Das Ausströmen aus Gefässen und der Stromlauf in starren Röhren.
Querschnitt q besitzt, würde nach dem Toricelli'schen Theorem offenbar, wenn die Geschwindigkeit des Ausströmens v ist, gleich v. q. t oder, weil
[Formel 1]
, gleich q. t.
[Formel 2]
sein; in Wahrheit ist sie demnach wegen der Störung der Be- wegung an der Ausflussöffnung gleich 2/3 dieser Grösse. Vermittelst dieser Relation kann man ebenso aus der Geschwindigkeit die Ausflussmenge, wie umgekehrt aus der Ausflussmenge die Geschwindigkeit und dann aus dieser die ihr entsprechende Druck- höhe bestimmen.
Von jener Stelle der stärksten Verjüngung an ist die Flüssigkeit dem freien Fall überlassen. Denken wir uns wieder den Flüssigkeits- strahl durch einen festen Körper ersetzt, so würde derselbe als ein homogener Cylinder von überall gleichem Querschnitt zu Boden fallen. Die Flüssigkeit dagegen muss sich wegen ihrer geringen Cohäsion nahezu wie ein Aggregat kleiner fester Theilchen verhalten, die nach einander aus der Oeffnung herausfallen. Wenn man nun von einer Höhe herab in einem kurzen Zeitzwischenraum zwei Körper zu Boden fallen lässt, so vergrössert sich während der Fallzeit fortwährend die Distanz der beiden Körper, weil jeder mit beschleunigter Geschwin- digkeit fällt. Ebenso muss offenbar die Distanz der aus einem Ge- fäss ausfliessenden Theilchen während ihrer Fallzeit sich vergrös- sern. Fände gar keine Cohäsion zwischen den Flüssigkeitsmolecülen statt, so würden alle Flüssigkeitsschichten von einander getrennt und in immer grösseren gegenseitigen Abstand gerathen. Nun macht sich aber hier die Cohäsion der Flüssigkeiten in ähnlicher Weise geltend wie bei der Contraction des Strahls unter der Ausflussöffnung. Der Strahl trennt sich nicht in seine einzelnen Schichten, sondern er ver- jüngt sich; nur geschieht diese durch die Beschleunigung der Schwere bedingte Verjüngung weit allmäliger als jene erste Contraction. Hat jedoch die Flüssigkeit eine bedeutende Fallhöhe, so wird die Distanzveränderung der Flüssigkeitstheilchen allmälig so gross, dass der Strahl in der That seine Continuität einbüsst. Es cohäriren dann noch einzelne Gruppen von Flüssigkeitstheilchen und tren- nen sich von den andern, der Strahl löst so zuerst in gröbere und dann bei zunehmender Fallhöhe in immer feiner werdende Tropfen sich auf.
Wenn die Flüssigkeit nicht aus der Bodenöffnung sondern aus der Oeffnung einer Seitenwand des Gefässes hervorströmt, so wird hierdurch kein wesentlicher Unterschied bedingt; wegen der allseitigen Fortpflanzung des Drucks hängt auch hier die Geschwindigkeit ab von der Höhe, in welcher sich das Niveau über der Ausflussöffnung befin- det, und auch hier wird durch die gegenseitige Bewegungsstörung der in den ausfliessenden Strahl gezogenen Theilchen dieselbe Abwei- chung von dem Toricelli'schen Theorem veranlasst. Ist die Flüssig- keit aus der Seitenöffnung ausgetreten, so bewegt sie sich ähnlich wie ein horizontal fortgeworfener Körper weiter; der Druck wirkt hier
Das Ausströmen aus Gefässen und der Stromlauf in starren Röhren.
Querschnitt q besitzt, würde nach dem Toricelli’schen Theorem offenbar, wenn die Geschwindigkeit des Ausströmens v ist, gleich v. q. t oder, weil
[Formel 1]
, gleich q. t.
[Formel 2]
sein; in Wahrheit ist sie demnach wegen der Störung der Be- wegung an der Ausflussöffnung gleich ⅔ dieser Grösse. Vermittelst dieser Relation kann man ebenso aus der Geschwindigkeit die Ausflussmenge, wie umgekehrt aus der Ausflussmenge die Geschwindigkeit und dann aus dieser die ihr entsprechende Druck- höhe bestimmen.
Von jener Stelle der stärksten Verjüngung an ist die Flüssigkeit dem freien Fall überlassen. Denken wir uns wieder den Flüssigkeits- strahl durch einen festen Körper ersetzt, so würde derselbe als ein homogener Cylinder von überall gleichem Querschnitt zu Boden fallen. Die Flüssigkeit dagegen muss sich wegen ihrer geringen Cohäsion nahezu wie ein Aggregat kleiner fester Theilchen verhalten, die nach einander aus der Oeffnung herausfallen. Wenn man nun von einer Höhe herab in einem kurzen Zeitzwischenraum zwei Körper zu Boden fallen lässt, so vergrössert sich während der Fallzeit fortwährend die Distanz der beiden Körper, weil jeder mit beschleunigter Geschwin- digkeit fällt. Ebenso muss offenbar die Distanz der aus einem Ge- fäss ausfliessenden Theilchen während ihrer Fallzeit sich vergrös- sern. Fände gar keine Cohäsion zwischen den Flüssigkeitsmolecülen statt, so würden alle Flüssigkeitsschichten von einander getrennt und in immer grösseren gegenseitigen Abstand gerathen. Nun macht sich aber hier die Cohäsion der Flüssigkeiten in ähnlicher Weise geltend wie bei der Contraction des Strahls unter der Ausflussöffnung. Der Strahl trennt sich nicht in seine einzelnen Schichten, sondern er ver- jüngt sich; nur geschieht diese durch die Beschleunigung der Schwere bedingte Verjüngung weit allmäliger als jene erste Contraction. Hat jedoch die Flüssigkeit eine bedeutende Fallhöhe, so wird die Distanzveränderung der Flüssigkeitstheilchen allmälig so gross, dass der Strahl in der That seine Continuität einbüsst. Es cohäriren dann noch einzelne Gruppen von Flüssigkeitstheilchen und tren- nen sich von den andern, der Strahl löst so zuerst in gröbere und dann bei zunehmender Fallhöhe in immer feiner werdende Tropfen sich auf.
