Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Neunte Capitel.
und darum bloß auf seinen Adelsbrief zu po-
chen/ keine rechte Ursach habe. Was gelehrt
seyn betrifft/ möcht es wider seyn/ daß zu-
weiln ein halbgelehrter bässern respect ha-
be; darum/ weil oft der gelehrteste in der
Kunst/ der ungeschick teste in moribus und
Sitten ist; ja so gelehrt er ist/ doch etwan
seine Kunst nicht so entdecken kan/ wie jener
kan. Was der Lateiner sagt: Saepe etiam
est olitor valde opportuna locutus,
gibt
der teutsche Mann also: Der Bauren Re-
gel seynd auch nicht zu verachten; Ob sie
schon nicht Doctor worden sind/ doch ge-
ben sie zuweiln so einen klugen Raht/ als ein
Canzler. Anlangend die Frömmkeit/ da man
meynt: dieser sey so fromm/ so gottsfürch-
tig; dabey ist wol zu merken/ was der schon
oftbelobte Chrysostomus spricht: (*)
Mein sage mir: Wer weiß eigent-
lich/ welche recht einhergehen/ als der
einem jeden unter uns das Herz ge-
macht hat/ und alles unser Tuhn ver-
stehet. Dann es geschiht öfter/ daß

derer
(*) Chrys. L. I. de Provid. ad Stagir.
monach. c. IX. p. 186. e. d.

Das Neunte Capitel.
und darum bloß auf ſeinen Adelsbrief zu po-
chen/ keine rechte Urſach habe. Was gelehrt
ſeyn betrifft/ moͤcht es wider ſeyn/ daß zu-
weiln ein halbgelehrter baͤſſern reſpect ha-
be; darum/ weil oft der gelehrteſte in der
Kunſt/ der ungeſchick teſte in moribus und
Sitten iſt; ja ſo gelehrt er iſt/ doch etwan
ſeine Kunſt nicht ſo entdecken kan/ wie jener
kan. Was der Lateiner ſagt: Sæpe etiam
eſt olitor valdè opportuna locutus,
gibt
der teutſche Mann alſo: Der Bauren Re-
gel ſeynd auch nicht zu verachten; Ob ſie
ſchon nicht Doctor worden ſind/ doch ge-
ben ſie zuweiln ſo einen klugen Raht/ als ein
Canzler. Anlangend die Froͤm̃keit/ da man
meynt: dieſer ſey ſo fromm/ ſo gottsfuͤrch-
tig; dabey iſt wol zu merken/ was der ſchon
oftbelobte Chryſoſtomus ſpricht: (*)
Mein ſage mir: Wer weiß eigent-
lich/ welche recht einhergehen/ als der
einem jeden unter uns das Herz ge-
macht hat/ und alles unſer Tuhn ver-
ſtehet. Dann es geſchiht oͤfter/ daß

derer
(*) Chryſ. L. I. de Provid. ad Stagir.
monach. c. IX. p. 186. e. d.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0356" n="282"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Neunte Capitel.</hi></fw><lb/>
und darum bloß auf &#x017F;einen Adelsbrief zu po-<lb/>
chen/ keine rechte Ur&#x017F;ach habe. Was gelehrt<lb/>
&#x017F;eyn betrifft/ mo&#x0364;cht es wider &#x017F;eyn/ daß zu-<lb/>
weiln ein halbgelehrter ba&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern <hi rendition="#aq">re&#x017F;pect</hi> ha-<lb/>
be; darum/ weil oft der gelehrte&#x017F;te in der<lb/>
Kun&#x017F;t/ der unge&#x017F;chick te&#x017F;te <hi rendition="#aq">in moribus</hi> und<lb/>
Sitten i&#x017F;t; ja &#x017F;o gelehrt er i&#x017F;t/ doch etwan<lb/>
&#x017F;eine Kun&#x017F;t nicht &#x017F;o entdecken kan/ wie jener<lb/>
kan. Was der Lateiner &#x017F;agt: <hi rendition="#aq">Sæpe etiam<lb/>
e&#x017F;t olitor valdè opportuna locutus,</hi> gibt<lb/>
der teut&#x017F;che Mann al&#x017F;o: Der Bauren Re-<lb/>
gel &#x017F;eynd auch nicht zu verachten; Ob &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon nicht <hi rendition="#aq">Doctor</hi> worden &#x017F;ind/ doch ge-<lb/>
ben &#x017F;ie zuweiln &#x017F;o einen klugen Raht/ als ein<lb/>
Canzler. Anlangend die Fro&#x0364;m&#x0303;keit/ da man<lb/>
meynt: die&#x017F;er &#x017F;ey &#x017F;o fromm/ &#x017F;o gottsfu&#x0364;rch-<lb/>
tig; dabey i&#x017F;t wol zu merken/ was der &#x017F;chon<lb/>
oftbelobte <hi rendition="#aq">Chry&#x017F;o&#x017F;tomus</hi> &#x017F;pricht: <note place="foot" n="(*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Chry&#x017F;. L. I. de Provid. ad Stagir.<lb/>
monach. c. IX. p. 186. e. d.</hi></hi></note><lb/><hi rendition="#fr">Mein &#x017F;age mir: Wer weiß eigent-<lb/>
lich/ welche recht einhergehen/ als der<lb/>
einem jeden unter uns das Herz ge-<lb/>
macht hat/ und alles un&#x017F;er Tuhn ver-<lb/>
&#x017F;tehet. Dann es ge&#x017F;chiht o&#x0364;fter/ daß</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">derer</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0356] Das Neunte Capitel. und darum bloß auf ſeinen Adelsbrief zu po- chen/ keine rechte Urſach habe. Was gelehrt ſeyn betrifft/ moͤcht es wider ſeyn/ daß zu- weiln ein halbgelehrter baͤſſern reſpect ha- be; darum/ weil oft der gelehrteſte in der Kunſt/ der ungeſchick teſte in moribus und Sitten iſt; ja ſo gelehrt er iſt/ doch etwan ſeine Kunſt nicht ſo entdecken kan/ wie jener kan. Was der Lateiner ſagt: Sæpe etiam eſt olitor valdè opportuna locutus, gibt der teutſche Mann alſo: Der Bauren Re- gel ſeynd auch nicht zu verachten; Ob ſie ſchon nicht Doctor worden ſind/ doch ge- ben ſie zuweiln ſo einen klugen Raht/ als ein Canzler. Anlangend die Froͤm̃keit/ da man meynt: dieſer ſey ſo fromm/ ſo gottsfuͤrch- tig; dabey iſt wol zu merken/ was der ſchon oftbelobte Chryſoſtomus ſpricht: (*) Mein ſage mir: Wer weiß eigent- lich/ welche recht einhergehen/ als der einem jeden unter uns das Herz ge- macht hat/ und alles unſer Tuhn ver- ſtehet. Dann es geſchiht oͤfter/ daß derer (*) Chryſ. L. I. de Provid. ad Stagir. monach. c. IX. p. 186. e. d.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656/356
Zitationshilfe: Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656/356>, abgerufen am 23.12.2024.