Kaum hat sie unsichtbar das mächtge Band berührt, Als sie im Augenblick den mächtgen Einfluß spürt. Sie rennet alsobald nach einem Puderbeutel, Und hüllt in Weizenmehl die schwarzbelockte Scheitel, Der frohe Zephis jauchzt. Doch wie starrt Jean- neton, Als ihr um das Gesicht die Puderstäubchen flohn! Selinde, (ruft sie aus,) seyd ihr nicht klug geworden! Jhr tretet abgeschmackt aus dem Brünettenorden, Damit ihr ja recht deutsch, weiß, und gepudert seyd? Wem zu gefallen ist dies braune Haar bestreut? Bequemt ihr niemals euch, nach unsrer Art zu leben, Und soll ich immer euch vergebens Lehren geben? Beweist doch, daß ihr euch zu Frankreichs Sitten neigt, Jhr habt ja vierzehn Jahr euch deutsch genung bezeigt. Wir werden bald Besuch vom Charamund empfangen;
Bald
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Erſtes Buch.
Kaum hat ſie unſichtbar das maͤchtge Band beruͤhrt, Als ſie im Augenblick den maͤchtgen Einfluß ſpuͤrt. Sie rennet alſobald nach einem Puderbeutel, Und huͤllt in Weizenmehl die ſchwarzbelockte Scheitel, Der frohe Zephis jauchzt. Doch wie ſtarrt Jean- neton, Als ihr um das Geſicht die Puderſtaͤubchen flohn! Selinde, (ruft ſie aus,) ſeyd ihr nicht klug geworden! Jhr tretet abgeſchmackt aus dem Bruͤnettenorden, Damit ihr ja recht deutſch, weiß, und gepudert ſeyd? Wem zu gefallen iſt dies braune Haar beſtreut? Bequemt ihr niemals euch, nach unſrer Art zu leben, Und ſoll ich immer euch vergebens Lehren geben? Beweiſt doch, daß ihr euch zu Frankreichs Sitten neigt, Jhr habt ja vierzehn Jahr euch deutſch genung bezeigt. Wir werden bald Beſuch vom Charamund empfangen;
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Erſtes Buch.
Kaum hat ſie unſichtbar das maͤchtge Band beruͤhrt,
Als ſie im Augenblick den maͤchtgen Einfluß ſpuͤrt.
Sie rennet alſobald nach einem Puderbeutel,
Und huͤllt in Weizenmehl die ſchwarzbelockte Scheitel,
Der frohe Zephis jauchzt. Doch wie ſtarrt Jean-
neton,
Als ihr um das Geſicht die Puderſtaͤubchen flohn!
Selinde, (ruft ſie aus,) ſeyd ihr nicht klug geworden!
Jhr tretet abgeſchmackt aus dem Bruͤnettenorden,
Damit ihr ja recht deutſch, weiß, und gepudert ſeyd?
Wem zu gefallen iſt dies braune Haar beſtreut?
Bequemt ihr niemals euch, nach unſrer Art zu leben,
Und ſoll ich immer euch vergebens Lehren geben?
Beweiſt doch, daß ihr euch zu Frankreichs Sitten
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/243>, abgerufen am 24.11.2024.
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