Wenn der Schall aus einem ersten in ein zweites Medium über- geht, so erfahren die Schallstrahlen eine Brechung, indem gemäss dem allgemeinen Brechungsgesetz der Sinus des Einfallswinkels zum Sinus des Brechungswinkels sich verhält wie die Fortpflanzungsge- schwindigkeit des Schalls im ersten zu derjenigen im zweiten Mittel. In der Regel sind die Erscheinungen der Schallbrechung mit Reflexions- erscheinungen, zuweilen auch mit Beugungserscheinungen verbunden. Auch wird beim Uebertreten des Schalls in andere Körper meistens ein grosser Theil der Schallwellen vernichtet oder vielmehr in andere Formen von Bewegung transformirt. Die Beugung des Schalls ist wegen der beträchtlichen Länge der Schallwellen sehr bedeutend. So ist es denn eine allbekannte Erscheinung, dass man ziemlich leicht um eine Ecke zu hören vermag. Uebrigens sind hierbei, wegen der Fortpflanzung des Schalls durch feste Körper, die gebeugten Wellen meistens mit direct zugeleiteten untermischt. Eine weitere practische Bedeutung haben die Erscheinungen der Brechung und Beugung des Schalls nicht.
Hinsichtlich der Theorie der Wellenbeugung vgl. das Capitel von der Beugung der Lichtwellen §. 208 u. f.
Zweites Capitel. Von den Tönen und musikalischen Klängen.
112 Tonhöhe.
Nachdem wir die Erscheinungen betrachtet haben, welche die Verbreitung des Schalls im Allgemeinen zeigt, wenden wir uns zur Untersuchung der verschiedenen Qualitäten des Schalls. Wir haben hier zuerst die Klänge und sodann die wichtigeren Formen der Geräusche in's Auge zu fassen. Die auffälligsten Verschieden- heiten, welche die Klänge darbieten, sind die Unterschiede der Ton- höhe. Ausserdem bemerken wir noch eigenthümliche Unterschiede der verschiedenen Klänge, welche die Unterschiede der Tonhöhe be- gleiten, und welche offenbar von der Art der Entstehung der Klänge abhängig sind. So sind die Klänge der Violine, der Orgel, der Flöte u. s. w. deutlich von einander zu unterscheiden. Man bezeichnet diese letzteren Unterschiede als Unterschiede der Klangfarbe.
Die Tonhöhe ist abhängig von der Anzahl der Schwingungen, welche in einer gegebenen Zeit regelmässig auf einander folgen; sie ist aber unabhängig von der Form dieser Schwingungen. Sobald wir daher eine bestimmte Anzahl von Luftstössen in der Secunde erzeugen, so hören wir eine bestimmte Tonhöhe, gleichgültig wie wir diese Luft- stösse hervorgebracht haben mögen. Unser Ohr unterscheidet mit be- sonderer Schärfe die Verhältnisse der Tonhöhen. Wir können
Von dem Schall.
111 Brechung und Beugung der Schallwellen.
Wenn der Schall aus einem ersten in ein zweites Medium über- geht, so erfahren die Schallstrahlen eine Brechung, indem gemäss dem allgemeinen Brechungsgesetz der Sinus des Einfallswinkels zum Sinus des Brechungswinkels sich verhält wie die Fortpflanzungsge- schwindigkeit des Schalls im ersten zu derjenigen im zweiten Mittel. In der Regel sind die Erscheinungen der Schallbrechung mit Reflexions- erscheinungen, zuweilen auch mit Beugungserscheinungen verbunden. Auch wird beim Uebertreten des Schalls in andere Körper meistens ein grosser Theil der Schallwellen vernichtet oder vielmehr in andere Formen von Bewegung transformirt. Die Beugung des Schalls ist wegen der beträchtlichen Länge der Schallwellen sehr bedeutend. So ist es denn eine allbekannte Erscheinung, dass man ziemlich leicht um eine Ecke zu hören vermag. Uebrigens sind hierbei, wegen der Fortpflanzung des Schalls durch feste Körper, die gebeugten Wellen meistens mit direct zugeleiteten untermischt. Eine weitere practische Bedeutung haben die Erscheinungen der Brechung und Beugung des Schalls nicht.
Hinsichtlich der Theorie der Wellenbeugung vgl. das Capitel von der Beugung der Lichtwellen §. 208 u. f.
