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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
Die neuere Psychologie hat meistens die Zahl dieser Ge-
setze zu reduciren gesucht. Den Contrast sah man als
einen Grenzfall der Aehnlichkeit an, da nur solche con-
trastirende Vorstellungen sich associiren, die zugleich einer
und derselben allgemeinen Gattung angehören; und die Ver-
bindungen nach Gleichzeitigkeit und Succession fasste man
unter dem Begriff der äußeren oder der Berührungs-
association
zusammen, die nun der inneren oder Aehn-
lichkeitsassociation
gegenübergestellt wurde. Von dieser
Vereinfachung auf zwei Formen aus meinten schließlich
manche Psychologen noch zu einer Reduction auf ein ein-
ziges "Associationsgesetz" fortschreiten zu können, indem
sie entweder die Berührungsassociation für eine Specialform
der Aehnlichkeit oder, und dies häufiger, die Aehnlichkeit
für eine Wirkung gewisser Berührungsassociationen erklärten.
In beiden Fällen führte man übrigens die Association mei-
stens auf das allgemeinere Princip der Uebung und Ge-
wöhnung zurück.

2. Dieser ganzen Betrachtungsweise wird nun durch
zwei Thatsachen, die sich der experimentellen Beobachtung
der Vorstellungsprocesse mit zwingender Gewalt aufdrängen,
der Boden entzogen. Die erste besteht in dem allgemeinen
Ergebniss der psychologischen Analyse der Wahrnehmungen,
dass jene zusammengesetzten Vorstellungen, welche die
Associationspsychologie als unzerlegbare psychische Einheiten
voraussetzt, selbst schon aus Verbindungsprocessen entstehen,
die offenbar mit den gewöhnlich Associationen genannten
complexeren Verbindungen innig zusammenhängen. Die
zweite Thatsache besteht in dem Ergebniss der experi-
mentellen Untersuchung der Erinnerungsvorgänge, dass es
eine Reproduction der Vorstellungen im eigentlichen
Sinne, insofern man nämlich darunter die unveränderte Er-
neuerung einer früher dagewesenen Vorstellung versteht,

III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
Die neuere Psychologie hat meistens die Zahl dieser Ge-
setze zu reduciren gesucht. Den Contrast sah man als
einen Grenzfall der Aehnlichkeit an, da nur solche con-
trastirende Vorstellungen sich associiren, die zugleich einer
und derselben allgemeinen Gattung angehören; und die Ver-
bindungen nach Gleichzeitigkeit und Succession fasste man
unter dem Begriff der äußeren oder der Berührungs-
association
zusammen, die nun der inneren oder Aehn-
lichkeitsassociation
gegenübergestellt wurde. Von dieser
Vereinfachung auf zwei Formen aus meinten schließlich
manche Psychologen noch zu einer Reduction auf ein ein-
ziges »Associationsgesetz« fortschreiten zu können, indem
sie entweder die Berührungsassociation für eine Specialform
der Aehnlichkeit oder, und dies häufiger, die Aehnlichkeit
für eine Wirkung gewisser Berührungsassociationen erklärten.
In beiden Fällen führte man übrigens die Association mei-
stens auf das allgemeinere Princip der Uebung und Ge-
wöhnung zurück.

2. Dieser ganzen Betrachtungsweise wird nun durch
zwei Thatsachen, die sich der experimentellen Beobachtung
der Vorstellungsprocesse mit zwingender Gewalt aufdrängen,
der Boden entzogen. Die erste besteht in dem allgemeinen
Ergebniss der psychologischen Analyse der Wahrnehmungen,
dass jene zusammengesetzten Vorstellungen, welche die
Associationspsychologie als unzerlegbare psychische Einheiten
voraussetzt, selbst schon aus Verbindungsprocessen entstehen,
die offenbar mit den gewöhnlich Associationen genannten
complexeren Verbindungen innig zusammenhängen. Die
zweite Thatsache besteht in dem Ergebniss der experi-
mentellen Untersuchung der Erinnerungsvorgänge, dass es
eine Reproduction der Vorstellungen im eigentlichen
Sinne, insofern man nämlich darunter die unveränderte Er-
neuerung einer früher dagewesenen Vorstellung versteht,

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[264/0280] III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. Die neuere Psychologie hat meistens die Zahl dieser Ge- setze zu reduciren gesucht. Den Contrast sah man als einen Grenzfall der Aehnlichkeit an, da nur solche con- trastirende Vorstellungen sich associiren, die zugleich einer und derselben allgemeinen Gattung angehören; und die Ver- bindungen nach Gleichzeitigkeit und Succession fasste man unter dem Begriff der äußeren oder der Berührungs- association zusammen, die nun der inneren oder Aehn- lichkeitsassociation gegenübergestellt wurde. Von dieser Vereinfachung auf zwei Formen aus meinten schließlich manche Psychologen noch zu einer Reduction auf ein ein- ziges »Associationsgesetz« fortschreiten zu können, indem sie entweder die Berührungsassociation für eine Specialform der Aehnlichkeit oder, und dies häufiger, die Aehnlichkeit für eine Wirkung gewisser Berührungsassociationen erklärten. In beiden Fällen führte man übrigens die Association mei- stens auf das allgemeinere Princip der Uebung und Ge- wöhnung zurück. 2. Dieser ganzen Betrachtungsweise wird nun durch zwei Thatsachen, die sich der experimentellen Beobachtung der Vorstellungsprocesse mit zwingender Gewalt aufdrängen, der Boden entzogen. Die erste besteht in dem allgemeinen Ergebniss der psychologischen Analyse der Wahrnehmungen, dass jene zusammengesetzten Vorstellungen, welche die Associationspsychologie als unzerlegbare psychische Einheiten voraussetzt, selbst schon aus Verbindungsprocessen entstehen, die offenbar mit den gewöhnlich Associationen genannten complexeren Verbindungen innig zusammenhängen. Die zweite Thatsache besteht in dem Ergebniss der experi- mentellen Untersuchung der Erinnerungsvorgänge, dass es eine Reproduction der Vorstellungen im eigentlichen Sinne, insofern man nämlich darunter die unveränderte Er- neuerung einer früher dagewesenen Vorstellung versteht,

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/280>, abgerufen am 25.11.2024.