Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 6. Die reinen Empfindungen.
empfindung entspricht. Hierbei ist nun allerdings, wenn die
gemischten Farben den Gegenfarben nahe kommen, die
Sättigung der Resultanten stark vermindert; aber wenn sie
einander sehr nahe rücken, so ist diese Verminderung nicht
mehr wahrzunehmen, die Mischfarbe und die einfache Farbe
werden daher in diesem Fall subjectiv meist gleich empfun-
den. So können wir z. B. das Orange des Spektrums von
einer Mischung rother und gelber Strahlen absolut nicht
unterscheiden. Da man auf diese Weise alle im Farbenkreis
zwischen Roth und Grün gelegenen Farben durch Mischung
von Roth und Grün, alle zwischen Grün und Violett ge-
legenen durch Mischung von Grün und Violett und endlich
auch diejenige Farbe, die im Sonnenspektrum nicht enthalten
ist, das Purpur, durch Mischung von Roth und Violett er-
halten kann, so lässt sich demnach die ganze Reihe der
in der Empfindung möglichen Farbentöne aus bloß drei
objectiven Farben gewinnen. Mittelst der nämlichen drei
Farben lässt sich aber auch immer Weiß mit seinen Ueber-
gängen herstellen. Denn die Mischung von Roth und Violett
gibt Purpur, und Purpur ist die Complementärfarbe von
Grün; das durch die Mischung von Purpur und Grün her-
gestellte Weiß ergibt dann aber, wenn es den einzelnen
Farben in verschiedenen Mengenverhältnissen zugemischt
wird, mit diesen die verschiedenen Sättigungsgrade.

23. Die drei auf solche Weise zur Herstellung des
ganzen Systems der Lichtempfindungen verwendbaren ob-
jectiven Farben bezeichnet man als die Grundfarben.
Um ihre Bedeutung in dem System der Sättigungsgrade
zum Ausdruck zu bringen, wählt man für die Darstellung
desselben statt der bloß auf die psychologischen Verhält-
nisse zurückgehenden Kreisfläche eine Dreiecksfläche,
wobei die ausgezeichnete Bedeutung der Grundfarben da-
durch angedeutet wird, dass sie die drei Ecken des Dreiecks

§ 6. Die reinen Empfindungen.
empfindung entspricht. Hierbei ist nun allerdings, wenn die
gemischten Farben den Gegenfarben nahe kommen, die
Sättigung der Resultanten stark vermindert; aber wenn sie
einander sehr nahe rücken, so ist diese Verminderung nicht
mehr wahrzunehmen, die Mischfarbe und die einfache Farbe
werden daher in diesem Fall subjectiv meist gleich empfun-
den. So können wir z. B. das Orange des Spektrums von
einer Mischung rother und gelber Strahlen absolut nicht
unterscheiden. Da man auf diese Weise alle im Farbenkreis
zwischen Roth und Grün gelegenen Farben durch Mischung
von Roth und Grün, alle zwischen Grün und Violett ge-
legenen durch Mischung von Grün und Violett und endlich
auch diejenige Farbe, die im Sonnenspektrum nicht enthalten
ist, das Purpur, durch Mischung von Roth und Violett er-
halten kann, so lässt sich demnach die ganze Reihe der
in der Empfindung möglichen Farbentöne aus bloß drei
objectiven Farben gewinnen. Mittelst der nämlichen drei
Farben lässt sich aber auch immer Weiß mit seinen Ueber-
gängen herstellen. Denn die Mischung von Roth und Violett
gibt Purpur, und Purpur ist die Complementärfarbe von
Grün; das durch die Mischung von Purpur und Grün her-
gestellte Weiß ergibt dann aber, wenn es den einzelnen
Farben in verschiedenen Mengenverhältnissen zugemischt
wird, mit diesen die verschiedenen Sättigungsgrade.

23. Die drei auf solche Weise zur Herstellung des
ganzen Systems der Lichtempfindungen verwendbaren ob-
jectiven Farben bezeichnet man als die Grundfarben.
Um ihre Bedeutung in dem System der Sättigungsgrade
zum Ausdruck zu bringen, wählt man für die Darstellung
desselben statt der bloß auf die psychologischen Verhält-
nisse zurückgehenden Kreisfläche eine Dreiecksfläche,
wobei die ausgezeichnete Bedeutung der Grundfarben da-
durch angedeutet wird, dass sie die drei Ecken des Dreiecks

