Leib, ſein irdiſches Gewand</l><lb/><l>Verlohr ſich in der Luft; und duͤnne feinre Glieder<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Be-</fw><lb/></l></lg></div></body></text></TEI>
[204/0268]
Verwandlungen.
Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan,
Faͤngt ſo mit finſtrem Blick zu Charamunden an:
Erzittre! denn du hoͤrſt den Gott des Puders ſprechen.
Daß du Selinden liebſt, iſt mir ſchon ein Verbrechen;
Doch daß dein Wankelmuth nicht treu ſie lieben kan,
Das ſeh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an.
Dein flatterhafter Geiſt hat viel zu enge Schranken;
Du ſollſt dem Pudergott ein neues Weſen danken,
Das deiner wuͤrdiger, als deine Menſchheit, iſt,
Voll Unbeſtaͤndigkeit haſt du herum gekuͤßt;
Geh hin, und kuͤſſe nun, an ſtatt der Schoͤnen, Aeſte;
Du liebteſt, wie ein Weſt: ſo werde denn zum Weſte.
So ſprach der Pudergott; und Charamund ver-
ſchwand.
Doch nur ſein erſter Leib, ſein irdiſches Gewand
Verlohr ſich in der Luft; und duͤnne feinre Glieder
Be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/268>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.