Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.V. Die psychische Causalität und ihre Gesetze. sammenhang psychischer Entwicklung stets mit in Rücksichtzu ziehende Gesetz der Resultanten. In der That lässt es sich als ein Entwicklungsprincip betrachten, welches die in Folge der successiven schöpferischen Synthesen entstehenden Veränderungen in den Relationen der einzelnen Theilinhalte psychischer Gebilde beherrscht. Indem die Resultanten zu- sammengehöriger psychischer Vorgänge Inhalte umfassen, die in den Componenten nicht vorhanden waren, treten nun diese Inhalte gleichwohl in Beziehung zu den bisherigen Componenten, so dass damit die Relationen derselben und in Folge dessen auch die aus ihnen neu entstehenden Re- sultanten abermals verändert werden. Dieses Princip fort- schreitend veränderlicher Relationen springt dann am deut- lichsten in die Augen, wenn auf Grund gegebener Relationen eine Zweckvorstellung sich bildet. Denn nun wird die Beziehung der einzelnen Factoren zu einander als ein Zu- sammenhang von Mitteln betrachtet, zu dem das sich ergebende Product als der erstrebte Zweck gehört. Hier stellt sich daher das Verhältniss der Wirkungen zu den vorgestellten Zwecken so dar, dass in den ersteren stets noch Neben- effecte gegeben sind, die in den vorausgehenden Zweckvor- stellungen nicht mitgedacht waren, die aber gleichwohl in neue Motivreihen eingehen und auf diese Weise entweder die bisherigen Zwecke umändern oder neue zu ihnen hinzufügen. Das Princip der Heterogonie der Zwecke in seiner all- V. Die psychische Causalität und ihre Gesetze. sammenhang psychischer Entwicklung stets mit in Rücksichtzu ziehende Gesetz der Resultanten. In der That lässt es sich als ein Entwicklungsprincip betrachten, welches die in Folge der successiven schöpferischen Synthesen entstehenden Veränderungen in den Relationen der einzelnen Theilinhalte psychischer Gebilde beherrscht. Indem die Resultanten zu- sammengehöriger psychischer Vorgänge Inhalte umfassen, die in den Componenten nicht vorhanden waren, treten nun diese Inhalte gleichwohl in Beziehung zu den bisherigen Componenten, so dass damit die Relationen derselben und in Folge dessen auch die aus ihnen neu entstehenden Re- sultanten abermals verändert werden. Dieses Princip fort- schreitend veränderlicher Relationen springt dann am deut- lichsten in die Augen, wenn auf Grund gegebener Relationen eine Zweckvorstellung sich bildet. Denn nun wird die Beziehung der einzelnen Factoren zu einander als ein Zu- sammenhang von Mitteln betrachtet, zu dem das sich ergebende Product als der erstrebte Zweck gehört. Hier stellt sich daher das Verhältniss der Wirkungen zu den vorgestellten Zwecken so dar, dass in den ersteren stets noch Neben- effecte gegeben sind, die in den vorausgehenden Zweckvor- stellungen nicht mitgedacht waren, die aber gleichwohl in neue Motivreihen eingehen und auf diese Weise entweder die bisherigen Zwecke umändern oder neue zu ihnen hinzufügen. Das Princip der Heterogonie der Zwecke in seiner all- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0398" n="382"/><fw place="top" type="header">V. Die psychische Causalität und ihre Gesetze.