Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.

9. Diese Verhältnisse bringen es mit sich, dass nicht
psychische Größenverhältnisse von beliebiger Beschaffenheit
direct festgestellt werden können, sondern dass eine un-
mittelbare Vergleichung nur für gewisse ausgezeichnete
Größenverhältnisse möglich ist. Solche ausgezeichnete Ver-
hältnisse sind: 1) die Gleichheit zweier psychischer
Größen
und 2) der eben merkliche Unterschied
zweier Größen
, z. B. zweier Empfindungsintensitäten von
gleicher Qualität oder zweier der nämlichen Dimension
angehörender Empfindungsqualitäten von gleicher Intensität.
Hierzu kommt dann noch als ein etwas verwickelterer, aber
dennoch die Grenzen unmittelbarer Vergleichung noch nicht
überschreitender Fall: 3) die Gleichheit zweier Größen-
unterschiede
, namentlich wenn diese unmittelbar an ein-
ander grenzenden Größengebieten angehören. Es ist augen-
scheinlich, dass bei jeder dieser drei Arten psychischer
Größenmessung die beiden fundamentalen Functionen apper-
ceptiver Vergleichung, Uebereinstimmung und Unterschei-
dung, neben einander zur Anwendung kommen. Bei der
ersten stuft man von zwei psychischen Größen A und B
die zweite B so lange ab, bis sie für die unmittelbare Ver-
gleichung mit A übereinstimmt. Bei der zweiten verändert
man von zwei ursprünglich gleichen Größen A und B die
eine, B, so lange, bis sie entweder eben merklich größer
oder eben merklich kleiner als A erscheint. Die dritte
endlich wendet man am zweckmäßigsten in der Form an,
dass man eine Strecke psychischer Größen, z. B. von Em-
pfindungsstärken, die von A als unterer bis zu C als oberer
Grenze reicht, durch eine mittlere Größe B, die wieder
durch stetige Abstufung gefunden wird, so eintheilt, dass
die Theilstrecken A B und B C als gleich aufgefasst werden.

10. Die am unmittelbarsten und einfachsten zu ver-
werthenden Ergebnisse unter diesen Vergleichungsmethoden

III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.

9. Diese Verhältnisse bringen es mit sich, dass nicht
psychische Größenverhältnisse von beliebiger Beschaffenheit
direct festgestellt werden können, sondern dass eine un-
mittelbare Vergleichung nur für gewisse ausgezeichnete
Größenverhältnisse möglich ist. Solche ausgezeichnete Ver-
hältnisse sind: 1) die Gleichheit zweier psychischer
Größen
und 2) der eben merkliche Unterschied
zweier Größen
, z. B. zweier Empfindungsintensitäten von
gleicher Qualität oder zweier der nämlichen Dimension
angehörender Empfindungsqualitäten von gleicher Intensität.
Hierzu kommt dann noch als ein etwas verwickelterer, aber
dennoch die Grenzen unmittelbarer Vergleichung noch nicht
überschreitender Fall: 3) die Gleichheit zweier Größen-
unterschiede
, namentlich wenn diese unmittelbar an ein-
ander grenzenden Größengebieten angehören. Es ist augen-
scheinlich, dass bei jeder dieser drei Arten psychischer
Größenmessung die beiden fundamentalen Functionen apper-
ceptiver Vergleichung, Uebereinstimmung und Unterschei-
dung, neben einander zur Anwendung kommen. Bei der
ersten stuft man von zwei psychischen Größen A und B
die zweite B so lange ab, bis sie für die unmittelbare Ver-
gleichung mit A übereinstimmt. Bei der zweiten verändert
man von zwei ursprünglich gleichen Größen A und B die
eine, B, so lange, bis sie entweder eben merklich größer
oder eben merklich kleiner als A erscheint. Die dritte
endlich wendet man am zweckmäßigsten in der Form an,
dass man eine Strecke psychischer Größen, z. B. von Em-
pfindungsstärken, die von A als unterer bis zu C als oberer
Grenze reicht, durch eine mittlere Größe B, die wieder
durch stetige Abstufung gefunden wird, so eintheilt, dass
die Theilstrecken A B und B C als gleich aufgefasst werden.

