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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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IV. Die psychischen Entwicklungen.
der mehr und mehr sich ausbildenden Associationen unmit-
telbarer Eindrücke mit früheren Vorstellungen entsteht in
dem Kinde, sobald die active Aufmerksamkeit erwacht ist,
die Neigung willkürlich solche Verbindungen zu bilden, bei
denen dann zugleich die Fülle der frei combinirten und zu
dem Eindruck hinzugefügten Erinnerungsbestandtheile ein
Maß für den Grad der individuellen Phantasiebegabung ist.
Diese combinirende Phantasiethätigkeit äußert sich, sobald
sie einmal erwacht ist, mit einer triebartigen Macht, der das
Kind um so weniger zu widerstehen vermag, weil noch
nicht wie beim Erwachsenen die Verstandesfunctionen und
die durch sie gesetzten intellectuellen Zwecke regulirend
und hemmend auf das freie Schweifen der Einbildungsvor-
stellungen einwirken.

Indem sich diese ungehemmte Beziehung und Verknüp-
fung der Phantasievorstellungen mit Willensantrieben ver-
bindet, die den Vorstellungen gewisse, wenn auch noch so
dürftige Anhaltspunkte in der unmittelbaren Sinneswahr-
nehmung zu schaffen suchen, entsteht der Spieltrieb des
Kindes. Das ursprüngliche Spiel des Kindes ist ganz und
gar Phantasiespiel, während umgekehrt das des Erwachsenen
(Kartenspiel, Schachspiel, Lottospiel u. dergl.) fast ebenso
einseitig Verstandesspiel ist. Nur wo das ästhetische Be-
dürfniss einwirkt, ist auch noch hier das Spiel in erster
Linie ein Erzeugniss der Phantasie (Schauspiel, Clavierspiel
u. dergl., aber nicht mehr, wie ursprünglich beim Kinde,
einer völlig ungebundenen, sondern einer durch den Verstand
geregelten Phantasie. Das Spiel des Kindes in den ver-
schiedenen Zeiten seiner Entwicklung zeigt, wenn es seiner
Natur gemäß geübt und gelenkt wird, alle Uebergänge von
jenem reinen Phantasiespiel zu dieser Verbindung von
Phantasie- und Verstandesspiel. In den ersten Lebens-
monaten beginnt es als Erzeugung rhythmischer Bewegungen

IV. Die psychischen Entwicklungen.
der mehr und mehr sich ausbildenden Associationen unmit-
telbarer Eindrücke mit früheren Vorstellungen entsteht in
dem Kinde, sobald die active Aufmerksamkeit erwacht ist,
die Neigung willkürlich solche Verbindungen zu bilden, bei
denen dann zugleich die Fülle der frei combinirten und zu
dem Eindruck hinzugefügten Erinnerungsbestandtheile ein
Maß für den Grad der individuellen Phantasiebegabung ist.
Diese combinirende Phantasiethätigkeit äußert sich, sobald
sie einmal erwacht ist, mit einer triebartigen Macht, der das
Kind um so weniger zu widerstehen vermag, weil noch
nicht wie beim Erwachsenen die Verstandesfunctionen und
die durch sie gesetzten intellectuellen Zwecke regulirend
und hemmend auf das freie Schweifen der Einbildungsvor-
stellungen einwirken.

Indem sich diese ungehemmte Beziehung und Verknüp-
fung der Phantasievorstellungen mit Willensantrieben ver-
bindet, die den Vorstellungen gewisse, wenn auch noch so
dürftige Anhaltspunkte in der unmittelbaren Sinneswahr-
nehmung zu schaffen suchen, entsteht der Spieltrieb des
Kindes. Das ursprüngliche Spiel des Kindes ist ganz und
gar Phantasiespiel, während umgekehrt das des Erwachsenen
(Kartenspiel, Schachspiel, Lottospiel u. dergl.) fast ebenso
einseitig Verstandesspiel ist. Nur wo das ästhetische Be-
dürfniss einwirkt, ist auch noch hier das Spiel in erster
Linie ein Erzeugniss der Phantasie (Schauspiel, Clavierspiel
u. dergl., aber nicht mehr, wie ursprünglich beim Kinde,
einer völlig ungebundenen, sondern einer durch den Verstand
geregelten Phantasie. Das Spiel des Kindes in den ver-
schiedenen Zeiten seiner Entwicklung zeigt, wenn es seiner
Natur gemäß geübt und gelenkt wird, alle Uebergänge von
jenem reinen Phantasiespiel zu dieser Verbindung von
Phantasie- und Verstandesspiel. In den ersten Lebens-
monaten beginnt es als Erzeugung rhythmischer Bewegungen

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[344/0360] IV. Die psychischen Entwicklungen. der mehr und mehr sich ausbildenden Associationen unmit- telbarer Eindrücke mit früheren Vorstellungen entsteht in dem Kinde, sobald die active Aufmerksamkeit erwacht ist, die Neigung willkürlich solche Verbindungen zu bilden, bei denen dann zugleich die Fülle der frei combinirten und zu dem Eindruck hinzugefügten Erinnerungsbestandtheile ein Maß für den Grad der individuellen Phantasiebegabung ist. Diese combinirende Phantasiethätigkeit äußert sich, sobald sie einmal erwacht ist, mit einer triebartigen Macht, der das Kind um so weniger zu widerstehen vermag, weil noch nicht wie beim Erwachsenen die Verstandesfunctionen und die durch sie gesetzten intellectuellen Zwecke regulirend und hemmend auf das freie Schweifen der Einbildungsvor- stellungen einwirken. Indem sich diese ungehemmte Beziehung und Verknüp- fung der Phantasievorstellungen mit Willensantrieben ver- bindet, die den Vorstellungen gewisse, wenn auch noch so dürftige Anhaltspunkte in der unmittelbaren Sinneswahr- nehmung zu schaffen suchen, entsteht der Spieltrieb des Kindes. Das ursprüngliche Spiel des Kindes ist ganz und gar Phantasiespiel, während umgekehrt das des Erwachsenen (Kartenspiel, Schachspiel, Lottospiel u. dergl.) fast ebenso einseitig Verstandesspiel ist. Nur wo das ästhetische Be- dürfniss einwirkt, ist auch noch hier das Spiel in erster Linie ein Erzeugniss der Phantasie (Schauspiel, Clavierspiel u. dergl., aber nicht mehr, wie ursprünglich beim Kinde, einer völlig ungebundenen, sondern einer durch den Verstand geregelten Phantasie. Das Spiel des Kindes in den ver- schiedenen Zeiten seiner Entwicklung zeigt, wenn es seiner Natur gemäß geübt und gelenkt wird, alle Uebergänge von jenem reinen Phantasiespiel zu dieser Verbindung von Phantasie- und Verstandesspiel. In den ersten Lebens- monaten beginnt es als Erzeugung rhythmischer Bewegungen

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/360>, abgerufen am 24.11.2024.