124 Uebersicht der Lichterschei- nungen. Ein- theilung dieses Abschnitts.
Als Licht bezeichnen wir diejenigen Vorgänge in der Aussen- welt, welche, aus der Ferne auf unser Auge einwirkend, Gesichtsem- pfindungen verursachen. Wir beobachten, dass bestimmte Objecte die Quellen der Lichterscheinungen sind. Diese Objecte, wie die Sonne, die Fixsterne, die brennenden Körper, nennen wir leuchtend oder, zum Unterschied von solchen Körpern, welche bloss von aussen em- pfangenes Licht wieder zurückstrahlen, selbstleuchtend. Von den leuchtenden Gegenständen strahlt das Licht geradlinig nach allen Rich- tungen des Raumes aus. Jede solche geradlinige Fortpflanzungsrich- tung des Lichtes bezeichnet man als einen Lichtstrahl. Trifft das Licht bei seiner Fortpflauzung auf Gegenstände, welche nicht von selbst leuchten, so können diese dadurch, dass sie das empfangene Licht wieder zurückwerfen, leuchtend werden. Andere Körper gestatten den auf sie treffenden Lichtstrahlen den Durchgang, man nennt sie die durchsichtigen Körper. Bei der Zurückwerfung und beim Durchtritt des Lichts folgt die Lichtfortpflanzung denselben Gesetzen, denen die Fortpflanzung einer Wellenbewegung unterworfen ist. Wird also ein Lichtstrahl von einem Körper zurückgeworfen, so ist der Re- flexionswinkel gleich dem Einfallswinkel; tritt ein Lichtstrahl aus einem Medium in ein anderes von verschiedener Dichte, so wird er nach dem Einfallslothe zu oder von dem Einfallslothe weg gebrochen. Auch darin verräth sich das Licht als eine Wellenbewegung, dass bei der Interferenz zweier Lichtstrahlen, je nach dem Wegunterschied der- selben, bald stärkere Erleuchtung bald Verdunkelung eintreten kann; letztere wird aber offenbar dann erfolgen müssen, wenn ein Wellen- berg und ein Wellenthal zusammentreffen. (Vergl. Abschn. I. Cap. 4.)
Das Licht stimmt in allen diesen Beziehungen mit dem Schall, der ebenfalls auf einer Wellenbewegung beruht, überein. Wie die In- tensität des Schalls von der Amplitude der Schallschwingungen, so
Vierter Abschnitt. Von dem Lichte.
124 Uebersicht der Lichterschei- nungen. Ein- theilung dieses Abschnitts.
Als Licht bezeichnen wir diejenigen Vorgänge in der Aussen- welt, welche, aus der Ferne auf unser Auge einwirkend, Gesichtsem- pfindungen verursachen. Wir beobachten, dass bestimmte Objecte die Quellen der Lichterscheinungen sind. Diese Objecte, wie die Sonne, die Fixsterne, die brennenden Körper, nennen wir leuchtend oder, zum Unterschied von solchen Körpern, welche bloss von aussen em- pfangenes Licht wieder zurückstrahlen, selbstleuchtend. Von den leuchtenden Gegenständen strahlt das Licht geradlinig nach allen Rich- tungen des Raumes aus. Jede solche geradlinige Fortpflanzungsrich- tung des Lichtes bezeichnet man als einen Lichtstrahl. Trifft das Licht bei seiner Fortpflauzung auf Gegenstände, welche nicht von selbst leuchten, so können diese dadurch, dass sie das empfangene Licht wieder zurückwerfen, leuchtend werden. Andere Körper gestatten den auf sie treffenden Lichtstrahlen den Durchgang, man nennt sie die durchsichtigen Körper. Bei der Zurückwerfung und beim Durchtritt des Lichts folgt die Lichtfortpflanzung denselben Gesetzen, denen die Fortpflanzung einer Wellenbewegung unterworfen ist. Wird also ein Lichtstrahl von einem Körper zurückgeworfen, so ist der Re- flexionswinkel gleich dem Einfallswinkel; tritt ein Lichtstrahl aus einem Medium in ein anderes von verschiedener Dichte, so wird er nach dem Einfallslothe zu oder von dem Einfallslothe weg gebrochen. Auch darin verräth sich das Licht als eine Wellenbewegung, dass bei der Interferenz zweier Lichtstrahlen, je nach dem Wegunterschied der- selben, bald stärkere Erleuchtung bald Verdunkelung eintreten kann; letztere wird aber offenbar dann erfolgen müssen, wenn ein Wellen- berg und ein Wellenthal zusammentreffen. (Vergl. Abschn. I. Cap. 4.)
Das Licht stimmt in allen diesen Beziehungen mit dem Schall, der ebenfalls auf einer Wellenbewegung beruht, überein. Wie die In- tensität des Schalls von der Amplitude der Schallschwingungen, so
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[[186]/0208]
Vierter Abschnitt.
Von dem Lichte.
Als Licht bezeichnen wir diejenigen Vorgänge in der Aussen-
welt, welche, aus der Ferne auf unser Auge einwirkend, Gesichtsem-
pfindungen verursachen. Wir beobachten, dass bestimmte Objecte die
Quellen der Lichterscheinungen sind. Diese Objecte, wie die Sonne,
die Fixsterne, die brennenden Körper, nennen wir leuchtend oder,
zum Unterschied von solchen Körpern, welche bloss von aussen em-
pfangenes Licht wieder zurückstrahlen, selbstleuchtend. Von den
leuchtenden Gegenständen strahlt das Licht geradlinig nach allen Rich-
tungen des Raumes aus. Jede solche geradlinige Fortpflanzungsrich-
tung des Lichtes bezeichnet man als einen Lichtstrahl. Trifft das
Licht bei seiner Fortpflauzung auf Gegenstände, welche nicht von selbst
leuchten, so können diese dadurch, dass sie das empfangene Licht
wieder zurückwerfen, leuchtend werden. Andere Körper gestatten
den auf sie treffenden Lichtstrahlen den Durchgang, man nennt sie
die durchsichtigen Körper. Bei der Zurückwerfung und beim
Durchtritt des Lichts folgt die Lichtfortpflanzung denselben Gesetzen,
denen die Fortpflanzung einer Wellenbewegung unterworfen ist. Wird
also ein Lichtstrahl von einem Körper zurückgeworfen, so ist der Re-
flexionswinkel gleich dem Einfallswinkel; tritt ein Lichtstrahl aus
einem Medium in ein anderes von verschiedener Dichte, so wird er
nach dem Einfallslothe zu oder von dem Einfallslothe weg gebrochen.
Auch darin verräth sich das Licht als eine Wellenbewegung, dass bei
der Interferenz zweier Lichtstrahlen, je nach dem Wegunterschied der-
selben, bald stärkere Erleuchtung bald Verdunkelung eintreten kann;
letztere wird aber offenbar dann erfolgen müssen, wenn ein Wellen-
berg und ein Wellenthal zusammentreffen. (Vergl. Abschn. I. Cap. 4.)
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. [186]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/208>, abgerufen am 19.11.2024.
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