10. Die am unmittelbarsten und einfachsten zu ver-
werthenden Ergebnisse unter diesen Vergleichungsmethoden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0314" n="298"/>
            <fw place="top" type="header">III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.</fw><lb/>
            <p>9. Diese Verhältnisse bringen es mit sich, dass nicht<lb/>
psychische Größenverhältnisse von beliebiger Beschaffenheit<lb/>
direct festgestellt werden können, sondern dass eine un-<lb/>
mittelbare Vergleichung nur für gewisse ausgezeichnete<lb/>
Größenverhältnisse möglich ist. Solche ausgezeichnete Ver-<lb/>
hältnisse sind: 1) <hi rendition="#g">die Gleichheit zweier psychischer<lb/>
Größen</hi> und 2) <hi rendition="#g">der eben merkliche Unterschied<lb/>
zweier Größen</hi>, z. B. zweier Empfindungsintensitäten von<lb/>
gleicher Qualität oder zweier der nämlichen Dimension<lb/>
angehörender Empfindungsqualitäten von gleicher Intensität.<lb/>
Hierzu kommt dann noch als ein etwas verwickelterer, aber<lb/>
dennoch die Grenzen unmittelbarer Vergleichung noch nicht<lb/>
überschreitender Fall: 3) die <hi rendition="#g">Gleichheit zweier Größen-<lb/>
unterschiede</hi>, namentlich wenn diese unmittelbar an ein-<lb/>
ander grenzenden Größengebieten angehören. Es ist augen-<lb/>
scheinlich, dass bei jeder dieser drei Arten psychischer<lb/>
Größenmessung die beiden fundamentalen Functionen apper-<lb/>
ceptiver Vergleichung, Uebereinstimmung und Unterschei-<lb/>
dung, neben einander zur Anwendung kommen. Bei der<lb/><hi rendition="#g">ersten</hi> stuft man von zwei psychischen Größen <hi rendition="#i">A</hi> und <hi rendition="#i">B</hi><lb/>
die zweite <hi rendition="#i">B</hi> so lange ab, bis sie für die unmittelbare Ver-<lb/>
gleichung mit <hi rendition="#i">A</hi> übereinstimmt. Bei der <hi rendition="#g">zweiten</hi> verändert<lb/>
man von zwei ursprünglich gleichen Größen <hi rendition="#i">A</hi> und <hi rendition="#i">B</hi> die<lb/>
eine, <hi rendition="#i">B</hi>, so lange, bis sie entweder eben merklich größer<lb/>
oder eben merklich kleiner als <hi rendition="#i">A</hi> erscheint. Die <hi rendition="#g">dritte</hi><lb/>
endlich wendet man am zweckmäßigsten in der Form an,<lb/>
dass man eine Strecke psychischer Größen, z. B. von Em-<lb/>
pfindungsstärken, die von <hi rendition="#i">A</hi> als unterer bis zu <hi rendition="#i">C</hi> als oberer<lb/>
Grenze reicht, durch eine mittlere Größe <hi rendition="#i">B</hi>, die wieder<lb/>
durch stetige Abstufung gefunden wird, so eintheilt, dass<lb/>
die Theilstrecken <hi rendition="#i">A B</hi> und <hi rendition="#i">B C</hi> als gleich aufgefasst werden.</p><lb/>
            <p>10. Die am unmittelbarsten und einfachsten zu ver-<lb/>
werthenden Ergebnisse unter diesen Vergleichungsmethoden<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0314] III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. 9. Diese Verhältnisse bringen es mit sich, dass nicht psychische Größenverhältnisse von beliebiger Beschaffenheit direct festgestellt werden können, sondern dass eine un- mittelbare Vergleichung nur für gewisse ausgezeichnete Größenverhältnisse möglich ist. Solche ausgezeichnete Ver- hältnisse sind: 1) die Gleichheit zweier psychischer Größen und 2) der eben merkliche Unterschied zweier Größen, z. B. zweier Empfindungsintensitäten von gleicher Qualität oder zweier der nämlichen Dimension angehörender Empfindungsqualitäten von gleicher Intensität. Hierzu kommt dann noch als ein etwas verwickelterer, aber dennoch die Grenzen unmittelbarer Vergleichung noch nicht überschreitender Fall: 3) die Gleichheit zweier Größen- unterschiede, namentlich wenn diese unmittelbar an ein- ander grenzenden Größengebieten angehören. Es ist augen- scheinlich, dass bei jeder dieser drei Arten psychischer Größenmessung die beiden fundamentalen Functionen apper- ceptiver Vergleichung, Uebereinstimmung und Unterschei- dung, neben einander zur Anwendung kommen. Bei der ersten stuft man von zwei psychischen Größen A und B die zweite B so lange ab, bis sie für die unmittelbare Ver- gleichung mit A übereinstimmt. Bei der zweiten verändert man von zwei ursprünglich gleichen Größen A und B die eine, B, so lange, bis sie entweder eben merklich größer oder eben merklich kleiner als A erscheint. Die dritte endlich wendet man am zweckmäßigsten in der Form an, dass man eine Strecke psychischer Größen, z. B. von Em- pfindungsstärken, die von A als unterer bis zu C als oberer Grenze reicht, durch eine mittlere Größe B, die wieder durch stetige Abstufung gefunden wird, so eintheilt, dass die Theilstrecken A B und B C als gleich aufgefasst werden. 10. Die am unmittelbarsten und einfachsten zu ver- werthenden Ergebnisse unter diesen Vergleichungsmethoden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/314
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/314>, abgerufen am 24.11.2024.