Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.§ 17. Die Apperceptionsverbindungen. vergleichung stattfindet, da ist diese natürlich niemals mit einerFeststellung absoluter Maße zu verwechseln. Eine solche würde eine absolute Einheit, also die Möglichkeit der Gewinnung eines constanten Maßstabes voraussetzen, was, wie oben bemerkt, auf psychischem Gebiet ausgeschlossen ist (S. 297). Vielmehr tritt die absolute Größenvergleichung immer nur in der Form der Gleichschätzung gleicher absoluter Unterschiede auf. Eine solche ist aber von Fall zu Fall möglich, ohne dass eine constant bleibende Größeneinheit vorhanden wäre. So vergleichen wir z. B. zwei Empfindungsstrecken A B und B C nach ihrem relativen Werthe, wenn wir bei beiden das Verhältniss der oberen zur unteren Grenzempfindung auffassen. In diesem Fall beurtheilen wir die Strecken A B und B C als gleichwerthig, wenn ist (Weber'sches Gesetz). Wir vergleichen dagegen A B und B C nach ihrem absoluten Werthe, wenn uns inner- halb der untersuchten Empfindungsdimension der Abstand von C und B gleich dem von B und A, also C -- B = B -- A, er- scheint (Proportionalitätsgesetz). Indem man das Weber'sche Ge- setz als einen Ausdruck für die functionelle Beziehung zwischen Empfindung und Reiz betrachtete und voraussetzte, dass es noch für unendlich kleine Aenderungen beider gelte, hat man ihm auch die mathematische Form der logarithmischen Function gegeben: die Empfindung wächst proportional dem Logarithmus des Reizes (Fechner's psycho-physisches Gesetz). Die Methoden zur Nachweisung des Weber'schen Gesetzes § 17. Die Apperceptionsverbindungen. vergleichung stattfindet, da ist diese natürlich niemals mit einerFeststellung absoluter Maße zu verwechseln. Eine solche würde eine absolute Einheit, also die Möglichkeit der Gewinnung eines constanten Maßstabes voraussetzen, was, wie oben bemerkt, auf psychischem Gebiet ausgeschlossen ist (S. 297). Vielmehr tritt die absolute Größenvergleichung immer nur in der Form der Gleichschätzung gleicher absoluter Unterschiede auf. Eine solche ist aber von Fall zu Fall möglich, ohne dass eine constant bleibende Größeneinheit vorhanden wäre. So vergleichen wir z. B. zwei Empfindungsstrecken A B und B C nach ihrem relativen Werthe, wenn wir bei beiden das Verhältniss der oberen zur unteren Grenzempfindung auffassen. In diesem Fall beurtheilen wir die Strecken A B und B C als gleichwerthig, wenn ist (Weber’sches Gesetz). Wir vergleichen dagegen A B und B C nach ihrem absoluten Werthe, wenn uns inner- halb der untersuchten Empfindungsdimension der Abstand von C und B gleich dem von B und A, also C — B = B — A, er- scheint (Proportionalitätsgesetz). Indem man das Weber’sche Ge- setz als einen Ausdruck für die functionelle Beziehung zwischen Empfindung und Reiz betrachtete und voraussetzte, dass es noch für unendlich kleine Aenderungen beider gelte, hat man ihm auch die mathematische Form der logarithmischen Function gegeben: die Empfindung wächst proportional dem Logarithmus des Reizes (Fechner’s psycho-physisches Gesetz). Die Methoden zur Nachweisung des Weber’schen Gesetzes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0317" n="301"/><fw place="top" type="header">§ 17. Die Apperceptionsverbindungen.</fw><lb/> vergleichung stattfindet, da ist diese natürlich niemals mit einer<lb/> Feststellung absoluter Maße zu verwechseln. Eine solche würde<lb/> eine absolute Einheit, also die Möglichkeit der Gewinnung eines<lb/> constanten Maßstabes voraussetzen, was, wie oben bemerkt, auf<lb/> psychischem Gebiet ausgeschlossen ist (S. 297). 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§ 17. Die Apperceptionsverbindungen.
vergleichung stattfindet, da ist diese natürlich niemals mit einer
Feststellung absoluter Maße zu verwechseln. Eine solche würde
eine absolute Einheit, also die Möglichkeit der Gewinnung eines
constanten Maßstabes voraussetzen, was, wie oben bemerkt, auf
psychischem Gebiet ausgeschlossen ist (S. 297). Vielmehr tritt
die absolute Größenvergleichung immer nur in der Form der
Gleichschätzung gleicher absoluter Unterschiede auf.
Eine solche ist aber von Fall zu Fall möglich, ohne dass eine
constant bleibende Größeneinheit vorhanden wäre. So vergleichen
wir z. B. zwei Empfindungsstrecken A B und B C nach ihrem
relativen Werthe, wenn wir bei beiden das Verhältniss der
oberen zur unteren Grenzempfindung auffassen. In diesem Fall
beurtheilen wir die Strecken A B und B C als gleichwerthig,
wenn [FORMEL] ist (Weber’sches Gesetz). Wir vergleichen dagegen
A B und B C nach ihrem absoluten Werthe, wenn uns inner-
halb der untersuchten Empfindungsdimension der Abstand von C
und B gleich dem von B und A, also C — B = B — A, er-
scheint (Proportionalitätsgesetz). Indem man das Weber’sche Ge-
setz als einen Ausdruck für die functionelle Beziehung zwischen
Empfindung und Reiz betrachtete und voraussetzte, dass es noch
für unendlich kleine Aenderungen beider gelte, hat man ihm auch
die mathematische Form der logarithmischen Function gegeben:
die Empfindung wächst proportional dem Logarithmus des Reizes
(Fechner’s psycho-physisches Gesetz).
Die Methoden zur Nachweisung des Weber’schen Gesetzes
oder anderer Größenbeziehungen zwischen psychischen Elementen
und Gebilden pflegt man psycho-physische Methoden zu
nennen, ein ungeeigneter Ausdruck, weil die Thatsache, dass
man sich physischer Hülfsmittel bedient, auch allen andern
Methoden der experimentellen Psychologie eigen ist. Zweck-
mäßiger werden sie daher »Methoden der psychischen Größen-
messung« genannt. Im allgemeinen kann man bei diesen Methoden
zum Behuf der Auffindung der oben bemerkten ausgezeichneten
Punkte in doppelter Weise verfahren. Entweder ermittelt man
jene Punkte direct, indem man von zwei psychischen Größen
A und B die eine A constant lässt und die andere B so lange
abstuft, bis sie einem jener ausgezeichneten Punkte entspricht,
also entweder gleich A oder eben merklich größer oder eben
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