Mörder nur als ein Verwundter frey gelassen werden kan, so mögen die Medici erwegen, daß sie in Schuld sind, wenn der Unschuldige ge- tödtet wird, und der Schuldige straflos davon gehet, welches beydes doch sehr groß ist, und ohne sonderliche Verletzung des Gewissens nicht geschehen kan.
Nachdem dieses zum Vorbericht gesetzet, so kommen nun auch die Theile des menschlichen Leibes, als welche in solchen Fällen der Section unterwürffig sind, zum Untersuchen vor. Unter allen solchen ist vornem- lich das Haupt; wie nun kein Theil desselben von Natur sicher ist, wie Fortunat. Fidel. Lib. IV. Sect. II. cap. 6. wohl judiciret, so mag auch keine Wunde des Haupts für geringe gehalten werden; iedennoch aber kommt in Betrachtung der Lethalität ein sonderlicher und mercklicher Unterscheid bey denenselben vor. Gleichwie aber nur diejenigen Wun- den an und für sich simpliciter und absolute tödtlich genannt werden, welche sich aller Cur und Hülffe entziehen, und in kurtzem das Leben nehmen, also werden auch nur diejenigen Wunden des Haupts per se lethal genannt, welche tieff in die innerlichen Theile gedrungen, den cir- culirenden Säfften und Geistern den Weg verhauen, und die Hülffe des Medici und Chirurgi gäntzlich vernichten. Jm Gegentheil sind die obenhin geschehene und gleichsam noch in der Rinde steckende Wun- den nicht eben so lethal zu nennen, angesehen die tägliche Praxis bezeu- get, daß sie öffters curiret worden sind, und obgleich auch der Musculus temporalis verletzet worden, so wird doch nicht ein simpliciter lethale vulnus daraus, wie D. Bohn. in renunciat. vuln. lethal. Sect. II. cap. I. p. 176. sq. recht lehret. So sind auch nicht die Fracturae cranii abso- lute tödtlich, sie mögen gestochen oder gehauen seyn, ob gleich auch extra- vasirt Blut unter dem Cranio oder zwischen beyden Meningibus stecket, weil es von da durch eine Trepanation, Incision, Venaesection &c. gantz gut und bequem abgeführet werden kan, es wäre denn, daß das Blut entweder gantz fest am Cranio anklebete, oder an den andern Theilen an- hienge, oder daß weder der Medicus noch Chirurgus etwas davon hat wis- sen mögen. Dieses ist auch zu judiciren vom niedergedruckten Cranio, oder wenn es Splitter hat, und zerbrochen worden, weil das Cranium durch be- queme Instrumenta wieder zurecht gesetzet, und die Splitter etc. heraus ge- bracht werden können. Bey Verletzung der Meningum mercken die unerfahr- nen Chirurgi diesen Unterscheid an, indem sie sagen, daß die Wunden der
Durae
VU
Moͤrder nur als ein Verwundter frey gelaſſen werden kan, ſo moͤgen die Medici erwegen, daß ſie in Schuld ſind, wenn der Unſchuldige ge- toͤdtet wird, und der Schuldige ſtraflos davon gehet, welches beydes doch ſehr groß iſt, und ohne ſonderliche Verletzung des Gewiſſens nicht geſchehen kan.
