Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Neunte Capitel.
Etwan. Dann es ist ein anzeig eines zweif-
fels/ und/ wie der Reichtnm/ die Ehr/ das
Ansehen/ und dergleichen keinen verdammt:
Also macht auch die Armut/ die geringe Ehr/
die Verachtung keinen seelig/ und kan einer
auch in seiner grösten Armut verdammt wer-
den; wie es dann oft so gehet/ daß die ärm-
ste die Löseste Leut sind/ und haben sie nicht
die Gelegenheit zu allen solchen Sünden/
die die Reichen begehen: haben sie andere
Gelegenheit zu andern Sünden/ die ja so
wol verdammen und in die Hölle bringen
können. Der süsse Redner Chrysostomus
sagt gar schön: (*) Annon vides & men-
dicornm plurimos, inter pressuras ipsas &
angustias innumera perpetrare scelera?

Das ist: Sihestu nicht/ daß mitten in
ihrer Armut und Aengsten: dan-
noch die aller ärmste/ unzählich viel
Schand und Laster begehen?

Endlich bleibt es nochmal dabey: Gott
läßt Reichen und Armen/ Hohen und Ni-
dern ihren freyen Willen/ den er ihnen nit

nehmen
(*) Chrysost. L. I. de Provid. ad Stagir.
monach. c. V III. e.d.

Das Neunte Capitel.
Etwan. Dann es iſt ein anzeig eines zweif-
fels/ und/ wie der Reichtnm/ die Ehr/ das
Anſehen/ und dergleichen keinen verdam̃t:
Alſo macht auch die Armut/ die geringe Ehr/
die Verachtung keinen ſeelig/ und kan einer
auch in ſeiner groͤſten Armut verdam̃t wer-
den; wie es dann oft ſo gehet/ daß die aͤrm-
ſte die Loͤſeſte Leut ſind/ und haben ſie nicht
die Gelegenheit zu allen ſolchen Sünden/
die die Reichen begehen: haben ſie andere
Gelegenheit zu andern Suͤnden/ die ja ſo
wol verdammen und in die Hoͤlle bringen
koͤnnen. Der ſuͤſſe Redner Chryſoſtomus
ſagt gar ſchoͤn: (*) Annon vides & men-
dicornm plurimos, inter preſſuras ipſas &
anguſtias innumera perpetrare ſcelera?

Das iſt: Siheſtu nicht/ daß mitten in
ihrer Armut und Aengſten: dan-
noch die aller aͤrmſte/ unzaͤhlich viel
Schand und Laſter begehen?

Endlich bleibt es nochmal dabey: Gott
laͤßt Reichen und Armen/ Hohen und Ni-
dern ihren freyen Willen/ den er ihnen nit

nehmen
(*) Chryſoſt. L. I. de Provid. ad Stagir.
monach. c. V III. e.d.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0342" n="268"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Neunte Capitel.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Etwan.</hi> Dann es i&#x017F;t ein anzeig eines zweif-<lb/>
fels/ und/ wie der Reichtnm/ die Ehr/ das<lb/>
An&#x017F;ehen/ und dergleichen keinen verdam&#x0303;t:<lb/>
Al&#x017F;o macht auch die Armut/ die geringe Ehr/<lb/>
die Verachtung keinen &#x017F;eelig/ und kan einer<lb/>
auch in &#x017F;einer gro&#x0364;&#x017F;ten Armut verdam&#x0303;t wer-<lb/>
den; wie es dann oft &#x017F;o gehet/ daß die a&#x0364;rm-<lb/>
&#x017F;te die Lo&#x0364;&#x017F;e&#x017F;te Leut &#x017F;ind/ und haben &#x017F;ie nicht<lb/>
die Gelegenheit zu allen &#x017F;olchen Sünden/<lb/>
die die Reichen begehen: haben &#x017F;ie andere<lb/>
Gelegenheit zu andern Su&#x0364;nden/ die ja &#x017F;o<lb/>
wol verdammen und in die Ho&#x0364;lle bringen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Der &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Redner <hi rendition="#aq">Chry&#x017F;o&#x017F;tomus</hi><lb/>
&#x017F;agt gar &#x017F;cho&#x0364;n: <note place="foot" n="(*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Chry&#x017F;o&#x017F;t. L. I. de Provid. ad Stagir.<lb/>
monach. c. V III. e.d.</hi></hi></note> <hi rendition="#aq">Annon vides &amp; men-<lb/>
dicornm plurimos, inter pre&#x017F;&#x017F;uras ip&#x017F;as &amp;<lb/>
angu&#x017F;tias innumera perpetrare &#x017F;celera?</hi><lb/>
Das i&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Sihe&#x017F;tu nicht/ daß mitten in<lb/>
ihrer Armut und Aeng&#x017F;ten: dan-<lb/>
noch die aller a&#x0364;rm&#x017F;te/ unza&#x0364;hlich viel<lb/>
Schand und La&#x017F;ter begehen?</hi></p><lb/>
        <p>Endlich bleibt es nochmal dabey: Gott<lb/>
la&#x0364;ßt Reichen und Armen/ Hohen und Ni-<lb/>
dern ihren freyen Willen/ den er ihnen nit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nehmen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0342] Das Neunte Capitel. Etwan. Dann es iſt ein anzeig eines zweif- fels/ und/ wie der Reichtnm/ die Ehr/ das Anſehen/ und dergleichen keinen verdam̃t: Alſo macht auch die Armut/ die geringe Ehr/ die Verachtung keinen ſeelig/ und kan einer auch in ſeiner groͤſten Armut verdam̃t wer- den; wie es dann oft ſo gehet/ daß die aͤrm- ſte die Loͤſeſte Leut ſind/ und haben ſie nicht die Gelegenheit zu allen ſolchen Sünden/ die die Reichen begehen: haben ſie andere Gelegenheit zu andern Suͤnden/ die ja ſo wol verdammen und in die Hoͤlle bringen koͤnnen. Der ſuͤſſe Redner Chryſoſtomus ſagt gar ſchoͤn: (*) Annon vides & men- dicornm plurimos, inter preſſuras ipſas & anguſtias innumera perpetrare ſcelera? Das iſt: Siheſtu nicht/ daß mitten in ihrer Armut und Aengſten: dan- noch die aller aͤrmſte/ unzaͤhlich viel Schand und Laſter begehen? Endlich bleibt es nochmal dabey: Gott laͤßt Reichen und Armen/ Hohen und Ni- dern ihren freyen Willen/ den er ihnen nit nehmen (*) Chryſoſt. L. I. de Provid. ad Stagir. monach. c. V III. e.d.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656/342
Zitationshilfe: Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656/342>, abgerufen am 23.12.2024.