Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
ziehungskräfte überwiegend werden. In Folge dessen wird sich also
der Punkt b gegen den Punkt a hin bewegen: in dem Moment aber,
in welchem er sich in Bewegung setzt, übt zugleich c auf ihn eine An-
ziehung aus, die auf b einwirkenden Kräfte werden also durch die Ver-
bindungslinien b c und b a dargestellt, die wirkliche Bewegung muss
daher nach dem Satz vom Kräfteparallelogramm in der Diagonale bei-
der Richtungen geschehen, d. h. der Punct b wird sich ebenso wie vor-
hin der Punkt a gerade nach abwärts bewegen. Während aber b diese
Bewegung ausführt, ist a bereits gegen seine ursprüngliche Gleichge-
wichtslage zurückgekehrt, es wird also in einem folgenden Moment die
Anordnung der Punkte die in C dargestellte sein. Der Punkt a bleibt
jedoch nach seinem Rückgang nicht in der Gleichgewichtslage, sondern
schwingt vermöge der erlangten Beschleunigung um ebenso viel nach
der entgegengesetzten Richtung über dieselbe hinaus, als er durch den
anfänglichen Stoss aus ihr entfernt worden war. So wird in einem
dritten Moment, in welchem zugleich b in die Gleichgewichtslage zu-
rückgekehrt ist und die Bewegung sich auf einen weiteren Punkt c fort-
gepflanzt hat, die Anordnung durch D dargestellt werden, in einem
vierten Moment durch E u. s. f. Man sieht sonach, dass auch in die-
sem Fall die Schwingungsbewegung, in die der erste Punkt geräth,
sich fortpflanzt, dass aber hier nicht auf einander folgende Verdich-
tungen und Verdünnungen entstehen, sondern Abweichungen der Punkte
nach oben und nach unten von der Gleichgewichtslage, die übrigens
ebenso regelmässig auf einander folgen wie die Verdichtungen und Ver-
dünnungen bei den Longitudinalschwingungen. Es ist klar, dass wir
auch hier zwischen den Punkten a, b, c u. s. w. noch eine Menge wei-
terer Punkte annehmen können. Dann wird z. B. in einem der Fig. 13
E entsprechenden Zeitmomente die Anordnung einer solchen dichter
gedrängten Punktreihe durch die Fig. 14 dargestellt werden. Ziehen
[Abbildung] Fig. 14.
wir zwischen allen Punkten die Verbin-
dungslinie, so erhalten wir demnach für
die Fortpflanzung dieser Schwingungs-
bewegung eine ebensolche Wellenlinie,
wie wir sie zur Darstellung der Longi-
tudinalschwingungen benützt haben.
Aber während bei den letzteren die Wellenlinie nur ein die auf einan-
der folgenden Verdichtungen und Verdünnungen versinnlichendes Bild
ist, stellt sie hier die wirkliche Bewegung der Punkte dar. Man nennt
solche durch Erschütterungen, die auf der Verbindungslinie der Punkte
senkrecht stehen, erzeugte Schwingungsbewegungen Transversal-
schwingungen
oder Transversalwellen. Auch hier bilden ein
Wellenberg und ein darauf folgendes Wellenthal zusammen eine Wel-
lenlänge
, und auch hier ist, wie man leicht sieht, jede Stelle in die-

Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.
ziehungskräfte überwiegend werden. In Folge dessen wird sich also
der Punkt b gegen den Punkt a hin bewegen: in dem Moment aber,
in welchem er sich in Bewegung setzt, übt zugleich c auf ihn eine An-
ziehung aus, die auf b einwirkenden Kräfte werden also durch die Ver-
bindungslinien b c und b a dargestellt, die wirkliche Bewegung muss
daher nach dem Satz vom Kräfteparallelogramm in der Diagonale bei-
der Richtungen geschehen, d. h. der Punct b wird sich ebenso wie vor-
hin der Punkt a gerade nach abwärts bewegen. Während aber b diese
Bewegung ausführt, ist a bereits gegen seine ursprüngliche Gleichge-
wichtslage zurückgekehrt, es wird also in einem folgenden Moment die
Anordnung der Punkte die in C dargestellte sein. Der Punkt a bleibt
jedoch nach seinem Rückgang nicht in der Gleichgewichtslage, sondern
schwingt vermöge der erlangten Beschleunigung um ebenso viel nach
der entgegengesetzten Richtung über dieselbe hinaus, als er durch den
anfänglichen Stoss aus ihr entfernt worden war. So wird in einem
dritten Moment, in welchem zugleich b in die Gleichgewichtslage zu-
rückgekehrt ist und die Bewegung sich auf einen weiteren Punkt c fort-
gepflanzt hat, die Anordnung durch D dargestellt werden, in einem
vierten Moment durch E u. s. f. Man sieht sonach, dass auch in die-
sem Fall die Schwingungsbewegung, in die der erste Punkt geräth,
sich fortpflanzt, dass aber hier nicht auf einander folgende Verdich-
tungen und Verdünnungen entstehen, sondern Abweichungen der Punkte
nach oben und nach unten von der Gleichgewichtslage, die übrigens
ebenso regelmässig auf einander folgen wie die Verdichtungen und Ver-
dünnungen bei den Longitudinalschwingungen. Es ist klar, dass wir
auch hier zwischen den Punkten a, b, c u. s. w. noch eine Menge wei-
terer Punkte annehmen können. Dann wird z. B. in einem der Fig. 13
E entsprechenden Zeitmomente die Anordnung einer solchen dichter
gedrängten Punktreihe durch die Fig. 14 dargestellt werden. Ziehen
[Abbildung] Fig. 14.