Nachdem dieſes zum Vorbericht geſetzet, ſo kommen nun auch die Theile des menſchlichen Leibes, als welche in ſolchen Faͤllen der Section unterwuͤrffig ſind, zum Unterſuchen vor. Unter allen ſolchen iſt vornem- lich das Haupt; wie nun kein Theil deſſelben von Natur ſicher iſt, wie Fortunat. Fidel. Lib. IV. Sect. II. cap. 6. wohl judiciret, ſo mag auch keine Wunde des Haupts fuͤr geringe gehalten werden; iedennoch aber kommt in Betrachtung der Lethalitaͤt ein ſonderlicher und mercklicher Unterſcheid bey denenſelben vor. Gleichwie aber nur diejenigen Wun- den an und fuͤr ſich ſimpliciter und abſolute toͤdtlich genannt werden, welche ſich aller Cur und Huͤlffe entziehen, und in kurtzem das Leben nehmen, alſo werden auch nur diejenigen Wunden des Haupts per ſe lethal genannt, welche tieff in die innerlichen Theile gedrungen, den cir- culirenden Saͤfften und Geiſtern den Weg verhauen, und die Huͤlffe des Medici und Chirurgi gaͤntzlich vernichten. Jm Gegentheil ſind die obenhin geſchehene und gleichſam noch in der Rinde ſteckende Wun- den nicht eben ſo lethal zu nennen, angeſehen die taͤgliche Praxis bezeu- get, daß ſie oͤffters curiret worden ſind, und obgleich auch der Muſculus temporalis verletzet worden, ſo wird doch nicht ein ſimpliciter lethale vulnus daraus, wie D. Bohn. in renunciat. vuln. lethal. Sect. II. cap. I. p. 176. ſq. recht lehret. So ſind auch nicht die Fracturæ cranii abſo- lute toͤdtlich, ſie moͤgen geſtochen oder gehauen ſeyn, ob gleich auch extra- vaſirt Blut unter dem Cranio oder zwiſchen beyden Meningibus ſtecket, weil es von da durch eine Trepanation, Inciſion, Venæſection &c. gantz gut und bequem abgefuͤhret werden kan, es waͤre denn, daß das Blut entweder gantz feſt am Cranio anklebete, oder an den andern Theilen an- hienge, oder daß weder der Medicus noch Chirurgus etwas davon hat wiſ- ſen moͤgen. Dieſes iſt auch zu judiciren vom niedergedruckten Cranio, oder wenn es Splitter hat, und zerbrochen worden, weil das Cranium durch be- queme Inſtrumenta wieder zurecht geſetzet, und die Splitter ꝛc. heraus ge- bracht werden koͤnnen. Bey Verletzung der Meningum mercken die unerfahr- nen Chirurgi dieſen Unterſcheid an, indem ſie ſagen, daß die Wunden der
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Moͤrder nur als ein Verwundter frey gelaſſen werden kan, ſo moͤgen
die Medici erwegen, daß ſie in Schuld ſind, wenn der Unſchuldige ge-
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doch ſehr groß iſt, und ohne ſonderliche Verletzung des Gewiſſens nicht
geſchehen kan.
Nachdem dieſes zum Vorbericht geſetzet, ſo kommen nun auch die
Theile des menſchlichen Leibes, als welche in ſolchen Faͤllen der Section
unterwuͤrffig ſind, zum Unterſuchen vor. Unter allen ſolchen iſt vornem-
lich das Haupt; wie nun kein Theil deſſelben von Natur ſicher iſt, wie
Fortunat. Fidel. Lib. IV. Sect. II. cap. 6. wohl judiciret, ſo mag auch
keine Wunde des Haupts fuͤr geringe gehalten werden; iedennoch aber
kommt in Betrachtung der Lethalitaͤt ein ſonderlicher und mercklicher
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den an und fuͤr ſich ſimpliciter und abſolute toͤdtlich genannt werden,
welche ſich aller Cur und Huͤlffe entziehen, und in kurtzem das Leben
nehmen, alſo werden auch nur diejenigen Wunden des Haupts per ſe
lethal genannt, welche tieff in die innerlichen Theile gedrungen, den cir-
culirenden Saͤfften und Geiſtern den Weg verhauen, und die Huͤlffe
des Medici und Chirurgi gaͤntzlich vernichten. Jm Gegentheil ſind
die obenhin geſchehene und gleichſam noch in der Rinde ſteckende Wun-
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get, daß ſie oͤffters curiret worden ſind, und obgleich auch der Muſculus
temporalis verletzet worden, ſo wird doch nicht ein ſimpliciter lethale
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vaſirt Blut unter dem Cranio oder zwiſchen beyden Meningibus ſtecket,
weil es von da durch eine Trepanation, Inciſion, Venæſection &c. gantz
gut und bequem abgefuͤhret werden kan, es waͤre denn, daß das Blut
entweder gantz feſt am Cranio anklebete, oder an den andern Theilen an-
hienge, oder daß weder der Medicus noch Chirurgus etwas davon hat wiſ-
ſen moͤgen. Dieſes iſt auch zu judiciren vom niedergedruckten Cranio, oder
wenn es Splitter hat, und zerbrochen worden, weil das Cranium durch be-
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nen Chirurgi dieſen Unterſcheid an, indem ſie ſagen, daß die Wunden der
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Woyt, Johann Jacob: Gazophylacium Medico-Physicum, Oder Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge. 9. Aufl. Leipzig, 1737, S. 1023. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/woyt_gazophylacium_1737/1035>, abgerufen am 22.11.2024.
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