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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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auch da noch ungerne vom Tode hören; erst,
wenn das zunehmende Alter, und die abnehmen-
den Kräfte, uns nicht mehr an dem hereinbre-
chenden Abend
zweifeln laßen, dann erst fangen
wir an, den Tod etwas näher zu glauben; daß
er aber vor der Thür sey, das läßt sich der ab-
gelebte lebensmüde Greis oft kaum bereden, bis
er in seinen Busem tritt. -- -- Eine Rech-
nung, die nur unsre unmäßige Begierde zum Le-
ben erfunden hat und entschuldigt, zu welcher
uns aber der Herr unsers Lebens so gar nicht be-
rechtigt. Was eigentlich der Morgen, der Mit-
tag
und der Abend in dem Leben eines jeden
Menschen ist: -- wenn es das Maaß seiner
Lebenslänge seyn soll; -- das sollte man billig
erst dann berechnen, wenn er sein Leben beschlos-
sen hat. Der Abend eines Jahres, hat uns,
in dieser Hinsicht betrachtet, dir Ewigkeit, nicht
nur um viele Tage näher, vielleicht bis auf we-
nige
Tage oder Stunden ganz nahe gebracht!
Jene Tage, die der lezte Abend des Jahrs hin-
ter sich zurückestößt, sind nicht mehr, und wer-
den hinfort ewig nicht wieder die unsrigen! die
Ewigkeit allein, liegt noch ganz vor uns: die
Spanne der Lebenszeit, die vor uns liegt, ist
klein, ist vielleicht nur ein Augenblick! Künf-

tig-
Y



auch da noch ungerne vom Tode hören; erſt,
wenn das zunehmende Alter, und die abnehmen-
den Kräfte, uns nicht mehr an dem hereinbre-
chenden Abend
zweifeln laßen, dann erſt fangen
wir an, den Tod etwas näher zu glauben; daß
er aber vor der Thür ſey, das läßt ſich der ab-
gelebte lebensmüde Greis oft kaum bereden, bis
er in ſeinen Buſem tritt. — — Eine Rech-
nung, die nur unſre unmäßige Begierde zum Le-
ben erfunden hat und entſchuldigt, zu welcher
uns aber der Herr unſers Lebens ſo gar nicht be-
rechtigt. Was eigentlich der Morgen, der Mit-
tag
und der Abend in dem Leben eines jeden
Menſchen iſt: — wenn es das Maaß ſeiner
Lebenslänge ſeyn ſoll; — das ſollte man billig
erſt dann berechnen, wenn er ſein Leben beſchloſ-
ſen hat. Der Abend eines Jahres, hat uns,
in dieſer Hinſicht betrachtet, dir Ewigkeit, nicht
nur um viele Tage näher, vielleicht bis auf we-
nige
Tage oder Stunden ganz nahe gebracht!
Jene Tage, die der lezte Abend des Jahrs hin-
ter ſich zurückeſtößt, ſind nicht mehr, und wer-
den hinfort ewig nicht wieder die unſrigen! die
Ewigkeit allein, liegt noch ganz vor uns: die
Spanne der Lebenszeit, die vor uns liegt, iſt
klein, iſt vielleicht nur ein Augenblick! Künf-

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[337/0389] auch da noch ungerne vom Tode hören; erſt, wenn das zunehmende Alter, und die abnehmen- den Kräfte, uns nicht mehr an dem hereinbre- chenden Abend zweifeln laßen, dann erſt fangen wir an, den Tod etwas näher zu glauben; daß er aber vor der Thür ſey, das läßt ſich der ab- gelebte lebensmüde Greis oft kaum bereden, bis er in ſeinen Buſem tritt. — — Eine Rech- nung, die nur unſre unmäßige Begierde zum Le- ben erfunden hat und entſchuldigt, zu welcher uns aber der Herr unſers Lebens ſo gar nicht be- rechtigt. Was eigentlich der Morgen, der Mit- tag und der Abend in dem Leben eines jeden Menſchen iſt: — wenn es das Maaß ſeiner Lebenslänge ſeyn ſoll; — das ſollte man billig erſt dann berechnen, wenn er ſein Leben beſchloſ- ſen hat. Der Abend eines Jahres, hat uns, in dieſer Hinſicht betrachtet, dir Ewigkeit, nicht nur um viele Tage näher, vielleicht bis auf we- nige Tage oder Stunden ganz nahe gebracht! Jene Tage, die der lezte Abend des Jahrs hin- ter ſich zurückeſtößt, ſind nicht mehr, und wer- den hinfort ewig nicht wieder die unſrigen! die Ewigkeit allein, liegt noch ganz vor uns: die Spanne der Lebenszeit, die vor uns liegt, iſt klein, iſt vielleicht nur ein Augenblick! Künf- tig- Y

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/389>, abgerufen am 24.11.2024.