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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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erfährt es ohne Aufhören, in den erhabensten
Wohlthaten: Gott ist die Liebe. Jede erschaff-
ne Creatur um uns her, ruft es uns zu: jeder
Blick unsers Auges, jede Empfindung unsers
Gehörs, jedes Gefühl unsrer Sinne, jeder Ge-
danke unsers Verstandes, jede Neigung unsers
Herzens, zeugt uns dafür: und nachdrücklicher
und rührender noch, ruft er selbst, der Unend-
liche, uns in seinem Worte zu: (Jerem. 31, 3.)
"ich habe dich je und je geliebet."

Von der entferntesten Gränze unsrer Erde
nach Mitternacht, bis wieder zur entgegengesez-
ten Gränze des Mittags; von der tiefsten Kluft
der Erde, in welche Menschen je mit forschenden
Blicken gedrungen sind, bis zur unerreichbarsten
Höhe der Himmel, bei deren Anblick unserm Au-
ge schwindelt; von dem feinsten Sonnenstaube,
der unserm bloßen Auge unsichtbar ist, bis zu
den unermeßlichsten Sonnen; von dem niedrig-
sten Wurme, der nur mit sinnlichem Gefühle
einige Stunden lang lebt, bis zum Menschen, ja
bis zum Erzengel, der mit den erhabensten Ge-
danken und Empfindungen eine gränzenlose Un-
sterblichkeit lebt: -- wohin können wir uns wen-
den, in der ganzen uns bekannten Schöpfung?

wel-



erfährt es ohne Aufhören, in den erhabenſten
Wohlthaten: Gott iſt die Liebe. Jede erſchaff-
ne Creatur um uns her, ruft es uns zu: jeder
Blick unſers Auges, jede Empfindung unſers
Gehörs, jedes Gefühl unſrer Sinne, jeder Ge-
danke unſers Verſtandes, jede Neigung unſers
Herzens, zeugt uns dafür: und nachdrücklicher
und rührender noch, ruft er ſelbſt, der Unend-
liche, uns in ſeinem Worte zu: (Jerem. 31, 3.)
”ich habe dich je und je geliebet.”

Von der entfernteſten Gränze unſrer Erde
nach Mitternacht, bis wieder zur entgegengeſez-
ten Gränze des Mittags; von der tiefſten Kluft
der Erde, in welche Menſchen je mit forſchenden
Blicken gedrungen ſind, bis zur unerreichbarſten
Höhe der Himmel, bei deren Anblick unſerm Au-
ge ſchwindelt; von dem feinſten Sonnenſtaube,
der unſerm bloßen Auge unſichtbar iſt, bis zu
den unermeßlichſten Sonnen; von dem niedrig-
ſten Wurme, der nur mit ſinnlichem Gefühle
einige Stunden lang lebt, bis zum Menſchen, ja
bis zum Erzengel, der mit den erhabenſten Ge-
danken und Empfindungen eine gränzenloſe Un-
ſterblichkeit lebt: — wohin können wir uns wen-
den, in der ganzen uns bekannten Schöpfung?

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[34/0086] erfährt es ohne Aufhören, in den erhabenſten Wohlthaten: Gott iſt die Liebe. Jede erſchaff- ne Creatur um uns her, ruft es uns zu: jeder Blick unſers Auges, jede Empfindung unſers Gehörs, jedes Gefühl unſrer Sinne, jeder Ge- danke unſers Verſtandes, jede Neigung unſers Herzens, zeugt uns dafür: und nachdrücklicher und rührender noch, ruft er ſelbſt, der Unend- liche, uns in ſeinem Worte zu: (Jerem. 31, 3.) ”ich habe dich je und je geliebet.” Von der entfernteſten Gränze unſrer Erde nach Mitternacht, bis wieder zur entgegengeſez- ten Gränze des Mittags; von der tiefſten Kluft der Erde, in welche Menſchen je mit forſchenden Blicken gedrungen ſind, bis zur unerreichbarſten Höhe der Himmel, bei deren Anblick unſerm Au- ge ſchwindelt; von dem feinſten Sonnenſtaube, der unſerm bloßen Auge unſichtbar iſt, bis zu den unermeßlichſten Sonnen; von dem niedrig- ſten Wurme, der nur mit ſinnlichem Gefühle einige Stunden lang lebt, bis zum Menſchen, ja bis zum Erzengel, der mit den erhabenſten Ge- danken und Empfindungen eine gränzenloſe Un- ſterblichkeit lebt: — wohin können wir uns wen- den, in der ganzen uns bekannten Schöpfung? wel-

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/86>, abgerufen am 24.11.2024.