Wenn die Flüssigkeit nicht aus der Bodenöffnung sondern aus der Oeffnung einer Seitenwand des Gefässes hervorströmt, so wird hierdurch kein wesentlicher Unterschied bedingt; wegen der allseitigen Fortpflanzung des Drucks hängt auch hier die Geschwindigkeit ab von der Höhe, in welcher sich das Niveau über der Ausflussöffnung befin- det, und auch hier wird durch die gegenseitige Bewegungsstörung der in den ausfliessenden Strahl gezogenen Theilchen dieselbe Abwei- chung von dem Toricelli’schen Theorem veranlasst. Ist die Flüssig- keit aus der Seitenöffnung ausgetreten, so bewegt sie sich ähnlich wie ein horizontal fortgeworfener Körper weiter; der Druck wirkt hier
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[109/0131]
Das Ausströmen aus Gefässen und der Stromlauf in starren Röhren.
Querschnitt q besitzt, würde nach dem Toricelli’schen Theorem offenbar, wenn die
Geschwindigkeit des Ausströmens v ist, gleich v. q. t oder, weil [FORMEL],
gleich q. t. [FORMEL] sein; in Wahrheit ist sie demnach wegen der Störung der Be-
wegung an der Ausflussöffnung gleich ⅔ dieser Grösse. Vermittelst dieser Relation
kann man ebenso aus der Geschwindigkeit die Ausflussmenge, wie umgekehrt aus der
Ausflussmenge die Geschwindigkeit und dann aus dieser die ihr entsprechende Druck-
höhe bestimmen.
Von jener Stelle der stärksten Verjüngung an ist die Flüssigkeit
dem freien Fall überlassen. Denken wir uns wieder den Flüssigkeits-
strahl durch einen festen Körper ersetzt, so würde derselbe als ein
homogener Cylinder von überall gleichem Querschnitt zu Boden fallen.
Die Flüssigkeit dagegen muss sich wegen ihrer geringen Cohäsion
nahezu wie ein Aggregat kleiner fester Theilchen verhalten, die nach
einander aus der Oeffnung herausfallen. Wenn man nun von einer
Höhe herab in einem kurzen Zeitzwischenraum zwei Körper zu Boden
fallen lässt, so vergrössert sich während der Fallzeit fortwährend die
Distanz der beiden Körper, weil jeder mit beschleunigter Geschwin-
digkeit fällt. Ebenso muss offenbar die Distanz der aus einem Ge-
fäss ausfliessenden Theilchen während ihrer Fallzeit sich vergrös-
sern. Fände gar keine Cohäsion zwischen den Flüssigkeitsmolecülen
statt, so würden alle Flüssigkeitsschichten von einander getrennt und
in immer grösseren gegenseitigen Abstand gerathen. Nun macht sich
aber hier die Cohäsion der Flüssigkeiten in ähnlicher Weise geltend
wie bei der Contraction des Strahls unter der Ausflussöffnung. Der
Strahl trennt sich nicht in seine einzelnen Schichten, sondern er ver-
jüngt sich; nur geschieht diese durch die Beschleunigung der Schwere
bedingte Verjüngung weit allmäliger als jene erste Contraction. Hat
jedoch die Flüssigkeit eine bedeutende Fallhöhe, so wird die
Distanzveränderung der Flüssigkeitstheilchen allmälig so gross, dass
der Strahl in der That seine Continuität einbüsst. Es cohäriren
dann noch einzelne Gruppen von Flüssigkeitstheilchen und tren-
nen sich von den andern, der Strahl löst so zuerst in gröbere und
dann bei zunehmender Fallhöhe in immer feiner werdende Tropfen
sich auf.
Wenn die Flüssigkeit nicht aus der Bodenöffnung sondern aus
der Oeffnung einer Seitenwand des Gefässes hervorströmt, so wird
hierdurch kein wesentlicher Unterschied bedingt; wegen der allseitigen
Fortpflanzung des Drucks hängt auch hier die Geschwindigkeit ab von
der Höhe, in welcher sich das Niveau über der Ausflussöffnung befin-
det, und auch hier wird durch die gegenseitige Bewegungsstörung
der in den ausfliessenden Strahl gezogenen Theilchen dieselbe Abwei-
chung von dem Toricelli’schen Theorem veranlasst. Ist die Flüssig-
keit aus der Seitenöffnung ausgetreten, so bewegt sie sich ähnlich
wie ein horizontal fortgeworfener Körper weiter; der Druck wirkt hier
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/131>, abgerufen am 05.12.2024.
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