Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.ten die seligsten Freuden theilte, nahm sie zu Be- gleitern in seine traurigsten Stunden. Wohl dem Bekümmerten! der nach einen Vertrauten um sich sieht, in dessen Schooß er seinen gehei- men Kummer ausschütten, und sich seines Mit- leids freun darf: Wohl dem Armen; dem Unter- drückten! der durch Fleiß und Tugend, oder durch thränenvolle Klagen, noch Mitleid bei menschenfreundlichen Herzen, noch in manchen Augenblicken des Hungers Sättigung, und vor mancher Beleidigung Schutz findet: Wohl dem Kranken und Sterbenden! dem die zärtliche Hand eines treuen Freundes die lezte Pflege reicht, sein Zuspruch den lezten Trost ins Herz ruft: Wohl dem Jrrenden und Fehlenden, und Zweifelnden! den ein freundschaftlicher Rath be- lehrt, bessert und beruhigt. Aber oft versagen uns Menschen ihren Beistand, wo wir am ge- wißesten auf ihn Rechnung machten. -- Petrus, in einem Augenblick voll Unerschrockenheit gegen Bande, voll Muth gegen den Tod; entschlum- mert, da sein Freund Trost von ihm begehrt, und hätt es nicht erfahren, wenn dieser unter- deß gewaltsam ermordet wäre; er wankt bald nachher, bei dem bloßen Anschein der Gefahr, und verleugnet seinen Herrn: -- Wie oft ei- len P
ten die ſeligſten Freuden theilte, nahm ſie zu Be- gleitern in ſeine traurigſten Stunden. Wohl dem Bekümmerten! der nach einen Vertrauten um ſich ſieht, in deſſen Schooß er ſeinen gehei- men Kummer ausſchütten, und ſich ſeines Mit- leids freun darf: Wohl dem Armen; dem Unter- drückten! der durch Fleiß und Tugend, oder durch thränenvolle Klagen, noch Mitleid bei menſchenfreundlichen Herzen, noch in manchen Augenblicken des Hungers Sättigung, und vor mancher Beleidigung Schutz findet: Wohl dem Kranken und Sterbenden! dem die zärtliche Hand eines treuen Freundes die lezte Pflege reicht, ſein Zuſpruch den lezten Troſt ins Herz ruft: Wohl dem Jrrenden und Fehlenden, und Zweifelnden! den ein freundſchaftlicher Rath be- lehrt, beſſert und beruhigt. Aber oft verſagen uns Menſchen ihren Beiſtand, wo wir am ge- wißeſten auf ihn Rechnung machten. — Petrus, in einem Augenblick voll Unerſchrockenheit gegen Bande, voll Muth gegen den Tod; entſchlum- mert, da ſein Freund Troſt von ihm begehrt, und hätt es nicht erfahren, wenn dieſer unter- deß gewaltſam ermordet wäre; er wankt bald nachher, bei dem bloßen Anſchein der Gefahr, und verleugnet ſeinen Herrn: — Wie oft ei- len P
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ten die ſeligſten Freuden theilte, nahm ſie zu Be-
gleitern in ſeine traurigſten Stunden. Wohl
dem Bekümmerten! der nach einen Vertrauten
um ſich ſieht, in deſſen Schooß er ſeinen gehei-
men Kummer ausſchütten, und ſich ſeines Mit-
leids freun darf: Wohl dem Armen; dem Unter-
drückten! der durch Fleiß und Tugend, oder
durch thränenvolle Klagen, noch Mitleid bei
menſchenfreundlichen Herzen, noch in manchen
Augenblicken des Hungers Sättigung, und vor
mancher Beleidigung Schutz findet: Wohl dem
Kranken und Sterbenden! dem die zärtliche
Hand eines treuen Freundes die lezte Pflege
reicht, ſein Zuſpruch den lezten Troſt ins Herz
ruft: Wohl dem Jrrenden und Fehlenden, und
Zweifelnden! den ein freundſchaftlicher Rath be-
lehrt, beſſert und beruhigt. Aber oft verſagen
uns Menſchen ihren Beiſtand, wo wir am ge-
wißeſten auf ihn Rechnung machten. — Petrus,
in einem Augenblick voll Unerſchrockenheit gegen
Bande, voll Muth gegen den Tod; entſchlum-
mert, da ſein Freund Troſt von ihm begehrt,
und hätt es nicht erfahren, wenn dieſer unter-
deß gewaltſam ermordet wäre; er wankt bald
nachher, bei dem bloßen Anſchein der Gefahr,
und verleugnet ſeinen Herrn: — Wie oft ei-
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