Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.II. Die psychischen Gebilde. vor den andern hervor. Inniger sind die Verbindungengewisser Geruchs- und Geschmacksempfindungen, die hier offenbar subjectiv durch die räumliche Nähe der Sinnes- organe, objectiv durch die regelmäßige Verbindung be- stimmter Reizeinwirkungen auf beide Sinne begünstigt wer- den. Dabei pflegen die intensiveren Empfindungen die herrschenden Elemente zu sein; und wo diese Rolle den Ge- schmacksempfindungen zufällt, da wird meist der zusammen- gesetzte Eindruck ganz als eine Geschmacksqualität aufge- fasst, daher die meisten im gewöhnlichen Leben sogenannten "Geschmäcke" in Wirklichkeit Verbindungen von Geschmäcken und Gerüchen sind. In der reichsten Mannigfaltigkeit bietet aber der Ge- 3. Der Einzelklang ist eine intensive Vorstellung, die II. Die psychischen Gebilde. vor den andern hervor. Inniger sind die Verbindungengewisser Geruchs- und Geschmacksempfindungen, die hier offenbar subjectiv durch die räumliche Nähe der Sinnes- organe, objectiv durch die regelmäßige Verbindung be- stimmter Reizeinwirkungen auf beide Sinne begünstigt wer- den. Dabei pflegen die intensiveren Empfindungen die herrschenden Elemente zu sein; und wo diese Rolle den Ge- schmacksempfindungen zufällt, da wird meist der zusammen- gesetzte Eindruck ganz als eine Geschmacksqualität aufge- fasst, daher die meisten im gewöhnlichen Leben sogenannten »Geschmäcke« in Wirklichkeit Verbindungen von Geschmäcken und Gerüchen sind. In der reichsten Mannigfaltigkeit bietet aber der Ge- 3. Der Einzelklang ist eine intensive Vorstellung, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0128" n="112"/><fw place="top" type="header">II. Die psychischen Gebilde.</fw><lb/> vor den andern hervor. Inniger sind die Verbindungen<lb/> gewisser <hi rendition="#g">Geruchs-</hi> und <hi rendition="#g">Geschmacksempfindungen</hi>, die<lb/> hier offenbar subjectiv durch die räumliche Nähe der Sinnes-<lb/> organe, objectiv durch die regelmäßige Verbindung be-<lb/> stimmter Reizeinwirkungen auf beide Sinne begünstigt wer-<lb/> den. Dabei pflegen die intensiveren Empfindungen die<lb/> herrschenden Elemente zu sein; und wo diese Rolle den Ge-<lb/> schmacksempfindungen zufällt, da wird meist der zusammen-<lb/> gesetzte Eindruck ganz als eine Geschmacksqualität aufge-<lb/> fasst, daher die meisten im gewöhnlichen Leben sogenannten<lb/> »Geschmäcke« in Wirklichkeit Verbindungen von Geschmäcken<lb/> und Gerüchen sind.</p><lb/> <p>In der reichsten Mannigfaltigkeit bietet aber der <hi rendition="#g">Ge-<lb/> hörssinn</hi> intensive Vorstellungen von allen möglichen Ab-<lb/> stufungen der Zusammensetzung dar. Die relativ einfachsten<lb/> unter ihnen, die den einfachen Tönen am nächsten stehen,<lb/> sind die <hi rendition="#g">Einzelklänge</hi>. Verwickeltere Formen derselben<lb/> bilden die <hi rendition="#g">Zusammenklänge</hi>, aus denen unter gewissen<lb/> Bedingungen und unter gleichzeitiger Verbindung mit ein-<lb/> fachen Geräuschempfindungen die <hi rendition="#g">zusammengesetzten<lb/> Geräusche</hi> hervorgehen.</p><lb/> <p>3. Der <hi rendition="#g">Einzelklang</hi> ist eine intensive Vorstellung, die<lb/> aus einer Reihe regelmäßig in ihrer Qualität abgestufter<lb/> Tonempfindungen besteht. Diese Elemente, die <hi rendition="#g">Theiltöne</hi><lb/> des Klangs, bilden eine vollkommene Verschmelzung, aus<lb/> welcher die Empfindung des tiefsten Theiltones als das<lb/> herrschende Element hervortritt. Nach ihm, dem <hi rendition="#g">Haupt-<lb/> ton</hi>, wird der Klang selbst in Bezug auf seine <hi rendition="#g">Tonhöhe</hi><lb/> bestimmt. Die übrigen Elemente werden als höhere Töne<lb/> die <hi rendition="#g">Obertöne</hi> genannt. Sie werden alle zusammen als ein<lb/> zweites zu dem herrschenden Element hinzutretendes Be-<lb/> stimmungsstück des Klangs, die <hi rendition="#g">Klangfarbe</hi>, aufgefasst.<lb/> Alle die Klangfarbe bestimmenden Theiltöne befinden sich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0128]
II. Die psychischen Gebilde.
vor den andern hervor. Inniger sind die Verbindungen
gewisser Geruchs- und Geschmacksempfindungen, die
hier offenbar subjectiv durch die räumliche Nähe der Sinnes-
organe, objectiv durch die regelmäßige Verbindung be-
stimmter Reizeinwirkungen auf beide Sinne begünstigt wer-
den. Dabei pflegen die intensiveren Empfindungen die
herrschenden Elemente zu sein; und wo diese Rolle den Ge-
schmacksempfindungen zufällt, da wird meist der zusammen-
gesetzte Eindruck ganz als eine Geschmacksqualität aufge-
fasst, daher die meisten im gewöhnlichen Leben sogenannten
»Geschmäcke« in Wirklichkeit Verbindungen von Geschmäcken
und Gerüchen sind.
In der reichsten Mannigfaltigkeit bietet aber der Ge-
hörssinn intensive Vorstellungen von allen möglichen Ab-
stufungen der Zusammensetzung dar. Die relativ einfachsten
unter ihnen, die den einfachen Tönen am nächsten stehen,
sind die Einzelklänge. Verwickeltere Formen derselben
bilden die Zusammenklänge, aus denen unter gewissen
Bedingungen und unter gleichzeitiger Verbindung mit ein-
fachen Geräuschempfindungen die zusammengesetzten
Geräusche hervorgehen.
3. Der Einzelklang ist eine intensive Vorstellung, die
aus einer Reihe regelmäßig in ihrer Qualität abgestufter
Tonempfindungen besteht. Diese Elemente, die Theiltöne
des Klangs, bilden eine vollkommene Verschmelzung, aus
welcher die Empfindung des tiefsten Theiltones als das
herrschende Element hervortritt. Nach ihm, dem Haupt-
ton, wird der Klang selbst in Bezug auf seine Tonhöhe
bestimmt. Die übrigen Elemente werden als höhere Töne
die Obertöne genannt. Sie werden alle zusammen als ein
zweites zu dem herrschenden Element hinzutretendes Be-
stimmungsstück des Klangs, die Klangfarbe, aufgefasst.
Alle die Klangfarbe bestimmenden Theiltöne befinden sich
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