zuführenden That eine innere Willenshandlung, und die spätere Ausführung der That ist eine von ihr verschiedene, doch sie als Bedingung voraussetzende äußere Handlung. Hieraus ergibt sich zugleich, dass in den Fällen, wo die äußere Willenshandlung aus einer einem Kampf der Motive folgenden Entschließung entspringt, die Fälle eines einzigen in sich zusammenhängenden Willensvorganges und zweier Willensvorgänge, eines inneren und eines äußeren, ohne deutliche Grenze in einander übergehen, indem hierbei die Entschließung, sobald sie zeitlich irgend merklich von der Handlung selbst getrennt ist, als ein diese vorbereitender innerer Willensact aufgefasst werden kann.
10. Sind die beiden bisher besprochenen mit der Ent- wicklung des Willens verbundenen Veränderungen, die Er- mäßigung der Affecte und die Verselbständigung innerer Willenshandlungen, progressiver Art, so steht ihnen ein dritter Vorgang als eine Art regressiver Entwicklung gegenüber. Sobald sich nämlich zusammengesetzte Willens- vorgänge von übereinstimmendem Motivinhalt häufiger wie- derholen, erleichtert sich der Kampf der Motive: die in den früheren Fällen unterlegenen Motive treten bei den neuen Anlässen zunächst schwächer auf und verschwinden zuletzt völlig. Die zusammengesetzte ist dann in eine einfache oder Triebhandlung übergegangen. Besonders diese Rück- verwandlung complexer Willensvorgänge in Triebvorgänge ist es, die die oben erwähnte Beschränkung des Begriffes "Trieb" auf die aus sinnlichen Gefühlen entspringenden Willenshandlungen völlig ungeeignet erscheinen lässt. In Folge jener allmählichen Elimination der unterlegenen Mo- tive gibt es ebensowohl intellectuelle, sittliche, ästhetische u. dergl. wie einfache sinnliche Triebhandlungen.
Zugleich bildet diese Rückverwandlung einen Bestand- theil eines Processes, der die sämmtlichen äußeren Hand-
II. Die psychischen Gebilde.
zuführenden That eine innere Willenshandlung, und die spätere Ausführung der That ist eine von ihr verschiedene, doch sie als Bedingung voraussetzende äußere Handlung. Hieraus ergibt sich zugleich, dass in den Fällen, wo die äußere Willenshandlung aus einer einem Kampf der Motive folgenden Entschließung entspringt, die Fälle eines einzigen in sich zusammenhängenden Willensvorganges und zweier Willensvorgänge, eines inneren und eines äußeren, ohne deutliche Grenze in einander übergehen, indem hierbei die Entschließung, sobald sie zeitlich irgend merklich von der Handlung selbst getrennt ist, als ein diese vorbereitender innerer Willensact aufgefasst werden kann.
10. Sind die beiden bisher besprochenen mit der Ent- wicklung des Willens verbundenen Veränderungen, die Er- mäßigung der Affecte und die Verselbständigung innerer Willenshandlungen, progressiver Art, so steht ihnen ein dritter Vorgang als eine Art regressiver Entwicklung gegenüber. Sobald sich nämlich zusammengesetzte Willens- vorgänge von übereinstimmendem Motivinhalt häufiger wie- derholen, erleichtert sich der Kampf der Motive: die in den früheren Fällen unterlegenen Motive treten bei den neuen Anlässen zunächst schwächer auf und verschwinden zuletzt völlig. Die zusammengesetzte ist dann in eine einfache oder Triebhandlung übergegangen. Besonders diese Rück- verwandlung complexer Willensvorgänge in Triebvorgänge ist es, die die oben erwähnte Beschränkung des Begriffes »Trieb« auf die aus sinnlichen Gefühlen entspringenden Willenshandlungen völlig ungeeignet erscheinen lässt. In Folge jener allmählichen Elimination der unterlegenen Mo- tive gibt es ebensowohl intellectuelle, sittliche, ästhetische u. dergl. wie einfache sinnliche Triebhandlungen.
Zugleich bildet diese Rückverwandlung einen Bestand- theil eines Processes, der die sämmtlichen äußeren Hand-
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II. Die psychischen Gebilde.
zuführenden That eine innere Willenshandlung, und die
spätere Ausführung der That ist eine von ihr verschiedene,
doch sie als Bedingung voraussetzende äußere Handlung.
Hieraus ergibt sich zugleich, dass in den Fällen, wo die
äußere Willenshandlung aus einer einem Kampf der Motive
folgenden Entschließung entspringt, die Fälle eines einzigen
in sich zusammenhängenden Willensvorganges und zweier
Willensvorgänge, eines inneren und eines äußeren, ohne
deutliche Grenze in einander übergehen, indem hierbei die
Entschließung, sobald sie zeitlich irgend merklich von der
Handlung selbst getrennt ist, als ein diese vorbereitender
innerer Willensact aufgefasst werden kann.
10. Sind die beiden bisher besprochenen mit der Ent-
wicklung des Willens verbundenen Veränderungen, die Er-
mäßigung der Affecte und die Verselbständigung innerer
Willenshandlungen, progressiver Art, so steht ihnen ein
dritter Vorgang als eine Art regressiver Entwicklung
gegenüber. Sobald sich nämlich zusammengesetzte Willens-
vorgänge von übereinstimmendem Motivinhalt häufiger wie-
derholen, erleichtert sich der Kampf der Motive: die in den
früheren Fällen unterlegenen Motive treten bei den neuen
Anlässen zunächst schwächer auf und verschwinden zuletzt
völlig. Die zusammengesetzte ist dann in eine einfache
oder Triebhandlung übergegangen. Besonders diese Rück-
verwandlung complexer Willensvorgänge in Triebvorgänge
ist es, die die oben erwähnte Beschränkung des Begriffes
»Trieb« auf die aus sinnlichen Gefühlen entspringenden
Willenshandlungen völlig ungeeignet erscheinen lässt. In
Folge jener allmählichen Elimination der unterlegenen Mo-
tive gibt es ebensowohl intellectuelle, sittliche, ästhetische
u. dergl. wie einfache sinnliche Triebhandlungen.
Zugleich bildet diese Rückverwandlung einen Bestand-
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/242>, abgerufen am 16.02.2025.
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