Wo ist auch unter allen Vergnügungen der Sinne und des Herzens, ein leichteres, reineres, seligers Vergnügen, als das uns die Natur ge- währt? Es bedarf dazu keiner weitläuftigen kost- baren Zurüstung, keines Zwanges der Mode, keiner tiefsinnigen Gelehrsamkeit, keiner mühe- vollen Arbeit; der Arme hat es umsonst, und der Begüterte genießt es, seines Vermögens, seiner Pracht, seines Ansehns halber nicht reich- licher und süßer; der tiefsinnige Weise übertrift den Ungelehrten nur an der Menge der Gele- genheiten, sich der Wunder Gottes zu erfreun. Was braucht es sonst, um Gott zu finden, als Augen, zu sehn, und ein Herz, zu fühlen? denn Gottes Sonne leuchtet in den Hütten so helle, wie im Pallaste; der Frühling kleidet die Wiese des Landmanns so gut mit frischem Grün, und treibt seine junge Saat so gut aus der Erde her- vor, wie er die künstlichen Blumen und Blüten in den Lustgärten der Reichen erneuet: die melo- dischen Gesänge der Vögel, das Rauschen der frischen Quelle in den Gründen, die reizenden Aussichten auf Hügeln und in Thälern, die küh- lenden Schatten des Waldes, den Glanz der auf- und niedergehenden Sonne, das sanfte Licht des Mondes, und das Schimmern der leuchten-
den
Wo iſt auch unter allen Vergnügungen der Sinne und des Herzens, ein leichteres, reineres, ſeligers Vergnügen, als das uns die Natur ge- währt? Es bedarf dazu keiner weitläuftigen koſt- baren Zurüſtung, keines Zwanges der Mode, keiner tiefſinnigen Gelehrſamkeit, keiner mühe- vollen Arbeit; der Arme hat es umſonſt, und der Begüterte genießt es, ſeines Vermögens, ſeiner Pracht, ſeines Anſehns halber nicht reich- licher und ſüßer; der tiefſinnige Weiſe übertrift den Ungelehrten nur an der Menge der Gele- genheiten, ſich der Wunder Gottes zu erfreun. Was braucht es ſonſt, um Gott zu finden, als Augen, zu ſehn, und ein Herz, zu fühlen? denn Gottes Sonne leuchtet in den Hütten ſo helle, wie im Pallaſte; der Frühling kleidet die Wieſe des Landmanns ſo gut mit friſchem Grün, und treibt ſeine junge Saat ſo gut aus der Erde her- vor, wie er die künſtlichen Blumen und Blüten in den Luſtgärten der Reichen erneuet: die melo- diſchen Geſänge der Vögel, das Rauſchen der friſchen Quelle in den Gründen, die reizenden Ausſichten auf Hügeln und in Thälern, die küh- lenden Schatten des Waldes, den Glanz der auf- und niedergehenden Sonne, das ſanfte Licht des Mondes, und das Schimmern der leuchten-
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Wo iſt auch unter allen Vergnügungen der
Sinne und des Herzens, ein leichteres, reineres,
ſeligers Vergnügen, als das uns die Natur ge-
währt? Es bedarf dazu keiner weitläuftigen koſt-
baren Zurüſtung, keines Zwanges der Mode,
keiner tiefſinnigen Gelehrſamkeit, keiner mühe-
vollen Arbeit; der Arme hat es umſonſt, und
der Begüterte genießt es, ſeines Vermögens,
ſeiner Pracht, ſeines Anſehns halber nicht reich-
licher und ſüßer; der tiefſinnige Weiſe übertrift
den Ungelehrten nur an der Menge der Gele-
genheiten, ſich der Wunder Gottes zu erfreun.
Was braucht es ſonſt, um Gott zu finden, als
Augen, zu ſehn, und ein Herz, zu fühlen? denn
Gottes Sonne leuchtet in den Hütten ſo helle,
wie im Pallaſte; der Frühling kleidet die Wieſe
des Landmanns ſo gut mit friſchem Grün, und
treibt ſeine junge Saat ſo gut aus der Erde her-
vor, wie er die künſtlichen Blumen und Blüten
in den Luſtgärten der Reichen erneuet: die melo-
diſchen Geſänge der Vögel, das Rauſchen der
friſchen Quelle in den Gründen, die reizenden
Ausſichten auf Hügeln und in Thälern, die küh-
lenden Schatten des Waldes, den Glanz der
auf- und niedergehenden Sonne, das ſanfte Licht
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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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