entfernten Wahrnehmungsvorgängen entlehnt sind. Ferner wirkt die gesteigerte sensorielle Erregbarkeit auf eine Be- schleunigung der Associationen hin, in Folge deren wieder die äußerlichsten, durch zufällige Eindrücke oder Gewohn- heitsübung naheliegendsten dominiren. Die Depressions- und Exaltationszustände dagegen werden vorzugsweise für die Qualität und Richtung der Associationen bestimmend.
Aehnlich wirken die elementaren Vorstellungs- und Ge- fühlsveränderungen auf die Apperceptionsverbindungen theils hemmend oder beschleunigend, theils richtunggebend ein. Zugleich führen jedoch alle erheblicheren Abweich- ungen der Vorstellungs- und Gefühlsprocesse hier die weitere Folge mit sich, dass die an die active Aufmerksamkeit ge- bundenen Vorgänge mehr oder minder erschwert werden, so dass in vielen Fällen nur noch einfachere Apperceptions- verbindungen, ja manchmal überhaupt nur noch solche mög- lich sind, die durch Uebung in Associationen übergegangen sind. Hiermit hängen schließlich auch die Veränderungen zusammen, die in dem Verhältniss der Apperceptionsverbin- dungen zu den Associationen eintreten. Indem nämlich die bisher erörterten Einflüsse auf die Associationen vorzugs- weise fördernd, auf die Apperceptionsverbindungen dagegen hemmend einwirken, entsteht als häufigstes Symptomenbild irgend tiefer greifender psychischer Störungen ein starkes Uebergewicht der Associationen. Am deutlichsten tritt dies dann hervor, wenn, wie bei vielen Geisteskrankheiten, die Bewusstseinsstörung ein stetig zunehmender Process ist. Hier beobachtet man, dass die Functionen der Apperception, die den so genannten Phantasie- und Verstandesthätigkeiten zu Grunde liegen, immer mehr von Associationen überwuchert werden, bis diese endlich allein übrig bleiben. Erst bei noch weiter fortschreitender Störung werden allmählich auch die Associationen beschränkt und ziehen sich auf gewisse vorzugs-
§ 18. Psychische Zustände.
entfernten Wahrnehmungsvorgängen entlehnt sind. Ferner wirkt die gesteigerte sensorielle Erregbarkeit auf eine Be- schleunigung der Associationen hin, in Folge deren wieder die äußerlichsten, durch zufällige Eindrücke oder Gewohn- heitsübung naheliegendsten dominiren. Die Depressions- und Exaltationszustände dagegen werden vorzugsweise für die Qualität und Richtung der Associationen bestimmend.
Aehnlich wirken die elementaren Vorstellungs- und Ge- fühlsveränderungen auf die Apperceptionsverbindungen theils hemmend oder beschleunigend, theils richtunggebend ein. Zugleich führen jedoch alle erheblicheren Abweich- ungen der Vorstellungs- und Gefühlsprocesse hier die weitere Folge mit sich, dass die an die active Aufmerksamkeit ge- bundenen Vorgänge mehr oder minder erschwert werden, so dass in vielen Fällen nur noch einfachere Apperceptions- verbindungen, ja manchmal überhaupt nur noch solche mög- lich sind, die durch Uebung in Associationen übergegangen sind. Hiermit hängen schließlich auch die Veränderungen zusammen, die in dem Verhältniss der Apperceptionsverbin- dungen zu den Associationen eintreten. Indem nämlich die bisher erörterten Einflüsse auf die Associationen vorzugs- weise fördernd, auf die Apperceptionsverbindungen dagegen hemmend einwirken, entsteht als häufigstes Symptomenbild irgend tiefer greifender psychischer Störungen ein starkes Uebergewicht der Associationen. Am deutlichsten tritt dies dann hervor, wenn, wie bei vielen Geisteskrankheiten, die Bewusstseinsstörung ein stetig zunehmender Process ist. Hier beobachtet man, dass die Functionen der Apperception, die den so genannten Phantasie- und Verstandesthätigkeiten zu Grunde liegen, immer mehr von Associationen überwuchert werden, bis diese endlich allein übrig bleiben. Erst bei noch weiter fortschreitender Störung werden allmählich auch die Associationen beschränkt und ziehen sich auf gewisse vorzugs-
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§ 18. Psychische Zustände.
entfernten Wahrnehmungsvorgängen entlehnt sind. Ferner
wirkt die gesteigerte sensorielle Erregbarkeit auf eine Be-
schleunigung der Associationen hin, in Folge deren wieder
die äußerlichsten, durch zufällige Eindrücke oder Gewohn-
heitsübung naheliegendsten dominiren. Die Depressions-
und Exaltationszustände dagegen werden vorzugsweise für
die Qualität und Richtung der Associationen bestimmend.
Aehnlich wirken die elementaren Vorstellungs- und Ge-
fühlsveränderungen auf die Apperceptionsverbindungen
theils hemmend oder beschleunigend, theils richtunggebend
ein. Zugleich führen jedoch alle erheblicheren Abweich-
ungen der Vorstellungs- und Gefühlsprocesse hier die weitere
Folge mit sich, dass die an die active Aufmerksamkeit ge-
bundenen Vorgänge mehr oder minder erschwert werden,
so dass in vielen Fällen nur noch einfachere Apperceptions-
verbindungen, ja manchmal überhaupt nur noch solche mög-
lich sind, die durch Uebung in Associationen übergegangen
sind. Hiermit hängen schließlich auch die Veränderungen
zusammen, die in dem Verhältniss der Apperceptionsverbin-
dungen zu den Associationen eintreten. Indem nämlich die
bisher erörterten Einflüsse auf die Associationen vorzugs-
weise fördernd, auf die Apperceptionsverbindungen dagegen
hemmend einwirken, entsteht als häufigstes Symptomenbild
irgend tiefer greifender psychischer Störungen ein starkes
Uebergewicht der Associationen. Am deutlichsten tritt dies
dann hervor, wenn, wie bei vielen Geisteskrankheiten, die
Bewusstseinsstörung ein stetig zunehmender Process ist.
Hier beobachtet man, dass die Functionen der Apperception,
die den so genannten Phantasie- und Verstandesthätigkeiten
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/335>, abgerufen am 24.11.2024.
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