W. S. G. E.: Acten-mäßige und Umständliche Relation von denen Vampiren oder Menschen-Saugern, Welche sich in diesem und vorigen Jahren, im Königreich Servien herfürgethan. Leipzig, 1732.Zur Erläuterung dessen, wird dem curiösen Leser nicht verdrießlich fallen, eine Historie, welche sich hieher schickt und zu Zeiten des offt erwehnten Roberdi Flud, zugetragen, anzuhören: Es hatte einer zu Paris, nicht weit von le Temple, die Chymische Anatomie des Blutes unternommen, und hiezu das Blut, so aus vieler Leute Armen gelassen war, und er von einen seiner Freunde bekommen hatte, 2. Jahr lang in einen wohlvermachten Topff, putrecren lassen. Den Anfang zu seiner Operation, machte er an einen Sonnabend ohngefehr um 9. Uhr; die gantze Woche über hielte er, gehöriger massen unterschiedene Gradus vom Feuer, und setzte also sein Vorhaben beständig fort. Am folgenden Freytag zu Mitternacht, als dieser Laborante, oben im Hause in seinen Zimmer, so gleich an seinem Laboratorio war, auf den Bette lage und schlummerte, und der Mond gantz helle in das Zimmer schiene, entstunde plötzlich ein grausames Brüllen, so eines Ochsen oder Löwens Brüllen nicht ungleich, worüber der Laborante so erschrack, daß ihm an gantzen Leib ein kalter Schweiß ausbrach: Er lag daher im Bette gantz still und rührte sich nicht. Zur Erläuterung dessen, wird dem curiösen Leser nicht verdrießlich fallen, eine Historie, welche sich hieher schickt und zu Zeiten des offt erwehnten Roberdi Flud, zugetragen, anzuhören: Es hatte einer zu Paris, nicht weit von le Temple, die Chymische Anatomie des Blutes unternommen, und hiezu das Blut, so aus vieler Leute Armen gelassen war, und er von einen seiner Freunde bekommen hatte, 2. Jahr lang in einen wohlvermachten Topff, putrecren lassen. Den Anfang zu seiner Operation, machte er an einen Sonnabend ohngefehr um 9. Uhr; die gantze Woche über hielte er, gehöriger massen unterschiedene Gradus vom Feuer, und setzte also sein Vorhaben beständig fort. Am folgenden Freytag zu Mitternacht, als dieser Laborante, oben im Hause in seinen Zimmer, so gleich an seinem Laboratorio war, auf den Bette lage und schlummerte, und der Mond gantz helle in das Zimmer schiene, entstunde plötzlich ein grausames Brüllen, so eines Ochsen oder Löwens Brüllen nicht ungleich, worüber der Laborante so erschrack, daß ihm an gantzen Leib ein kalter Schweiß ausbrach: Er lag daher im Bette gantz still und rührte sich nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0044" n="44"/> Zur Erläuterung dessen, wird dem <hi rendition="#aq">curiö</hi>sen Leser nicht verdrießlich fallen, eine Historie, welche sich hieher schickt und zu Zeiten des offt erwehnten <hi rendition="#aq">Roberdi Flud</hi>, zugetragen, anzuhören: Es hatte einer zu Paris, nicht weit von <hi rendition="#aq">le Temple</hi>, die <hi rendition="#aq">Chymische Anatomie</hi> des Blutes unternommen, und hiezu das Blut, so aus vieler Leute Armen gelassen war, und er von einen seiner Freunde bekommen hatte, 2. Jahr lang in einen wohlvermachten Topff, <hi rendition="#aq">putrecren</hi> lassen. Den Anfang zu seiner <hi rendition="#aq">Operation</hi>, machte er an einen Sonnabend ohngefehr um 9. Uhr; die gantze Woche über hielte er, gehöriger massen unterschiedene <hi rendition="#aq">Gradus</hi> vom Feuer, und setzte also sein Vorhaben beständig fort. Am folgenden Freytag zu Mitternacht, als dieser <hi rendition="#aq">Laboran</hi>te, oben im Hause in seinen Zimmer, so gleich an seinem <hi rendition="#aq">Laboratorio</hi> war, auf den Bette lage und schlummerte, und der Mond gantz helle in das Zimmer schiene, entstunde plötzlich ein grausames Brüllen, so eines Ochsen oder Löwens Brüllen nicht ungleich, worüber der <hi rendition="#aq">Laboran</hi>te so erschrack, daß ihm an gantzen Leib ein kalter Schweiß ausbrach: Er lag daher im Bette gantz still und rührte sich nicht. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0044]
Zur Erläuterung dessen, wird dem curiösen Leser nicht verdrießlich fallen, eine Historie, welche sich hieher schickt und zu Zeiten des offt erwehnten Roberdi Flud, zugetragen, anzuhören: Es hatte einer zu Paris, nicht weit von le Temple, die Chymische Anatomie des Blutes unternommen, und hiezu das Blut, so aus vieler Leute Armen gelassen war, und er von einen seiner Freunde bekommen hatte, 2. Jahr lang in einen wohlvermachten Topff, putrecren lassen. Den Anfang zu seiner Operation, machte er an einen Sonnabend ohngefehr um 9. Uhr; die gantze Woche über hielte er, gehöriger massen unterschiedene Gradus vom Feuer, und setzte also sein Vorhaben beständig fort. Am folgenden Freytag zu Mitternacht, als dieser Laborante, oben im Hause in seinen Zimmer, so gleich an seinem Laboratorio war, auf den Bette lage und schlummerte, und der Mond gantz helle in das Zimmer schiene, entstunde plötzlich ein grausames Brüllen, so eines Ochsen oder Löwens Brüllen nicht ungleich, worüber der Laborante so erschrack, daß ihm an gantzen Leib ein kalter Schweiß ausbrach: Er lag daher im Bette gantz still und rührte sich nicht.
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Zitationshilfe: | W. S. G. E.: Acten-mäßige und Umständliche Relation von denen Vampiren oder Menschen-Saugern, Welche sich in diesem und vorigen Jahren, im Königreich Servien herfürgethan. Leipzig, 1732, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wsge_vampyr2_1732/44>, abgerufen am 16.02.2025. |