wir zwischen allen Punkten die Verbin-
dungslinie, so erhalten wir demnach für
die Fortpflanzung dieser Schwingungs-
bewegung eine ebensolche Wellenlinie,
wie wir sie zur Darstellung der Longi-
tudinalschwingungen benützt haben.
Aber während bei den letzteren die Wellenlinie nur ein die auf einan-
der folgenden Verdichtungen und Verdünnungen versinnlichendes Bild
ist, stellt sie hier die wirkliche Bewegung der Punkte dar. Man nennt
solche durch Erschütterungen, die auf der Verbindungslinie der Punkte
senkrecht stehen, erzeugte Schwingungsbewegungen Transversal-
schwingungen
oder Transversalwellen. Auch hier bilden ein
Wellenberg und ein darauf folgendes Wellenthal zusammen eine Wel-
lenlänge
, und auch hier ist, wie man leicht sieht, jede Stelle in die-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="47"/><fw place="top" type="header">Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen.</fw><lb/>
ziehungskräfte überwiegend werden. In Folge dessen wird sich also<lb/>
der Punkt b gegen den Punkt a hin bewegen: in dem Moment aber,<lb/>
in welchem er sich in Bewegung setzt, übt zugleich c auf ihn eine An-<lb/>
ziehung aus, die auf b einwirkenden Kräfte werden also durch die Ver-<lb/>
bindungslinien b c und b a dargestellt, die wirkliche Bewegung muss<lb/>
daher nach dem Satz vom Kräfteparallelogramm in der Diagonale bei-<lb/>
der Richtungen geschehen, d. h. der Punct b wird sich ebenso wie vor-<lb/>
hin der Punkt a gerade nach abwärts bewegen. Während aber b diese<lb/>
Bewegung ausführt, ist a bereits gegen seine ursprüngliche Gleichge-<lb/>
wichtslage zurückgekehrt, es wird also in einem folgenden Moment die<lb/>
Anordnung der Punkte die in C dargestellte sein. Der Punkt a bleibt<lb/>
jedoch nach seinem Rückgang nicht in der Gleichgewichtslage, sondern<lb/>
schwingt vermöge der erlangten Beschleunigung um ebenso viel nach<lb/>
der entgegengesetzten Richtung über dieselbe hinaus, als er durch den<lb/>
anfänglichen Stoss aus ihr entfernt worden war. So wird in einem<lb/>
dritten Moment, in welchem zugleich b in die Gleichgewichtslage zu-<lb/>
rückgekehrt ist und die Bewegung sich auf einen weiteren Punkt c fort-<lb/>
gepflanzt hat, die Anordnung durch D dargestellt werden, in einem<lb/>
vierten Moment durch E u. s. f. Man sieht sonach, dass auch in die-<lb/>
sem Fall die Schwingungsbewegung, in die der erste Punkt geräth,<lb/>
sich fortpflanzt, dass aber hier nicht auf einander folgende Verdich-<lb/>
tungen und Verdünnungen entstehen, sondern Abweichungen der Punkte<lb/>
nach oben und nach unten von der Gleichgewichtslage, die übrigens<lb/>
ebenso regelmässig auf einander folgen wie die Verdichtungen und Ver-<lb/>
dünnungen bei den Longitudinalschwingungen. Es ist klar, dass wir<lb/>
auch hier zwischen den Punkten a, b, c u. s. w. noch eine Menge wei-<lb/>
terer Punkte annehmen können. Dann wird z. B. in einem der Fig. 13<lb/>
E entsprechenden Zeitmomente die Anordnung einer solchen dichter<lb/>
gedrängten Punktreihe durch die Fig. 14 dargestellt werden. Ziehen<lb/><figure><head>Fig. 14.</head></figure><lb/>
wir zwischen allen Punkten die Verbin-<lb/>
dungslinie, so erhalten wir demnach für<lb/>
die Fortpflanzung dieser Schwingungs-<lb/>
bewegung eine ebensolche Wellenlinie,<lb/>
wie wir sie zur Darstellung der Longi-<lb/>
tudinalschwingungen benützt haben.<lb/>
Aber während bei den letzteren die Wellenlinie nur ein die auf einan-<lb/>
der folgenden Verdichtungen und Verdünnungen versinnlichendes Bild<lb/>
