Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.Freunde nichts über sie vermögen. Endlich, ge- setzt, unsre Freunde wären immer mächtig und thätig genug zur Hülfe; sie wären immer im Stande, dem Dürftigen reiches Brodt, dem Un- terdrückten Gerechtigkeit, dem verkannten Ver- dienstvollen ein Ehrenamt, dem Kranken Linde- rung, dem Sterbenden Rückkehr ins Leben, je- dem Traurigen Ruhe und Befriedigung zu ge- währen; und thäten es gern, mit der liebreich- sten Fürsorge für uns: würden sie in der That immer gut für uns sorgen? Sind sie doch Men- schen, die immer nur auf den gegenwärtigen Au- genblick, nicht in die Zukunft, nicht in die Ewig- keit sehn? Würden sie nicht, dann zur Unzeit, dann durch verkehrte Mittel, dann unbillig, dann ohne Maaße helfen; mehr schaden, als glücklich machen? Ach, so wenig ist Menschenhülfe be- ständig, und zuversichtlich, und weise! Unsre gewißeste beste Hülfe kommt von dem Herrn unserm Gott, der Himmel und Erde gemacht hat; nicht immer die Hülfe, welche wir wün- schen, und für die beste halten, sondern die, welche sein Rath uns ausersah, in Zeit und Ewigkeit die dienlichste. Jhm ists ein geringes, dem Armen Brodt zu geben; die unterdrückte Gerechtigkeit obsiegen zu laßen; alle Feindschaft und
Freunde nichts über ſie vermögen. Endlich, ge- ſetzt, unſre Freunde wären immer mächtig und thätig genug zur Hülfe; ſie wären immer im Stande, dem Dürftigen reiches Brodt, dem Un- terdrückten Gerechtigkeit, dem verkannten Ver- dienſtvollen ein Ehrenamt, dem Kranken Linde- rung, dem Sterbenden Rückkehr ins Leben, je- dem Traurigen Ruhe und Befriedigung zu ge- währen; und thäten es gern, mit der liebreich- ſten Fürſorge für uns: würden ſie in der That immer gut für uns ſorgen? Sind ſie doch Men- ſchen, die immer nur auf den gegenwärtigen Au- genblick, nicht in die Zukunft, nicht in die Ewig- keit ſehn? Würden ſie nicht, dann zur Unzeit, dann durch verkehrte Mittel, dann unbillig, dann ohne Maaße helfen; mehr ſchaden, als glücklich machen? Ach, ſo wenig iſt Menſchenhülfe be- ſtändig, und zuverſichtlich, und weiſe! Unſre gewißeſte beſte Hülfe kommt von dem Herrn unſerm Gott, der Himmel und Erde gemacht hat; nicht immer die Hülfe, welche wir wün- ſchen, und für die beſte halten, ſondern die, welche ſein Rath uns auserſah, in Zeit und Ewigkeit die dienlichſte. Jhm iſts ein geringes, dem Armen Brodt zu geben; die unterdrückte Gerechtigkeit obſiegen zu laßen; alle Feindſchaft und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0280" n="228"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Freunde nichts über ſie vermögen. Endlich, ge-<lb/> ſetzt, unſre Freunde wären immer mächtig und<lb/> thätig genug zur Hülfe; ſie wären immer im<lb/> Stande, dem Dürftigen reiches Brodt, dem Un-<lb/> terdrückten Gerechtigkeit, dem verkannten Ver-<lb/> dienſtvollen ein Ehrenamt, dem Kranken Linde-<lb/> rung, dem Sterbenden Rückkehr ins Leben, je-<lb/> dem Traurigen Ruhe und Befriedigung zu ge-<lb/> währen; und thäten es gern, mit der liebreich-<lb/> ſten Fürſorge für uns: würden ſie in der That<lb/> immer <hi rendition="#fr">gut</hi> für uns ſorgen? Sind ſie doch Men-<lb/> ſchen, die immer nur auf den gegenwärtigen Au-<lb/> genblick, nicht in die Zukunft, nicht in die Ewig-<lb/> keit ſehn? Würden ſie nicht, dann zur Unzeit,<lb/> dann durch verkehrte Mittel, dann unbillig, dann<lb/> ohne Maaße helfen; mehr ſchaden, als glücklich<lb/> machen? Ach, ſo wenig iſt Menſchenhülfe be-<lb/> ſtändig, und zuverſichtlich, und weiſe! Unſre<lb/> gewißeſte beſte Hülfe kommt <hi rendition="#fr">von dem Herrn<lb/> unſerm Gott, der Himmel und Erde gemacht<lb/> hat;</hi> nicht immer die Hülfe, welche wir wün-<lb/> ſchen, und für die beſte halten, ſondern die,<lb/> welche ſein Rath uns auserſah, in Zeit und<lb/> Ewigkeit die <hi rendition="#fr">dienlichſte.</hi> Jhm iſts ein geringes,<lb/> dem Armen Brodt zu geben; die unterdrückte<lb/> Gerechtigkeit obſiegen zu laßen; alle Feindſchaft<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0280]
Freunde nichts über ſie vermögen. Endlich, ge-
ſetzt, unſre Freunde wären immer mächtig und
thätig genug zur Hülfe; ſie wären immer im
Stande, dem Dürftigen reiches Brodt, dem Un-
terdrückten Gerechtigkeit, dem verkannten Ver-
dienſtvollen ein Ehrenamt, dem Kranken Linde-
rung, dem Sterbenden Rückkehr ins Leben, je-
dem Traurigen Ruhe und Befriedigung zu ge-
währen; und thäten es gern, mit der liebreich-
ſten Fürſorge für uns: würden ſie in der That
immer gut für uns ſorgen? Sind ſie doch Men-
ſchen, die immer nur auf den gegenwärtigen Au-
genblick, nicht in die Zukunft, nicht in die Ewig-
keit ſehn? Würden ſie nicht, dann zur Unzeit,
dann durch verkehrte Mittel, dann unbillig, dann
ohne Maaße helfen; mehr ſchaden, als glücklich
machen? Ach, ſo wenig iſt Menſchenhülfe be-
ſtändig, und zuverſichtlich, und weiſe! Unſre
gewißeſte beſte Hülfe kommt von dem Herrn
unſerm Gott, der Himmel und Erde gemacht
hat; nicht immer die Hülfe, welche wir wün-
ſchen, und für die beſte halten, ſondern die,
welche ſein Rath uns auserſah, in Zeit und
Ewigkeit die dienlichſte. Jhm iſts ein geringes,
dem Armen Brodt zu geben; die unterdrückte
Gerechtigkeit obſiegen zu laßen; alle Feindſchaft
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/280 |
Zitationshilfe: | Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/280>, abgerufen am 28.06.2024. |