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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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II. Die psychischen Gebilde.
mehr wir geneigt sind einen solchen kurzen, nur die Ent-
stehung und Wirkung der Motive begleitenden Affect ohne
weiteres mit dem Entschluss und der Handlung in den
einen Begriff des Willensactes zusammenzufassen. Diese
Abschwächung der Affecte wird hauptsächlich herbeigeführt
durch jene Verbindungen der psychischen Processe, die wir
der intellectuellen Entwicklung zurechnen, und auf die
unten bei der Erörterung des Zusammenhangs der psychi-
schen Gebilde näher einzugehen sein wird (§ 17). Die in-
tellectuellen Processe können zwar niemals die Affecte ver-
nichten; sind sie doch im Gegentheil vielfach selbst die
Quellen neuer, eigenartiger Affecterregungen. Ein durch
rein intellectuelle Motive bestimmtes völlig affectloses Wollen
ist daher, wie schon oben (S. 219) bemerkt, ein psychologisch
unmöglicher Begriff. Immerhin übt die intellectuelle Ent-
wicklung zweifellos eine mäßigende Wirkung auf die Affecte
und speciell auf die die Willenshandlungen vorbereitenden
Affecte in allen den Fällen aus, wo intellectuelle Motive in
dieselben eingehen. Dies mag theils in der dabei meist
vorhandenen wechselseitigen Compensation der Gefühle theils
in der langsamen Entwicklung der intectuellen Motive seinen
Grund haben, indem im allgemeinen die Affecte um so
stärker werden, je schneller die sie zusammensetzenden Ge-
fühle ansteigen.

9. Mit dieser Ermäßigung der Affectbestandtheile der
Willensvorgänge unter der Vorherrschaft intellectueller Mo-
tive hängt noch eine zweite Veränderung zusammen. Sie
besteht darin, dass die den Willensvorgang abschließende
Willenshandlung nicht eine äußere Bewegung, sondern dass
die den erregenden Affect aufhebende Wirkung selbst ein
psychischer Process ist, der sich unmittelbar durch keine
äußeren Symptome verräth. Solche für die äußere Be-
obachtung nicht wahrnehmbare Wirkungen bezeichnen wir

II. Die psychischen Gebilde.
mehr wir geneigt sind einen solchen kurzen, nur die Ent-
stehung und Wirkung der Motive begleitenden Affect ohne
weiteres mit dem Entschluss und der Handlung in den
einen Begriff des Willensactes zusammenzufassen. Diese
Abschwächung der Affecte wird hauptsächlich herbeigeführt
durch jene Verbindungen der psychischen Processe, die wir
der intellectuellen Entwicklung zurechnen, und auf die
unten bei der Erörterung des Zusammenhangs der psychi-
schen Gebilde näher einzugehen sein wird (§ 17). Die in-
tellectuellen Processe können zwar niemals die Affecte ver-
nichten; sind sie doch im Gegentheil vielfach selbst die
Quellen neuer, eigenartiger Affecterregungen. Ein durch
rein intellectuelle Motive bestimmtes völlig affectloses Wollen
ist daher, wie schon oben (S. 219) bemerkt, ein psychologisch
unmöglicher Begriff. Immerhin übt die intellectuelle Ent-
wicklung zweifellos eine mäßigende Wirkung auf die Affecte
und speciell auf die die Willenshandlungen vorbereitenden
Affecte in allen den Fällen aus, wo intellectuelle Motive in
dieselben eingehen. Dies mag theils in der dabei meist
vorhandenen wechselseitigen Compensation der Gefühle theils
in der langsamen Entwicklung der intectuellen Motive seinen
Grund haben, indem im allgemeinen die Affecte um so
stärker werden, je schneller die sie zusammensetzenden Ge-
fühle ansteigen.

9. Mit dieser Ermäßigung der Affectbestandtheile der
Willensvorgänge unter der Vorherrschaft intellectueller Mo-
tive hängt noch eine zweite Veränderung zusammen. Sie
besteht darin, dass die den Willensvorgang abschließende
Willenshandlung nicht eine äußere Bewegung, sondern dass
die den erregenden Affect aufhebende Wirkung selbst ein
psychischer Process ist, der sich unmittelbar durch keine
äußeren Symptome verräth. Solche für die äußere Be-
obachtung nicht wahrnehmbare Wirkungen bezeichnen wir

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[224/0240] II. Die psychischen Gebilde. mehr wir geneigt sind einen solchen kurzen, nur die Ent- stehung und Wirkung der Motive begleitenden Affect ohne weiteres mit dem Entschluss und der Handlung in den einen Begriff des Willensactes zusammenzufassen. Diese Abschwächung der Affecte wird hauptsächlich herbeigeführt durch jene Verbindungen der psychischen Processe, die wir der intellectuellen Entwicklung zurechnen, und auf die unten bei der Erörterung des Zusammenhangs der psychi- schen Gebilde näher einzugehen sein wird (§ 17). Die in- tellectuellen Processe können zwar niemals die Affecte ver- nichten; sind sie doch im Gegentheil vielfach selbst die Quellen neuer, eigenartiger Affecterregungen. Ein durch rein intellectuelle Motive bestimmtes völlig affectloses Wollen ist daher, wie schon oben (S. 219) bemerkt, ein psychologisch unmöglicher Begriff. Immerhin übt die intellectuelle Ent- wicklung zweifellos eine mäßigende Wirkung auf die Affecte und speciell auf die die Willenshandlungen vorbereitenden Affecte in allen den Fällen aus, wo intellectuelle Motive in dieselben eingehen. Dies mag theils in der dabei meist vorhandenen wechselseitigen Compensation der Gefühle theils in der langsamen Entwicklung der intectuellen Motive seinen Grund haben, indem im allgemeinen die Affecte um so stärker werden, je schneller die sie zusammensetzenden Ge- fühle ansteigen. 9. Mit dieser Ermäßigung der Affectbestandtheile der Willensvorgänge unter der Vorherrschaft intellectueller Mo- tive hängt noch eine zweite Veränderung zusammen. Sie besteht darin, dass die den Willensvorgang abschließende Willenshandlung nicht eine äußere Bewegung, sondern dass die den erregenden Affect aufhebende Wirkung selbst ein psychischer Process ist, der sich unmittelbar durch keine äußeren Symptome verräth. Solche für die äußere Be- obachtung nicht wahrnehmbare Wirkungen bezeichnen wir

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/240>, abgerufen am 22.11.2024.