Zweites Capitel. Von den Tönen und musikalischen Klängen.
112 Tonhöhe.
Nachdem wir die Erscheinungen betrachtet haben, welche die Verbreitung des Schalls im Allgemeinen zeigt, wenden wir uns zur Untersuchung der verschiedenen Qualitäten des Schalls. Wir haben hier zuerst die Klänge und sodann die wichtigeren Formen der Geräusche in’s Auge zu fassen. Die auffälligsten Verschieden- heiten, welche die Klänge darbieten, sind die Unterschiede der Ton- höhe. Ausserdem bemerken wir noch eigenthümliche Unterschiede der verschiedenen Klänge, welche die Unterschiede der Tonhöhe be- gleiten, und welche offenbar von der Art der Entstehung der Klänge abhängig sind. So sind die Klänge der Violine, der Orgel, der Flöte u. s. w. deutlich von einander zu unterscheiden. Man bezeichnet diese letzteren Unterschiede als Unterschiede der Klangfarbe.
Die Tonhöhe ist abhängig von der Anzahl der Schwingungen, welche in einer gegebenen Zeit regelmässig auf einander folgen; sie ist aber unabhängig von der Form dieser Schwingungen. Sobald wir daher eine bestimmte Anzahl von Luftstössen in der Secunde erzeugen, so hören wir eine bestimmte Tonhöhe, gleichgültig wie wir diese Luft- stösse hervorgebracht haben mögen. Unser Ohr unterscheidet mit be- sonderer Schärfe die Verhältnisse der Tonhöhen. Wir können
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0182"n="160"/><fwplace="top"type="header">Von dem Schall.</fw><lb/><noteplace="left">111<lb/>
Brechung und<lb/>
Beugung der<lb/>
Schallwellen.</note><p>Wenn der Schall aus einem ersten in ein zweites Medium über-<lb/>
geht, so erfahren die Schallstrahlen eine <hirendition="#g">Brechung</hi>, indem gemäss<lb/>
dem allgemeinen Brechungsgesetz der Sinus des Einfallswinkels zum<lb/>
Sinus des Brechungswinkels sich verhält wie die Fortpflanzungsge-<lb/>
schwindigkeit des Schalls im ersten zu derjenigen im zweiten Mittel.<lb/>
In der Regel sind die Erscheinungen der Schallbrechung mit Reflexions-<lb/>
erscheinungen, zuweilen auch mit Beugungserscheinungen verbunden.<lb/>
Auch wird beim Uebertreten des Schalls in andere Körper meistens<lb/>
ein grosser Theil der Schallwellen vernichtet oder vielmehr in andere<lb/>
Formen von Bewegung transformirt. Die <hirendition="#g">Beugung</hi> des Schalls ist<lb/>
wegen der beträchtlichen Länge der Schallwellen sehr bedeutend. So<lb/>
ist es denn eine allbekannte Erscheinung, dass man ziemlich leicht<lb/>
um eine Ecke zu hören vermag. Uebrigens sind hierbei, wegen der<lb/>
Fortpflanzung des Schalls durch feste Körper, die gebeugten Wellen<lb/>
meistens mit direct zugeleiteten untermischt. Eine weitere practische<lb/>
Bedeutung haben die Erscheinungen der Brechung und Beugung des<lb/>
Schalls nicht.</p><lb/><p>Hinsichtlich der Theorie der Wellenbeugung vgl. das Capitel von der Beugung<lb/>
der Lichtwellen §. 208 u. f.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Zweites Capitel</hi>.<lb/>
Von den Tönen und musikalischen Klängen.</head><lb/><noteplace="left">112<lb/>
Tonhöhe.</note><p>Nachdem wir die Erscheinungen betrachtet haben, welche die<lb/>
Verbreitung des Schalls im Allgemeinen zeigt, wenden wir uns zur<lb/>
Untersuchung der verschiedenen <hirendition="#g">Qualitäten des Schalls</hi>. Wir<lb/>
haben hier zuerst die <hirendition="#g">Klänge</hi> und sodann die wichtigeren Formen<lb/>
der <hirendition="#g">Geräusche</hi> in’s Auge zu fassen. Die auffälligsten Verschieden-<lb/>
heiten, welche die Klänge darbieten, sind die Unterschiede der <hirendition="#g">Ton-<lb/>
höhe</hi>. Ausserdem bemerken wir noch eigenthümliche Unterschiede<lb/>
