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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 19. Die psychischen Eigenschaften der Thiere.
schwächt, dass sie aber auf der andern Seite neue Instincte,
die sich meist als Modificationen jener wilden Instincte be-
trachten lassen, wie z. B. die gewisser Jagdhunde, besonders
der Hühnerhunde, Vorstehehunde u. dergl., hervorbringen
kann. Die relativ hohe Ausbildung bestimmter Instinct-
richtungen bei den Thieren im Vergleich mit dem Men-
schen hängt übrigens augenscheinlich mit ihrer einseitigeren
Ausbildung überhaupt zusammen, vermöge deren das psy-
chische Leben der Thiere fast ganz in den mit dem vor-
waltenden Instinct zusammenhängenden Vorgängen aufzu-
gehen pflegt.

4. Die Instincte im allgemeinen lassen sich als Trieb-
handlungen betrachten, die aus bestimmten sinnlichen Em-
pfindungen und Gefühlen entspringen. Die physiologischen
Ausgangspunkte der für die Instincte vornehmlich maß-
gebenden Empfindungen sind hierbei die Nahrungs- und
die Fortpflanzungsorgane. Demnach lassen sich wohl
alle thierischen Instincte schließlich auf die beiden Classen
der Nahrungs- und der Fortpflanzungsinstincte zu-
rückführen, wobei jedoch namentlich zu den letzteren bei
ihren verwickelteren Aeußerungen stets auxiliäre Schutz-
triebe und sociale Triebe hinzukommen, die somit ihrer
Entstehung nach als besondere Modificationen der Fort-
pflanzungstriebe aufzufassen sind. Hierher gehört der Trieb
vieler Thiere zum Häuser- und Nestbau, wie der Biber, der
Vögel, zahlreicher Insecten (z. B. Spinnen, Wespen, Bienen,
Ameisen), ferner die hauptsächlich in der Classe der Vögel
verbreitete Thierehe, die bald die monogamische bald die
polygamische Form zeigt. Endlich sind auch die so ge-
nannten "Thierstaaten" der Bienen, Ameisen, Termiten hier-
her zu rechnen. Sie sind in Wirklichkeit nicht Staaten,
sondern Geschlechtsverbindungen, bei denen sich der die
Individuen eines Stockes zusammenhaltende sociale Trieb

§ 19. Die psychischen Eigenschaften der Thiere.
schwächt, dass sie aber auf der andern Seite neue Instincte,
die sich meist als Modificationen jener wilden Instincte be-
trachten lassen, wie z. B. die gewisser Jagdhunde, besonders
der Hühnerhunde, Vorstehehunde u. dergl., hervorbringen
kann. Die relativ hohe Ausbildung bestimmter Instinct-
richtungen bei den Thieren im Vergleich mit dem Men-
schen hängt übrigens augenscheinlich mit ihrer einseitigeren
Ausbildung überhaupt zusammen, vermöge deren das psy-
chische Leben der Thiere fast ganz in den mit dem vor-
waltenden Instinct zusammenhängenden Vorgängen aufzu-
gehen pflegt.

4. Die Instincte im allgemeinen lassen sich als Trieb-
handlungen betrachten, die aus bestimmten sinnlichen Em-
pfindungen und Gefühlen entspringen. Die physiologischen
Ausgangspunkte der für die Instincte vornehmlich maß-
gebenden Empfindungen sind hierbei die Nahrungs- und
die Fortpflanzungsorgane. Demnach lassen sich wohl
alle thierischen Instincte schließlich auf die beiden Classen
der Nahrungs- und der Fortpflanzungsinstincte zu-
rückführen, wobei jedoch namentlich zu den letzteren bei
ihren verwickelteren Aeußerungen stets auxiliäre Schutz-
triebe und sociale Triebe hinzukommen, die somit ihrer
Entstehung nach als besondere Modificationen der Fort-
pflanzungstriebe aufzufassen sind. Hierher gehört der Trieb
vieler Thiere zum Häuser- und Nestbau, wie der Biber, der
Vögel, zahlreicher Insecten (z. B. Spinnen, Wespen, Bienen,
Ameisen), ferner die hauptsächlich in der Classe der Vögel
verbreitete Thierehe, die bald die monogamische bald die
polygamische Form zeigt. Endlich sind auch die so ge-
nannten »Thierstaaten« der Bienen, Ameisen, Termiten hier-
her zu rechnen. Sie sind in Wirklichkeit nicht Staaten,
sondern Geschlechtsverbindungen, bei denen sich der die
Individuen eines Stockes zusammenhaltende sociale Trieb

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[327/0343] § 19. Die psychischen Eigenschaften der Thiere. schwächt, dass sie aber auf der andern Seite neue Instincte, die sich meist als Modificationen jener wilden Instincte be- trachten lassen, wie z. B. die gewisser Jagdhunde, besonders der Hühnerhunde, Vorstehehunde u. dergl., hervorbringen kann. Die relativ hohe Ausbildung bestimmter Instinct- richtungen bei den Thieren im Vergleich mit dem Men- schen hängt übrigens augenscheinlich mit ihrer einseitigeren Ausbildung überhaupt zusammen, vermöge deren das psy- chische Leben der Thiere fast ganz in den mit dem vor- waltenden Instinct zusammenhängenden Vorgängen aufzu- gehen pflegt. 4. Die Instincte im allgemeinen lassen sich als Trieb- handlungen betrachten, die aus bestimmten sinnlichen Em- pfindungen und Gefühlen entspringen. Die physiologischen Ausgangspunkte der für die Instincte vornehmlich maß- gebenden Empfindungen sind hierbei die Nahrungs- und die Fortpflanzungsorgane. Demnach lassen sich wohl alle thierischen Instincte schließlich auf die beiden Classen der Nahrungs- und der Fortpflanzungsinstincte zu- rückführen, wobei jedoch namentlich zu den letzteren bei ihren verwickelteren Aeußerungen stets auxiliäre Schutz- triebe und sociale Triebe hinzukommen, die somit ihrer Entstehung nach als besondere Modificationen der Fort- pflanzungstriebe aufzufassen sind. Hierher gehört der Trieb vieler Thiere zum Häuser- und Nestbau, wie der Biber, der Vögel, zahlreicher Insecten (z. B. Spinnen, Wespen, Bienen, Ameisen), ferner die hauptsächlich in der Classe der Vögel verbreitete Thierehe, die bald die monogamische bald die polygamische Form zeigt. Endlich sind auch die so ge- nannten »Thierstaaten« der Bienen, Ameisen, Termiten hier- her zu rechnen. Sie sind in Wirklichkeit nicht Staaten, sondern Geschlechtsverbindungen, bei denen sich der die Individuen eines Stockes zusammenhaltende sociale Trieb

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/343>, abgerufen am 24.11.2024.