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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Die Gesetze der Bewegung.
Zeit t zurückgelegte Weg s ist daher einfach gleich der Geschwindig-
keit c multiplicirt mit der Zeit t, s = c. t.

Fassen wir jedoch den bewegten Punkt ins Auge nicht nachdem24
Gleichförmig
beschleunigte
Bewegung.

eine Kraft schon aufgehört hat auf ihn zu wirken, sondern während
diese Wirkung noch fortdauert, so wird unmöglich die Bewegung eine
gleichförmige sein können, sondern sie wird, gleichfalls nach dem Prin-
cip der Trägheit, fortwährend wachsen müssen. Der einfachste Fall
wird derjenige sein, wo die Kraft constant bleibt. Wir können uns die
Zeit, während deren die Kraft wirkt, in eine Menge einzelner Momente
zerlegt denken. Im ersten Moment ertheilt die Kraft dem Punkt eine
gewisse Geschwindigkeit, welche er, wenn die Kraft nicht weiter ein-
wirkte, gleichförmig beibehalten würde. Aber dieselbe Kraft wirkt
auch noch im zweiten Moment auf ihn, sie erhöht also die vom ersten
Moment her noch vorhandene Geschwindigkeit um die gleiche Grösse,
ebenso in einem dritten, vierten Moment u. s. w. Wir können uns da-
her die fortdauernde Wirkung der Kraft so denken, als wenn in jedem
Momente ein neuer gleich grosser Stoss von derselben ausgeübt würde;
nur liegen die Stösse unendlich nahe beisammen, und daher wächst
die Geschwindigkeit nicht stossweise, sondern continuirlich. Sie muss
aber gleichförmig wachsen, da ja die Kraft gleichförmig fortwirkt
und also in jedem kleinsten Zeittheil die Geschwindigkeit um gleich viel
erhöht. Denken wir uns, die Kraft hörte nach der ersten Secunde zu
wirken auf, so würde der Punkt sich nun mit gleichförmiger Geschwin-
digkeit fortbewegen; der Weg aber, welchen er bei dieser gleichför-
migen Bewegung in einer Secunde zurücklegen würde, kann offenbar
als Maass der Beschleunigung dienen, welche die Kraft während
ihrer eine Secunde dauernden Wirkung erzeugt hat. Denn ehe die
Kraft wirkte, war die Geschwindigkeit null, und wenn wir die Ge-
schwindigkeit im Anfange einer gewissen Zeit von der Geschwindig-
keit am Ende derselben abziehen, so ist der Rest die während der
Zeit erlangte Beschleunigung. Da die Geschwindigkeit gleichförmig
wächst, also in jeder Secunde die Beschleunigung die nämliche ist, so
würde man dasselbe Resultat erhalten, wenn man zu einer beliebigen
andern Zeit der Bewegung die Geschwindigkeit im Anfang einer Se-
cunde mit der Geschwindigkeit am Ende derselben vergleichen würde;
nur ist diese Vergleichung gerade im Anfang der Bewegung am leich-
testen auszuführen, weil die in der ersten Secunde erzeugte Geschwin-
digkeit unmittelbar gleich der Beschleunigung ist. Hat man die Be-
schleunigung gemessen, so lässt sich die Geschwindigkeit, die nach
Verlauf einer gewissen Zeit vorhanden sein wird, vorausbestimmen.
Wurde nämlich die in der Secunde geschehende Beschleunigung = G
gefunden, so braucht man nur die Beschleunigung G mit der Zeit-
dauer t der Bewegung zu multipliciren, um die nach Verfluss der Zeit

Die Gesetze der Bewegung.
Zeit t zurückgelegte Weg s ist daher einfach gleich der Geschwindig-
keit c multiplicirt mit der Zeit t, s = c. t.

Fassen wir jedoch den bewegten Punkt ins Auge nicht nachdem24
Gleichförmig
beschleunigte
Bewegung.