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0095" n="79"/><fw place="top" type="header">§ 6. Die reinen Empfindungen.</fw><lb/>
empfindung entspricht. Hierbei ist nun allerdings, wenn die<lb/>
gemischten Farben den Gegenfarben nahe kommen, die<lb/>
Sättigung der Resultanten stark vermindert; aber wenn sie<lb/>
einander sehr nahe rücken, so ist diese Verminderung nicht<lb/>
mehr wahrzunehmen, die Mischfarbe und die einfache Farbe<lb/>
werden daher in diesem Fall subjectiv meist gleich empfun-<lb/>
den. So können wir z. B. das Orange des Spektrums von<lb/>
einer Mischung rother und gelber Strahlen absolut nicht<lb/>
unterscheiden. Da man auf diese Weise alle im Farbenkreis<lb/>
zwischen Roth und Grün gelegenen Farben durch Mischung<lb/>
von Roth und Grün, alle zwischen Grün und Violett ge-<lb/>
legenen durch Mischung von Grün und Violett und endlich<lb/>
auch diejenige Farbe, die im Sonnenspektrum nicht enthalten<lb/>
ist, das Purpur, durch Mischung von Roth und Violett er-<lb/>
halten kann, so lässt sich demnach die ganze Reihe der<lb/>
in der Empfindung möglichen Farbentöne aus bloß <hi rendition="#g">drei</hi><lb/>
objectiven Farben gewinnen. Mittelst der nämlichen drei<lb/>
Farben lässt sich aber auch immer Weiß mit seinen Ueber-<lb/>
gängen herstellen. Denn die Mischung von Roth und Violett<lb/>
gibt Purpur, und Purpur ist die Complementärfarbe von<lb/>
Grün; das durch die Mischung von Purpur und Grün her-<lb/>
gestellte Weiß ergibt dann aber, wenn es den einzelnen<lb/>
Farben in verschiedenen Mengenverhältnissen zugemischt<lb/>
wird, mit diesen die verschiedenen Sättigungsgrade.</p><lb/>
            <p>23. Die drei auf solche Weise zur Herstellung des<lb/>
ganzen Systems der Lichtempfindungen verwendbaren ob-<lb/>
jectiven Farben bezeichnet man als die <hi rendition="#g">Grundfarben</hi>.<lb/>
Um ihre Bedeutung in dem System der Sättigungsgrade<lb/>
zum Ausdruck zu bringen, wählt man für die Darstellung<lb/>
desselben statt der bloß auf die psychologischen Verhält-<lb/>
nisse zurückgehenden Kreisfläche eine <hi rendition="#g">Dreiecksfläche</hi>,<lb/>
wobei die ausgezeichnete Bedeutung der Grundfarben da-<lb/>
durch angedeutet wird, dass sie die drei Ecken des Dreiecks<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0095] § 6. Die reinen Empfindungen. empfindung entspricht. Hierbei ist nun allerdings, wenn die gemischten Farben den Gegenfarben nahe kommen, die Sättigung der Resultanten stark vermindert; aber wenn sie einander sehr nahe rücken, so ist diese Verminderung nicht mehr wahrzunehmen, die Mischfarbe und die einfache Farbe werden daher in diesem Fall subjectiv meist gleich empfun- den. So können wir z. B. das Orange des Spektrums von einer Mischung rother und gelber Strahlen absolut nicht unterscheiden. Da man auf diese Weise alle im Farbenkreis zwischen Roth und Grün gelegenen Farben durch Mischung von Roth und Grün, alle zwischen Grün und Violett ge- legenen durch Mischung von Grün und Violett und endlich auch diejenige Farbe, die im Sonnenspektrum nicht enthalten ist, das Purpur, durch Mischung von Roth und Violett er- halten kann, so lässt sich demnach die ganze Reihe der in der Empfindung möglichen Farbentöne aus bloß drei objectiven Farben gewinnen. Mittelst der nämlichen drei Farben lässt sich aber auch immer Weiß mit seinen Ueber- gängen herstellen. Denn die Mischung von Roth und Violett gibt Purpur, und Purpur ist die Complementärfarbe von Grün; das durch die Mischung von Purpur und Grün her- gestellte Weiß ergibt dann aber, wenn es den einzelnen Farben in verschiedenen Mengenverhältnissen zugemischt wird, mit diesen die verschiedenen Sättigungsgrade. 23. Die drei auf solche Weise zur Herstellung des ganzen Systems der Lichtempfindungen verwendbaren ob- jectiven Farben bezeichnet man als die Grundfarben. Um ihre Bedeutung in dem System der Sättigungsgrade zum Ausdruck zu bringen, wählt man für die Darstellung desselben statt der bloß auf die psychologischen Verhält- nisse zurückgehenden Kreisfläche eine Dreiecksfläche, wobei die ausgezeichnete Bedeutung der Grundfarben da- durch angedeutet wird, dass sie die drei Ecken des Dreiecks

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/95
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/95>, abgerufen am 24.11.2024.