Bei einem andern Gas von der Dichtigkeit d' entspricht dem- selben Barometerdruck eine andere Gashöhe
[Formel 2]
und eine Ausflussgeschwindigkeit
[Formel 3]
. Demnach ver- halten sich die Ausflussgeschwindigkeiten beider Gase oder v : v' wie
[Formel 4]
, d. h. die Ausflussgeschwindigkeiten zweier Gase in den luftleeren Raum verhalten sich, wenn die Gase unter dem gleichen Druck stehen, umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den Dichtigkeiten derselben.
Dieses theoretisch gefolgerte Gesetz wird durch die Erfahrung im Allgemeinen bestätigt. Die dichtere Kohlensäure strömt langsamer aus als der Sauerstoff, der Sauerstoff langsamer als das specifisch noch leichtere Wasserstoffgas. Doch zeigt sich zugleich, ähnlich wie bei dem Ausströmen der Flüssigkeiten, dass die Geschwindigkeit eines Gases nicht den absoluten Werth von sqrt 2 g h erreicht, sondern nur 1/2 bis 2/3 desselben. Auch diese noch etwas grössere Abweichung ist ohne Zweifel dadurch bedingt, das die Gastheilchen beim Ausströ- men in ihrer Bewegung sich stören; eine Bestätigung hierfür liegt da- rin, dass kurze weite Ansatzröhren (nach der in §. 78 für Flüssigkei- ten erörterten Wirkung) die Ausflussgeschwindigkeit der Gase eben- falls ihrem theoretischen Werthe näher bringen.
Strömt das Gas nicht in den luftleeren Raum aus, sondern be- findet sich in dem äusseren Raum schon eine gewisse Quantität von dem nämlichen Gase, so ist natürlich die Ausströmungsgeschwindigkeit eine langsamere, weil nun ein äusserer Gegendruck zu überwinden ist, und das Ausströmen hört ganz auf, wenn zwischen dem inneren und äusseren Raum gar kein Druckunterschied existirt. Lässt man also aus einem mit Gas erfüllten Raum in einen andern luftleer gemachten Raum das Gas ausströmen, so wird das Ausströmen in dem Maasse verlangsamt, als der äussere Raum sich füllt, und hört auf, wenn der Druckunterschied sich ausgeglichen hat und das Gas in beiden Räumen gleichmässig verbreitet ist.
103 Gasdiffusion.
Andere Erscheinungen treten jedoch ein, wenn in dem zweiten Raum nicht das nämliche, sondern ein anderes Gas sich befindet. Stehen auch beide Gase in diesem Fall unter völlig gleichem Druck, so tritt trotzdem eine Bewegung ein, und zwar eine doppelte, indem gleichzeitig vom ersten zum zweiten und vom zweiten zum ersten Gas
Von der Schwere.
[Formel 1]
.
Bei einem andern Gas von der Dichtigkeit d' entspricht dem- selben Barometerdruck eine andere Gashöhe
[Formel 2]
und eine Ausflussgeschwindigkeit
[Formel 3]
. Demnach ver- halten sich die Ausflussgeschwindigkeiten beider Gase oder v : v' wie
[Formel 4]
, d. h. die Ausflussgeschwindigkeiten zweier Gase in den luftleeren Raum verhalten sich, wenn die Gase unter dem gleichen Druck stehen, umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den Dichtigkeiten derselben.
Dieses theoretisch gefolgerte Gesetz wird durch die Erfahrung im Allgemeinen bestätigt. Die dichtere Kohlensäure strömt langsamer aus als der Sauerstoff, der Sauerstoff langsamer als das specifisch noch leichtere Wasserstoffgas. Doch zeigt sich zugleich, ähnlich wie bei dem Ausströmen der Flüssigkeiten, dass die Geschwindigkeit eines Gases nicht den absoluten Werth von √ 2 g h erreicht, sondern nur ½ bis ⅔ desselben. Auch diese noch etwas grössere Abweichung ist ohne Zweifel dadurch bedingt, das die Gastheilchen beim Ausströ- men in ihrer Bewegung sich stören; eine Bestätigung hierfür liegt da- rin, dass kurze weite Ansatzröhren (nach der in §. 78 für Flüssigkei- ten erörterten Wirkung) die Ausflussgeschwindigkeit der Gase eben- falls ihrem theoretischen Werthe näher bringen.
