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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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&q;zu dieser Ruhe von der Mühe, dem Schmerz
&q;und den Leiden, sind die Todten eingegangen,
&q;die im lezten Frieden schlummern: zu dieser
&q;Ruhe werden auch mich einst, am Feyerabend
&q;meines Lebens, diese stille Friedenvolle Behau-
&q;sungen, fern von aller Mühseligkeit, aufneh-
&q;men!" Sind denn diese Empfindungen viel-
leicht blos angenehme täuschende Vorstellungen
unsrer sinnlichen Einbildungskraft? oder, sind
es gewiße selige Hoffnungen? -- Komt es hier
nur auf die Hoffnung der sinnlichen Ruhe des
entseelten Leibes im Grabe an? Die sehn wir an
der Grabstätte jedes unsrer entschlafnen Neben-
menschen erfüllt; und wer von uns darf zwei-
feln, daß er auch einst zu derselben gelangen
werde? Sobald der Tod die Sterbenden aus
den Wohnungen der Lebendigen entführt, von
der menschlichen Gesellschaft auf immer geschie-
den, und zu allen Geschäften unthätig gemacht
hat; sind sie ja dadurch aller Bürden dieser Erde
entladen: ihr Auge weint keine Thräne mehr,
ihr Ohr wird durch keine Schmachrede der Nach-
bleibenden gedrükt, keine Gewaltthätigkeit gegen
ihren verblichnen Leichnam verursacht ihnen
Schmerz; die schwüle Hitze des Tags gehe über
ihren Gräbern auf, Stürme und Ungewitter,

Kriege



&q;zu dieſer Ruhe von der Mühe, dem Schmerz
&q;und den Leiden, ſind die Todten eingegangen,
&q;die im lezten Frieden ſchlummern: zu dieſer
&q;Ruhe werden auch mich einſt, am Feyerabend
&q;meines Lebens, dieſe ſtille Friedenvolle Behau-
&q;ſungen, fern von aller Mühſeligkeit, aufneh-
&q;men!“ Sind denn dieſe Empfindungen viel-
leicht blos angenehme täuſchende Vorſtellungen
unſrer ſinnlichen Einbildungskraft? oder, ſind
es gewiße ſelige Hoffnungen? — Komt es hier
nur auf die Hoffnung der ſinnlichen Ruhe des
entſeelten Leibes im Grabe an? Die ſehn wir an
der Grabſtätte jedes unſrer entſchlafnen Neben-
menſchen erfüllt; und wer von uns darf zwei-
feln, daß er auch einſt zu derſelben gelangen
werde? Sobald der Tod die Sterbenden aus
den Wohnungen der Lebendigen entführt, von
der menſchlichen Geſellſchaft auf immer geſchie-
den, und zu allen Geſchäften unthätig gemacht
hat; ſind ſie ja dadurch aller Bürden dieſer Erde
entladen: ihr Auge weint keine Thräne mehr,
ihr Ohr wird durch keine Schmachrede der Nach-
bleibenden gedrükt, keine Gewaltthätigkeit gegen
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[146/0198] &q;zu dieſer Ruhe von der Mühe, dem Schmerz &q;und den Leiden, ſind die Todten eingegangen, &q;die im lezten Frieden ſchlummern: zu dieſer &q;Ruhe werden auch mich einſt, am Feyerabend &q;meines Lebens, dieſe ſtille Friedenvolle Behau- &q;ſungen, fern von aller Mühſeligkeit, aufneh- &q;men!“ Sind denn dieſe Empfindungen viel- leicht blos angenehme täuſchende Vorſtellungen unſrer ſinnlichen Einbildungskraft? oder, ſind es gewiße ſelige Hoffnungen? — Komt es hier nur auf die Hoffnung der ſinnlichen Ruhe des entſeelten Leibes im Grabe an? Die ſehn wir an der Grabſtätte jedes unſrer entſchlafnen Neben- menſchen erfüllt; und wer von uns darf zwei- feln, daß er auch einſt zu derſelben gelangen werde? Sobald der Tod die Sterbenden aus den Wohnungen der Lebendigen entführt, von der menſchlichen Geſellſchaft auf immer geſchie- den, und zu allen Geſchäften unthätig gemacht hat; ſind ſie ja dadurch aller Bürden dieſer Erde entladen: ihr Auge weint keine Thräne mehr, ihr Ohr wird durch keine Schmachrede der Nach- bleibenden gedrükt, keine Gewaltthätigkeit gegen ihren verblichnen Leichnam verurſacht ihnen Schmerz; die ſchwüle Hitze des Tags gehe über ihren Gräbern auf, Stürme und Ungewitter, Kriege

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/198>, abgerufen am 25.07.2024.