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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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V. Die psychische Causalität und ihre Gesetze.
als willkürliche Fictionen herausstellen, die, aus irgend
welchen fremdartigen Motiven entstanden, für die Interpreta-
tion der Erfahrung nichts leisten.

2. In diesem Sinne ist der Begriff der Materie ein
fundamentaler Hülfsbegriff der Naturwissenschaft. In seiner
allgemeinsten Fassung bezeichnet er das im Weltraum vor-
ausgesetzte beharrende Substrat, als dessen Wirkungen wir
alle Naturerscheinungen betrachten. In dieser allgemeinsten
Fassung kann keine naturwissenschaftliche Erklärung des
Begriffs der Materie entbehren. Wenn in neuerer Zeit ver-
sucht worden ist, den Begriff der Energie zum beherr-
schenden Princip zu erheben, so ist damit nicht der Be-
griff der Materie selbst beseitigt, sondern es ist ihm nur
ein anderer Inhalt gegeben. Diesen Inhalt gewinnt der
Begriff stets erst durch einen zweiten Hülfsbegriff, der sich
auf die causale Wirksamkeit der Materie bezieht. Der
bisher in der Naturwissenschaft gültige Begriff der Materie,
der sich auf die mechanische Physik Galilei's stützt, be-
nutzt als solchen Hülfsbegriff den als Product von Masse
und momentaner Beschleunigung definirten Begriff der
Kraft. Eine Physik der Energie müsste statt dessen auf
allen Gebieten den Begriff der Energie benutzen, der in
der speciellen Form der mechanischen Energie als das
halbe Product der Masse in das Quadrat der Geschwindig-
keit zu definiren ist. Da aber die Energie ebenso wie die
Kraft in dem objectiven Raum ihren Sitz hat, und da unter
bestimmten Bedingungen die Punkte, von denen Energie
ausgeht, ebenso ihren Ort im Raum verändern können wie
die Punkte, von denen Kräfte ausgehen, so bleibt der Begriff
der Materie als eines im Raum enthaltenen Substrates in
beiden Fällen bestehen, und der einzige, allerdings wichtige
Unterschied bleibt der, dass man bei der Zuhülfenahme des
Kraftbegriffs die Reducirbarkeit aller Naturerscheinungen

V. Die psychische Causalität und ihre Gesetze.
als willkürliche Fictionen herausstellen, die, aus irgend
welchen fremdartigen Motiven entstanden, für die Interpreta-
tion der Erfahrung nichts leisten.

2. In diesem Sinne ist der Begriff der Materie ein
fundamentaler Hülfsbegriff der Naturwissenschaft. In seiner
allgemeinsten Fassung bezeichnet er das im Weltraum vor-
ausgesetzte beharrende Substrat, als dessen Wirkungen wir
alle Naturerscheinungen betrachten. In dieser allgemeinsten
Fassung kann keine naturwissenschaftliche Erklärung des
Begriffs der Materie entbehren. Wenn in neuerer Zeit ver-
sucht worden ist, den Begriff der Energie zum beherr-
schenden Princip zu erheben, so ist damit nicht der Be-
griff der Materie selbst beseitigt, sondern es ist ihm nur
ein anderer Inhalt gegeben. Diesen Inhalt gewinnt der
Begriff stets erst durch einen zweiten Hülfsbegriff, der sich
auf die causale Wirksamkeit der Materie bezieht. Der
bisher in der Naturwissenschaft gültige Begriff der Materie,
der sich auf die mechanische Physik Galilei’s stützt, be-
nutzt als solchen Hülfsbegriff den als Product von Masse
und momentaner Beschleunigung definirten Begriff der
Kraft. Eine Physik der Energie müsste statt dessen auf
allen Gebieten den Begriff der Energie benutzen, der in
der speciellen Form der mechanischen Energie als das
halbe Product der Masse in das Quadrat der Geschwindig-
keit zu definiren ist. Da aber die Energie ebenso wie die
Kraft in dem objectiven Raum ihren Sitz hat, und da unter
bestimmten Bedingungen die Punkte, von denen Energie
ausgeht, ebenso ihren Ort im Raum verändern können wie
die Punkte, von denen Kräfte ausgehen, so bleibt der Begriff
der Materie als eines im Raum enthaltenen Substrates in
beiden Fällen bestehen, und der einzige, allerdings wichtige
Unterschied bleibt der, dass man bei der Zuhülfenahme des
Kraftbegriffs die Reducirbarkeit aller Naturerscheinungen

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[364/0380] V. Die psychische Causalität und ihre Gesetze. als willkürliche Fictionen herausstellen, die, aus irgend welchen fremdartigen Motiven entstanden, für die Interpreta- tion der Erfahrung nichts leisten. 2. In diesem Sinne ist der Begriff der Materie ein fundamentaler Hülfsbegriff der Naturwissenschaft. In seiner allgemeinsten Fassung bezeichnet er das im Weltraum vor- ausgesetzte beharrende Substrat, als dessen Wirkungen wir alle Naturerscheinungen betrachten. In dieser allgemeinsten Fassung kann keine naturwissenschaftliche Erklärung des Begriffs der Materie entbehren. Wenn in neuerer Zeit ver- sucht worden ist, den Begriff der Energie zum beherr- schenden Princip zu erheben, so ist damit nicht der Be- griff der Materie selbst beseitigt, sondern es ist ihm nur ein anderer Inhalt gegeben. Diesen Inhalt gewinnt der Begriff stets erst durch einen zweiten Hülfsbegriff, der sich auf die causale Wirksamkeit der Materie bezieht. Der bisher in der Naturwissenschaft gültige Begriff der Materie, der sich auf die mechanische Physik Galilei’s stützt, be- nutzt als solchen Hülfsbegriff den als Product von Masse und momentaner Beschleunigung definirten Begriff der Kraft. Eine Physik der Energie müsste statt dessen auf allen Gebieten den Begriff der Energie benutzen, der in der speciellen Form der mechanischen Energie als das halbe Product der Masse in das Quadrat der Geschwindig- keit zu definiren ist. Da aber die Energie ebenso wie die Kraft in dem objectiven Raum ihren Sitz hat, und da unter bestimmten Bedingungen die Punkte, von denen Energie ausgeht, ebenso ihren Ort im Raum verändern können wie die Punkte, von denen Kräfte ausgehen, so bleibt der Begriff der Materie als eines im Raum enthaltenen Substrates in beiden Fällen bestehen, und der einzige, allerdings wichtige Unterschied bleibt der, dass man bei der Zuhülfenahme des Kraftbegriffs die Reducirbarkeit aller Naturerscheinungen

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/380>, abgerufen am 24.11.2024.