eine Kraft schon aufgehört hat auf ihn zu wirken, sondern während
diese Wirkung noch fortdauert, so wird unmöglich die Bewegung eine
gleichförmige sein können, sondern sie wird, gleichfalls nach dem Prin-
cip der Trägheit, fortwährend wachsen müssen. Der einfachste Fall
wird derjenige sein, wo die Kraft constant bleibt. Wir können uns die
Zeit, während deren die Kraft wirkt, in eine Menge einzelner Momente
zerlegt denken. Im ersten Moment ertheilt die Kraft dem Punkt eine
gewisse Geschwindigkeit, welche er, wenn die Kraft nicht weiter ein-
wirkte, gleichförmig beibehalten würde. Aber dieselbe Kraft wirkt
auch noch im zweiten Moment auf ihn, sie erhöht also die vom ersten
Moment her noch vorhandene Geschwindigkeit um die gleiche Grösse,
ebenso in einem dritten, vierten Moment u. s. w. Wir können uns da-
her die fortdauernde Wirkung der Kraft so denken, als wenn in jedem
Momente ein neuer gleich grosser Stoss von derselben ausgeübt würde;
nur liegen die Stösse unendlich nahe beisammen, und daher wächst
die Geschwindigkeit nicht stossweise, sondern continuirlich. Sie muss
aber gleichförmig wachsen, da ja die Kraft gleichförmig fortwirkt
und also in jedem kleinsten Zeittheil die Geschwindigkeit um gleich viel
erhöht. Denken wir uns, die Kraft hörte nach der ersten Secunde zu
wirken auf, so würde der Punkt sich nun mit gleichförmiger Geschwin-
digkeit fortbewegen; der Weg aber, welchen er bei dieser gleichför-
migen Bewegung in einer Secunde zurücklegen würde, kann offenbar
als Maass der Beschleunigung dienen, welche die Kraft während
ihrer eine Secunde dauernden Wirkung erzeugt hat. Denn ehe die
Kraft wirkte, war die Geschwindigkeit null, und wenn wir die Ge-
schwindigkeit im Anfange einer gewissen Zeit von der Geschwindig-
keit am Ende derselben abziehen, so ist der Rest die während der
Zeit erlangte Beschleunigung. Da die Geschwindigkeit gleichförmig
wächst, also in jeder Secunde die Beschleunigung die nämliche ist, so
würde man dasselbe Resultat erhalten, wenn man zu einer beliebigen
andern Zeit der Bewegung die Geschwindigkeit im Anfang einer Se-
cunde mit der Geschwindigkeit am Ende derselben vergleichen würde;
nur ist diese Vergleichung gerade im Anfang der Bewegung am leich-
testen auszuführen, weil die in der ersten Secunde erzeugte Geschwin-
digkeit unmittelbar gleich der Beschleunigung ist. Hat man die Be-
schleunigung gemessen, so lässt sich die Geschwindigkeit, die nach
Verlauf einer gewissen Zeit vorhanden sein wird, vorausbestimmen.
Wurde nämlich die in der Secunde geschehende Beschleunigung = G
gefunden, so braucht man nur die Beschleunigung G mit der Zeit-
dauer t der Bewegung zu multipliciren, um die nach Verfluss der Zeit

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[29/0051] Die Gesetze der Bewegung. Zeit t zurückgelegte Weg s ist daher einfach gleich der Geschwindig- keit c multiplicirt mit der Zeit t, s = c. t. Fassen wir jedoch den bewegten Punkt ins Auge nicht nachdem eine Kraft schon aufgehört hat auf ihn zu wirken, sondern während diese Wirkung noch fortdauert, so wird unmöglich die Bewegung eine gleichförmige sein können, sondern sie wird, gleichfalls nach dem Prin- cip der Trägheit, fortwährend wachsen müssen. Der einfachste Fall wird derjenige sein, wo die Kraft constant bleibt. Wir können uns die Zeit, während deren die Kraft wirkt, in eine Menge einzelner Momente zerlegt denken. Im ersten Moment ertheilt die Kraft dem Punkt eine gewisse Geschwindigkeit, welche er, wenn die Kraft nicht weiter ein- wirkte, gleichförmig beibehalten würde. Aber dieselbe Kraft wirkt auch noch im zweiten Moment auf ihn, sie erhöht also die vom ersten Moment her noch vorhandene Geschwindigkeit um die gleiche Grösse, ebenso in einem dritten, vierten Moment u. s. w. Wir können uns da- her die fortdauernde Wirkung der Kraft so denken, als wenn in jedem Momente ein neuer gleich grosser Stoss von derselben ausgeübt würde; nur liegen die Stösse unendlich nahe beisammen, und daher wächst die Geschwindigkeit nicht stossweise, sondern continuirlich. Sie muss aber gleichförmig wachsen, da ja die Kraft gleichförmig fortwirkt und also in jedem kleinsten Zeittheil die Geschwindigkeit um gleich viel erhöht. Denken wir uns, die Kraft hörte nach der ersten Secunde zu wirken auf, so würde der Punkt sich nun mit gleichförmiger Geschwin- digkeit fortbewegen; der Weg aber, welchen er bei dieser gleichför- migen Bewegung in einer Secunde zurücklegen würde, kann offenbar als Maass der Beschleunigung dienen, welche die Kraft während ihrer eine Secunde dauernden Wirkung erzeugt hat. Denn ehe die Kraft wirkte, war die Geschwindigkeit null, und wenn wir die Ge- schwindigkeit im Anfange einer gewissen Zeit von der Geschwindig- keit am Ende derselben abziehen, so ist der Rest die während der Zeit erlangte Beschleunigung. Da die Geschwindigkeit gleichförmig wächst, also in jeder Secunde die Beschleunigung die nämliche ist, so würde man dasselbe Resultat erhalten, wenn man zu einer beliebigen andern Zeit der Bewegung die Geschwindigkeit im Anfang einer Se- cunde mit der Geschwindigkeit am Ende derselben vergleichen würde; nur ist diese Vergleichung gerade im Anfang der Bewegung am leich- testen auszuführen, weil die in der ersten Secunde erzeugte Geschwin- digkeit unmittelbar gleich der Beschleunigung ist. Hat man die Be- schleunigung gemessen, so lässt sich die Geschwindigkeit, die nach Verlauf einer gewissen Zeit vorhanden sein wird, vorausbestimmen. Wurde nämlich die in der Secunde geschehende Beschleunigung = G gefunden, so braucht man nur die Beschleunigung G mit der Zeit- dauer t der Bewegung zu multipliciren, um die nach Verfluss der Zeit 24 Gleichförmig beschleunigte Bewegung.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/51>, abgerufen am 27.11.2024.