</fw><lb/> sammenhang psychischer Entwicklung stets mit in Rücksicht<lb/> zu ziehende Gesetz der Resultanten. In der That lässt es<lb/> sich als ein Entwicklungsprincip betrachten, welches die in<lb/> Folge der successiven schöpferischen Synthesen entstehenden<lb/> Veränderungen in den Relationen der einzelnen Theilinhalte<lb/> psychischer Gebilde beherrscht. Indem die Resultanten zu-<lb/> sammengehöriger psychischer Vorgänge Inhalte umfassen,<lb/> die in den Componenten nicht vorhanden waren, treten nun<lb/> diese Inhalte gleichwohl in Beziehung zu den bisherigen<lb/> Componenten, so dass damit die Relationen derselben und<lb/> in Folge dessen auch die aus ihnen neu entstehenden Re-<lb/> sultanten abermals verändert werden. Dieses Princip fort-<lb/> schreitend veränderlicher Relationen springt dann am deut-<lb/> lichsten in die Augen, wenn auf Grund gegebener Relationen<lb/> eine <hi rendition="#g">Zweckvorstellung</hi> sich bildet. Denn nun wird die<lb/> Beziehung der einzelnen Factoren zu einander als ein Zu-<lb/> sammenhang von Mitteln betrachtet, zu dem das sich ergebende<lb/> Product als der erstrebte Zweck gehört. Hier stellt sich<lb/> daher das Verhältniss der <hi rendition="#g">Wirkungen</hi> zu den vorgestellten<lb/> Zwecken so dar, dass in den ersteren stets noch Neben-<lb/> effecte gegeben sind, die in den vorausgehenden Zweckvor-<lb/> stellungen nicht mitgedacht waren, die aber gleichwohl in<lb/> neue Motivreihen eingehen und auf diese Weise entweder die<lb/> bisherigen Zwecke umändern oder neue zu ihnen hinzufügen.</p><lb/> <p>Das Princip der Heterogonie der Zwecke in seiner all-<lb/> gemeinsten Bedeutung beherrscht alle psychischen Vorgänge;<lb/> in der besonderen teleologischen Färbung, die ihm den<lb/> Namen gegeben hat, ist es aber zunächst im Gebiet der<lb/><hi rendition="#g">Willensvorgänge</hi> zu finden, weil in diesen die von Ge-<lb/> fühlsmotiven begleiteten Zweckvorstellungen hauptsächlich<lb/> von Bedeutung sind. Unter den angewandten Gebieten der<lb/> Psychologie ist es daher besonders die Ethik, für welche<lb/> das Princip eine hervorragende Bedeutung besitzt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [382/0398]
V. Die psychische Causalität und ihre Gesetze.
sammenhang psychischer Entwicklung stets mit in Rücksicht
zu ziehende Gesetz der Resultanten. In der That lässt es
sich als ein Entwicklungsprincip betrachten, welches die in
Folge der successiven schöpferischen Synthesen entstehenden
Veränderungen in den Relationen der einzelnen Theilinhalte
psychischer Gebilde beherrscht. Indem die Resultanten zu-
sammengehöriger psychischer Vorgänge Inhalte umfassen,
die in den Componenten nicht vorhanden waren, treten nun
diese Inhalte gleichwohl in Beziehung zu den bisherigen
Componenten, so dass damit die Relationen derselben und
in Folge dessen auch die aus ihnen neu entstehenden Re-
sultanten abermals verändert werden. Dieses Princip fort-
schreitend veränderlicher Relationen springt dann am deut-
lichsten in die Augen, wenn auf Grund gegebener Relationen
eine Zweckvorstellung sich bildet. Denn nun wird die
Beziehung der einzelnen Factoren zu einander als ein Zu-
sammenhang von Mitteln betrachtet, zu dem das sich ergebende
Product als der erstrebte Zweck gehört. Hier stellt sich
daher das Verhältniss der Wirkungen zu den vorgestellten
Zwecken so dar, dass in den ersteren stets noch Neben-
effecte gegeben sind, die in den vorausgehenden Zweckvor-
stellungen nicht mitgedacht waren, die aber gleichwohl in
neue Motivreihen eingehen und auf diese Weise entweder die
bisherigen Zwecke umändern oder neue zu ihnen hinzufügen.
Das Princip der Heterogonie der Zwecke in seiner all-
gemeinsten Bedeutung beherrscht alle psychischen Vorgänge;
in der besonderen teleologischen Färbung, die ihm den
Namen gegeben hat, ist es aber zunächst im Gebiet der
Willensvorgänge zu finden, weil in diesen die von Ge-
fühlsmotiven begleiteten Zweckvorstellungen hauptsächlich
von Bedeutung sind. Unter den angewandten Gebieten der
Psychologie ist es daher besonders die Ethik, für welche
das Princip eine hervorragende Bedeutung besitzt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |