Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



&q;da stehn; ohne Zeugen meiner Unschuld, von
&q;hämischen Verleumdern, und erkauften falschen
&q;Zeugen, vor dem grausamen Blutgerichte rach-
&q;gieriger Feinde verklagt, verurtheilt, der Mar-
&q;ter und dem Tode übergeben. Schrecken, und
&q;Mitleid und untröstbare Bekümmerniß, wird
&q;dann das Herz der armen Freunde zerreißen;
&q;mit blutigen Thränen werden sie mir zum Gol-
&q;gatha folgen; bange wird ihr Auge zu mir ans
&q;Creuz hinaufsehn! mein Tod, wird ihnen ei-
&q;ne Schreckensbotschaft seyn, mein Grab ihre
&q;lezte Hoffnung vernichten!" -- Trauervolle
Ahndungen für das freundschaftliche Herz des
Erlösers! Die Freuden und Tröstungen der Erde
hatten ihn ganz verlaßen, und die Aussicht in
den Himmel und seine seligen Bewohner, ward
seinem von der Last der Bekümmerniß niederge-
beugtem Herzen schwer: er vergaß Himmel und
Erde, und hielt sich an Gott. "Jsts nicht mög-
&q;lich, mein Vater?"
betet er zum zweitenmale:
&q;daß dieser Kelch vor mir vorübergehe? "Jm-
mer aber bleibt sein gebeugtes Herz voll Ergebung
in den Willen seines Vaters: "Muß ich ihn
&q;trinken; so geschehe dein Wille!"
Er sieht sich
nach seinen Freunden um: aber sie schlummern
wie vorhin, und können sich mit der grösten Be-

mü-



&q;da ſtehn; ohne Zeugen meiner Unſchuld, von
&q;hämiſchen Verleumdern, und erkauften falſchen
&q;Zeugen, vor dem grauſamen Blutgerichte rach-
&q;gieriger Feinde verklagt, verurtheilt, der Mar-
&q;ter und dem Tode übergeben. Schrecken, und
&q;Mitleid und untröſtbare Bekümmerniß, wird
&q;dann das Herz der armen Freunde zerreißen;
&q;mit blutigen Thränen werden ſie mir zum Gol-
&q;gatha folgen; bange wird ihr Auge zu mir ans
&q;Creuz hinaufſehn! mein Tod, wird ihnen ei-
&q;ne Schreckensbotſchaft ſeyn, mein Grab ihre
&q;lezte Hoffnung vernichten!“ — Trauervolle
Ahndungen für das freundſchaftliche Herz des
Erlöſers! Die Freuden und Tröſtungen der Erde
hatten ihn ganz verlaßen, und die Ausſicht in
den Himmel und ſeine ſeligen Bewohner, ward
ſeinem von der Laſt der Bekümmerniß niederge-
beugtem Herzen ſchwer: er vergaß Himmel und
Erde, und hielt ſich an Gott. “Jſts nicht mög-
&q;lich, mein Vater?“
betet er zum zweitenmale:
&q;daß dieſer Kelch vor mir vorübergehe? “Jm-
mer aber bleibt ſein gebeugtes Herz voll Ergebung
in den Willen ſeines Vaters: “Muß ich ihn
&q;trinken; ſo geſchehe dein Wille!“
Er ſieht ſich
nach ſeinen Freunden um: aber ſie ſchlummern
wie vorhin, und können ſich mit der gröſten Be-

mü-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="220"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&amp;q;da &#x017F;tehn; ohne Zeugen meiner Un&#x017F;chuld, von<lb/>
&amp;q;hämi&#x017F;chen Verleumdern, und erkauften fal&#x017F;chen<lb/>
&amp;q;Zeugen, vor dem grau&#x017F;amen Blutgerichte rach-<lb/>
&amp;q;gieriger Feinde verklagt, verurtheilt, der Mar-<lb/>
&amp;q;ter und dem Tode übergeben. Schrecken, und<lb/>
&amp;q;Mitleid und untrö&#x017F;tbare Bekümmerniß, wird<lb/>
&amp;q;dann das Herz der armen Freunde zerreißen;<lb/>
&amp;q;mit blutigen Thränen werden &#x017F;ie mir zum Gol-<lb/>
&amp;q;gatha folgen; bange wird ihr Auge zu mir ans<lb/>
&amp;q;Creuz hinauf&#x017F;ehn! mein Tod, wird ihnen ei-<lb/>
&amp;q;ne Schreckensbot&#x017F;chaft &#x017F;eyn, mein Grab ihre<lb/>
&amp;q;lezte Hoffnung vernichten!&#x201C; &#x2014; Trauervolle<lb/>
Ahndungen für das freund&#x017F;chaftliche Herz des<lb/>
Erlö&#x017F;ers! Die Freuden und Trö&#x017F;tungen der Erde<lb/>
hatten ihn ganz verlaßen, und die Aus&#x017F;icht in<lb/>
den Himmel und &#x017F;eine &#x017F;eligen Bewohner, ward<lb/>
&#x017F;einem von der La&#x017F;t der Bekümmerniß niederge-<lb/>
beugtem Herzen &#x017F;chwer: er vergaß Himmel und<lb/>
Erde, und hielt &#x017F;ich an Gott. <hi rendition="#fr">&#x201C;J&#x017F;ts nicht mög-<lb/>
&amp;q;lich, mein Vater?&#x201C;</hi> betet er zum zweitenmale:<lb/><hi rendition="#fr">&amp;q;daß die&#x017F;er Kelch vor mir vorübergehe?</hi> &#x201C;Jm-<lb/>
mer aber bleibt &#x017F;ein gebeugtes Herz voll Ergebung<lb/>
in den Willen &#x017F;eines Vaters: <hi rendition="#fr">&#x201C;Muß ich ihn<lb/>
&amp;q;trinken; &#x017F;o ge&#x017F;chehe dein Wille!&#x201C;</hi> Er &#x017F;ieht &#x017F;ich<lb/>
nach &#x017F;einen Freunden um: aber &#x017F;ie &#x017F;chlummern<lb/>
wie vorhin, und können &#x017F;ich mit der grö&#x017F;ten Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mü-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0272] &q;da ſtehn; ohne Zeugen meiner Unſchuld, von &q;hämiſchen Verleumdern, und erkauften falſchen &q;Zeugen, vor dem grauſamen Blutgerichte rach- &q;gieriger Feinde verklagt, verurtheilt, der Mar- &q;ter und dem Tode übergeben. Schrecken, und &q;Mitleid und untröſtbare Bekümmerniß, wird &q;dann das Herz der armen Freunde zerreißen; &q;mit blutigen Thränen werden ſie mir zum Gol- &q;gatha folgen; bange wird ihr Auge zu mir ans &q;Creuz hinaufſehn! mein Tod, wird ihnen ei- &q;ne Schreckensbotſchaft ſeyn, mein Grab ihre &q;lezte Hoffnung vernichten!“ — Trauervolle Ahndungen für das freundſchaftliche Herz des Erlöſers! Die Freuden und Tröſtungen der Erde hatten ihn ganz verlaßen, und die Ausſicht in den Himmel und ſeine ſeligen Bewohner, ward ſeinem von der Laſt der Bekümmerniß niederge- beugtem Herzen ſchwer: er vergaß Himmel und Erde, und hielt ſich an Gott. “Jſts nicht mög- &q;lich, mein Vater?“ betet er zum zweitenmale: &q;daß dieſer Kelch vor mir vorübergehe? “Jm- mer aber bleibt ſein gebeugtes Herz voll Ergebung in den Willen ſeines Vaters: “Muß ich ihn &q;trinken; ſo geſchehe dein Wille!“ Er ſieht ſich nach ſeinen Freunden um: aber ſie ſchlummern wie vorhin, und können ſich mit der gröſten Be- mü-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/272
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/272>, abgerufen am 25.11.2024.