der verschiedenen Klänge, welche die Unterschiede der Tonhöhe be-<lb/>
gleiten, und welche offenbar von der Art der Entstehung der Klänge<lb/>
abhängig sind. So sind die Klänge der Violine, der Orgel, der Flöte<lb/>
u. s. w. deutlich von einander zu unterscheiden. Man bezeichnet diese<lb/>
letzteren Unterschiede als Unterschiede der <hirendition="#g">Klangfarbe</hi>.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Tonhöhe</hi> ist abhängig von der Anzahl der Schwingungen,<lb/>
welche in einer gegebenen Zeit regelmässig auf einander folgen; sie<lb/>
ist aber unabhängig von der <hirendition="#g">Form</hi> dieser Schwingungen. Sobald wir<lb/>
daher eine bestimmte Anzahl von Luftstössen in der Secunde erzeugen,<lb/>
so hören wir eine bestimmte Tonhöhe, gleichgültig wie wir diese Luft-<lb/>
stösse hervorgebracht haben mögen. Unser Ohr unterscheidet mit be-<lb/>
sonderer Schärfe die <hirendition="#g">Verhältnisse der Tonhöhen</hi>. Wir können<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[160/0182]
Von dem Schall.
Wenn der Schall aus einem ersten in ein zweites Medium über-
geht, so erfahren die Schallstrahlen eine Brechung, indem gemäss
dem allgemeinen Brechungsgesetz der Sinus des Einfallswinkels zum
Sinus des Brechungswinkels sich verhält wie die Fortpflanzungsge-
schwindigkeit des Schalls im ersten zu derjenigen im zweiten Mittel.
In der Regel sind die Erscheinungen der Schallbrechung mit Reflexions-
erscheinungen, zuweilen auch mit Beugungserscheinungen verbunden.
Auch wird beim Uebertreten des Schalls in andere Körper meistens
ein grosser Theil der Schallwellen vernichtet oder vielmehr in andere
Formen von Bewegung transformirt. Die Beugung des Schalls ist
wegen der beträchtlichen Länge der Schallwellen sehr bedeutend. So
ist es denn eine allbekannte Erscheinung, dass man ziemlich leicht
um eine Ecke zu hören vermag. Uebrigens sind hierbei, wegen der
Fortpflanzung des Schalls durch feste Körper, die gebeugten Wellen
meistens mit direct zugeleiteten untermischt. Eine weitere practische
Bedeutung haben die Erscheinungen der Brechung und Beugung des
Schalls nicht.
Hinsichtlich der Theorie der Wellenbeugung vgl. das Capitel von der Beugung
der Lichtwellen §. 208 u. f.
Zweites Capitel.
Von den Tönen und musikalischen Klängen.
Nachdem wir die Erscheinungen betrachtet haben, welche die
Verbreitung des Schalls im Allgemeinen zeigt, wenden wir uns zur
Untersuchung der verschiedenen Qualitäten des Schalls. Wir
haben hier zuerst die Klänge und sodann die wichtigeren Formen
der Geräusche in’s Auge zu fassen. Die auffälligsten Verschieden-
heiten, welche die Klänge darbieten, sind die Unterschiede der Ton-
höhe. Ausserdem bemerken wir noch eigenthümliche Unterschiede
der verschiedenen Klänge, welche die Unterschiede der Tonhöhe be-
gleiten, und welche offenbar von der Art der Entstehung der Klänge
abhängig sind. So sind die Klänge der Violine, der Orgel, der Flöte
u. s. w. deutlich von einander zu unterscheiden. Man bezeichnet diese
letzteren Unterschiede als Unterschiede der Klangfarbe.
Die Tonhöhe ist abhängig von der Anzahl der Schwingungen,
welche in einer gegebenen Zeit regelmässig auf einander folgen; sie
ist aber unabhängig von der Form dieser Schwingungen. Sobald wir
daher eine bestimmte Anzahl von Luftstössen in der Secunde erzeugen,
so hören wir eine bestimmte Tonhöhe, gleichgültig wie wir diese Luft-
stösse hervorgebracht haben mögen. Unser Ohr unterscheidet mit be-
sonderer Schärfe die Verhältnisse der Tonhöhen. Wir können
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/182>, abgerufen am 19.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.