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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 17. Die Apperceptionsverbindungen.
Vorstellung gewählt wird, wie z. B. ein individueller Mensch
für den Begriff des Menschen, wogegen es fast ganz ver-
schwindet, sobald die repräsentative Vorstellung ihrem In-
halte nach völlig von den Objecten des Begriffs verschieden
ist. Darin dass die Wortvorstellungen diesen Zweck
erfüllen, liegt zu einem großen Theil die Bedeutung, die
ihnen als allgemeingültigen Hülfsmitteln des Denkens zu-
kommt. Da dem einzelnen Bewusstsein diese Hülfsmittel
bereits in fertigem Zustande überliefert werden, so muss
übrigens die Frage nach der psychologischen Entwicklung
der in der Sprache sich bethätigenden Hülfsfunctionen des
Denkens der Völkerpsychologie überlassen bleiben. (Vgl.
§ 21, A.)

18. Phantasie- und Verstandesthätigkeit sind nach allem
dem nicht specifisch verschiedene, sondern zusammenge-
hörige, in ihrer Entstehung und in ihren Aeußerungen gar
nicht zu trennende Funtionen, die in letzter Instanz auf
die nämlichen Grundfunctionen der apperceptiven Synthese
und Analyse zurückführen. Auch mit den Begriffen Phan-
tasie
und Verstand verhält es sich daher ähnlich wie
mit dem des Gedächtnisses. Sie bezeichnen nicht ein-
heitliche Kräfte oder Vermögen, sondern complexe Erschei-
nungsformen elementarer psychischer Vorgänge nicht von
specifischer, sondern von allgemeingültiger Art. Wie das
Gedächtniss ein Allgemeinbegriff für die Erinnerungsvor-
gänge, so sind Phantasie und Verstand Allgemeinbegriffe
für bestimmte Richtungen der apperceptiven Functionen.
Einen gewissen praktischen Nutzen haben auch sie nur
insofern, als sie bequeme Hülfsmittel abgeben, um die
unendlich mannigfaltigen Unterschiede individueller Bean-
lagung für die intellectuellen Processe in gewisse Klassen
zu ordnen, innerhalb deren dann freilich wieder unendlich
mannigfache Abstufungen und Nuancen möglich sind. So

§ 17. Die Apperceptionsverbindungen.
Vorstellung gewählt wird, wie z. B. ein individueller Mensch
für den Begriff des Menschen, wogegen es fast ganz ver-
schwindet, sobald die repräsentative Vorstellung ihrem In-
halte nach völlig von den Objecten des Begriffs verschieden
ist. Darin dass die Wortvorstellungen diesen Zweck
erfüllen, liegt zu einem großen Theil die Bedeutung, die
ihnen als allgemeingültigen Hülfsmitteln des Denkens zu-
kommt. Da dem einzelnen Bewusstsein diese Hülfsmittel
bereits in fertigem Zustande überliefert werden, so muss
übrigens die Frage nach der psychologischen Entwicklung
der in der Sprache sich bethätigenden Hülfsfunctionen des
Denkens der Völkerpsychologie überlassen bleiben. (Vgl.
§ 21, A.)

18. Phantasie- und Verstandesthätigkeit sind nach allem
dem nicht specifisch verschiedene, sondern zusammenge-
hörige, in ihrer Entstehung und in ihren Aeußerungen gar
nicht zu trennende Funtionen, die in letzter Instanz auf
die nämlichen Grundfunctionen der apperceptiven Synthese
und Analyse zurückführen. Auch mit den Begriffen Phan-
tasie
und Verstand verhält es sich daher ähnlich wie
mit dem des Gedächtnisses. Sie bezeichnen nicht ein-
heitliche Kräfte oder Vermögen, sondern complexe Erschei-
nungsformen elementarer psychischer Vorgänge nicht von
specifischer, sondern von allgemeingültiger Art. Wie das
Gedächtniss ein Allgemeinbegriff für die Erinnerungsvor-
gänge, so sind Phantasie und Verstand Allgemeinbegriffe
für bestimmte Richtungen der apperceptiven Functionen.
Einen gewissen praktischen Nutzen haben auch sie nur
insofern, als sie bequeme Hülfsmittel abgeben, um die
unendlich mannigfaltigen Unterschiede individueller Bean-
lagung für die intellectuellen Processe in gewisse Klassen
zu ordnen, innerhalb deren dann freilich wieder unendlich
mannigfache Abstufungen und Nuancen möglich sind. So

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[313/0329] § 17. Die Apperceptionsverbindungen. Vorstellung gewählt wird, wie z. B. ein individueller Mensch für den Begriff des Menschen, wogegen es fast ganz ver- schwindet, sobald die repräsentative Vorstellung ihrem In- halte nach völlig von den Objecten des Begriffs verschieden ist. Darin dass die Wortvorstellungen diesen Zweck erfüllen, liegt zu einem großen Theil die Bedeutung, die ihnen als allgemeingültigen Hülfsmitteln des Denkens zu- kommt. Da dem einzelnen Bewusstsein diese Hülfsmittel bereits in fertigem Zustande überliefert werden, so muss übrigens die Frage nach der psychologischen Entwicklung der in der Sprache sich bethätigenden Hülfsfunctionen des Denkens der Völkerpsychologie überlassen bleiben. (Vgl. § 21, A.) 18. Phantasie- und Verstandesthätigkeit sind nach allem dem nicht specifisch verschiedene, sondern zusammenge- hörige, in ihrer Entstehung und in ihren Aeußerungen gar nicht zu trennende Funtionen, die in letzter Instanz auf die nämlichen Grundfunctionen der apperceptiven Synthese und Analyse zurückführen. Auch mit den Begriffen Phan- tasie und Verstand verhält es sich daher ähnlich wie mit dem des Gedächtnisses. Sie bezeichnen nicht ein- heitliche Kräfte oder Vermögen, sondern complexe Erschei- nungsformen elementarer psychischer Vorgänge nicht von specifischer, sondern von allgemeingültiger Art. Wie das Gedächtniss ein Allgemeinbegriff für die Erinnerungsvor- gänge, so sind Phantasie und Verstand Allgemeinbegriffe für bestimmte Richtungen der apperceptiven Functionen. Einen gewissen praktischen Nutzen haben auch sie nur insofern, als sie bequeme Hülfsmittel abgeben, um die unendlich mannigfaltigen Unterschiede individueller Bean- lagung für die intellectuellen Processe in gewisse Klassen zu ordnen, innerhalb deren dann freilich wieder unendlich mannigfache Abstufungen und Nuancen möglich sind. So

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/329>, abgerufen am 24.11.2024.