ist, stellt sie hier die wirkliche Bewegung der Punkte dar. Man nennt<lb/>
solche durch Erschütterungen, die auf der Verbindungslinie der Punkte<lb/>
senkrecht stehen, erzeugte Schwingungsbewegungen <hi rendition="#g">Transversal-<lb/>
schwingungen</hi> oder <hi rendition="#g">Transversalwellen</hi>. Auch hier bilden ein<lb/>
Wellenberg und ein darauf folgendes Wellenthal zusammen <hi rendition="#g">eine Wel-<lb/>
lenlänge</hi>, und auch hier ist, wie man leicht sieht, jede Stelle in die-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0069] Von den Schwingungs- und Wellenbewegungen. ziehungskräfte überwiegend werden. In Folge dessen wird sich also der Punkt b gegen den Punkt a hin bewegen: in dem Moment aber, in welchem er sich in Bewegung setzt, übt zugleich c auf ihn eine An- ziehung aus, die auf b einwirkenden Kräfte werden also durch die Ver- bindungslinien b c und b a dargestellt, die wirkliche Bewegung muss daher nach dem Satz vom Kräfteparallelogramm in der Diagonale bei- der Richtungen geschehen, d. h. der Punct b wird sich ebenso wie vor- hin der Punkt a gerade nach abwärts bewegen. Während aber b diese Bewegung ausführt, ist a bereits gegen seine ursprüngliche Gleichge- wichtslage zurückgekehrt, es wird also in einem folgenden Moment die Anordnung der Punkte die in C dargestellte sein. Der Punkt a bleibt jedoch nach seinem Rückgang nicht in der Gleichgewichtslage, sondern schwingt vermöge der erlangten Beschleunigung um ebenso viel nach der entgegengesetzten Richtung über dieselbe hinaus, als er durch den anfänglichen Stoss aus ihr entfernt worden war. So wird in einem dritten Moment, in welchem zugleich b in die Gleichgewichtslage zu- rückgekehrt ist und die Bewegung sich auf einen weiteren Punkt c fort- gepflanzt hat, die Anordnung durch D dargestellt werden, in einem vierten Moment durch E u. s. f. Man sieht sonach, dass auch in die- sem Fall die Schwingungsbewegung, in die der erste Punkt geräth, sich fortpflanzt, dass aber hier nicht auf einander folgende Verdich- tungen und Verdünnungen entstehen, sondern Abweichungen der Punkte nach oben und nach unten von der Gleichgewichtslage, die übrigens ebenso regelmässig auf einander folgen wie die Verdichtungen und Ver- dünnungen bei den Longitudinalschwingungen. Es ist klar, dass wir auch hier zwischen den Punkten a, b, c u. s. w. noch eine Menge wei- terer Punkte annehmen können. Dann wird z. B. in einem der Fig. 13 E entsprechenden Zeitmomente die Anordnung einer solchen dichter gedrängten Punktreihe durch die Fig. 14 dargestellt werden. Ziehen [Abbildung Fig. 14.] wir zwischen allen Punkten die Verbin- dungslinie, so erhalten wir demnach für die Fortpflanzung dieser Schwingungs- bewegung eine ebensolche Wellenlinie, wie wir sie zur Darstellung der Longi- tudinalschwingungen benützt haben. Aber während bei den letzteren die Wellenlinie nur ein die auf einan- der folgenden Verdichtungen und Verdünnungen versinnlichendes Bild ist, stellt sie hier die wirkliche Bewegung der Punkte dar. Man nennt solche durch Erschütterungen, die auf der Verbindungslinie der Punkte senkrecht stehen, erzeugte Schwingungsbewegungen Transversal- schwingungen oder Transversalwellen. Auch hier bilden ein Wellenberg und ein darauf folgendes Wellenthal zusammen eine Wel- lenlänge, und auch hier ist, wie man leicht sieht, jede Stelle in die-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/69
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/69>, abgerufen am 29.11.2024.