Strömt das Gas nicht in den luftleeren Raum aus, sondern be- findet sich in dem äusseren Raum schon eine gewisse Quantität von dem nämlichen Gase, so ist natürlich die Ausströmungsgeschwindigkeit eine langsamere, weil nun ein äusserer Gegendruck zu überwinden ist, und das Ausströmen hört ganz auf, wenn zwischen dem inneren und äusseren Raum gar kein Druckunterschied existirt. Lässt man also aus einem mit Gas erfüllten Raum in einen andern luftleer gemachten Raum das Gas ausströmen, so wird das Ausströmen in dem Maasse verlangsamt, als der äussere Raum sich füllt, und hört auf, wenn der Druckunterschied sich ausgeglichen hat und das Gas in beiden Räumen gleichmässig verbreitet ist.
103 Gasdiffusion.
Andere Erscheinungen treten jedoch ein, wenn in dem zweiten Raum nicht das nämliche, sondern ein anderes Gas sich befindet. Stehen auch beide Gase in diesem Fall unter völlig gleichem Druck, so tritt trotzdem eine Bewegung ein, und zwar eine doppelte, indem gleichzeitig vom ersten zum zweiten und vom zweiten zum ersten Gas
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[148/0170]
Von der Schwere.
[FORMEL].
Bei einem andern Gas von der Dichtigkeit d' entspricht dem-
selben Barometerdruck eine andere Gashöhe [FORMEL] und eine
Ausflussgeschwindigkeit [FORMEL]. Demnach ver-
halten sich die Ausflussgeschwindigkeiten beider Gase oder v : v' wie
[FORMEL], d. h. die Ausflussgeschwindigkeiten zweier
Gase in den luftleeren Raum verhalten sich, wenn die
Gase unter dem gleichen Druck stehen, umgekehrt wie
die Quadratwurzeln aus den Dichtigkeiten derselben.
Dieses theoretisch gefolgerte Gesetz wird durch die Erfahrung
im Allgemeinen bestätigt. Die dichtere Kohlensäure strömt langsamer
aus als der Sauerstoff, der Sauerstoff langsamer als das specifisch
noch leichtere Wasserstoffgas. Doch zeigt sich zugleich, ähnlich wie
bei dem Ausströmen der Flüssigkeiten, dass die Geschwindigkeit eines
Gases nicht den absoluten Werth von √ 2 g h erreicht, sondern
nur ½ bis ⅔ desselben. Auch diese noch etwas grössere Abweichung
ist ohne Zweifel dadurch bedingt, das die Gastheilchen beim Ausströ-
men in ihrer Bewegung sich stören; eine Bestätigung hierfür liegt da-
rin, dass kurze weite Ansatzröhren (nach der in §. 78 für Flüssigkei-
ten erörterten Wirkung) die Ausflussgeschwindigkeit der Gase eben-
falls ihrem theoretischen Werthe näher bringen.
Strömt das Gas nicht in den luftleeren Raum aus, sondern be-
findet sich in dem äusseren Raum schon eine gewisse Quantität von
dem nämlichen Gase, so ist natürlich die Ausströmungsgeschwindigkeit
eine langsamere, weil nun ein äusserer Gegendruck zu überwinden
ist, und das Ausströmen hört ganz auf, wenn zwischen dem inneren
und äusseren Raum gar kein Druckunterschied existirt. Lässt
man also aus einem mit Gas erfüllten Raum in einen andern luftleer
gemachten Raum das Gas ausströmen, so wird das Ausströmen in
dem Maasse verlangsamt, als der äussere Raum sich füllt, und hört
auf, wenn der Druckunterschied sich ausgeglichen hat und das Gas
in beiden Räumen gleichmässig verbreitet ist.
Andere Erscheinungen treten jedoch ein, wenn in dem zweiten
Raum nicht das nämliche, sondern ein anderes Gas sich befindet.
Stehen auch beide Gase in diesem Fall unter völlig gleichem Druck,
so tritt trotzdem eine Bewegung ein, und zwar eine doppelte, indem
gleichzeitig vom ersten zum zweiten und vom zweiten zum ersten Gas
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/170>, abgerufen am 05.12.2024.
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