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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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XII.
Ebr. 4, 9.
Es ist noch eine Rube dem Volke Gottes vorhanden.



Ruhe: das ist, die seligste Freiheit von alle
dem, was Schmerz und Verlust, Sorge und Lei-
den heißt, und der genügendste Ueberfluß alles
dessen, was sich unser Herz frohes und seliges
wünscht: Ruhe: dieser Lieblingsgedanke; dieser
lezte und höchste Wunsch unsers Herzens; dieses
Ziel aller unsrer Arbeit, und Sorgen, und Bemü-
hungen: Ruhe, ist das gewöhnliche Bild, unter
dem wir uns Tod und Grab denken, um es
uns von der angenehmsten Seite vorzustellen.
In diesem Bilde haben Serbebetten und Gräber
nichts schreckliches für uns. Wir denken es uns
sogar mit sanftem Vergnügen, das ruhige ge-
schlossene Auge, die sanfte, nie mehr verzogne,
sich immer gleiche Miene, die unbeweglichen,
zu keiner Arbeit mehr angestrengten Glieder des
Sterbenden: besuchen dann und wann mit der
angenehmsten Empfindung die Grabstätten, am
liebsten an stillen einsamen Oertern, weil sie das
Bild der weitsten Entfernung von allem Geräusch,
und aller Störung der Ruhe, am lebhaftsten in

uns


XII.
Ebr. 4, 9.
Es iſt noch eine Rube dem Volke Gottes vorhanden.



Ruhe: das iſt, die ſeligſte Freiheit von alle
dem, was Schmerz und Verluſt, Sorge und Lei-
den heißt, und der genügendſte Ueberfluß alles
deſſen, was ſich unſer Herz frohes und ſeliges
wünſcht: Ruhe: dieſer Lieblingsgedanke; dieſer
lezte und höchſte Wunſch unſers Herzens; dieſes
Ziel aller unſrer Arbeit, und Sorgen, und Bemü-
hungen: Ruhe, iſt das gewöhnliche Bild, unter
dem wir uns Tod und Grab denken, um es
uns von der angenehmſten Seite vorzuſtellen.
In dieſem Bilde haben Serbebetten und Gräber
nichts ſchreckliches für uns. Wir denken es uns
ſogar mit ſanftem Vergnügen, das ruhige ge-
ſchloſſene Auge, die ſanfte, nie mehr verzogne,
ſich immer gleiche Miene, die unbeweglichen,
zu keiner Arbeit mehr angeſtrengten Glieder des
Sterbenden: beſuchen dann und wann mit der
angenehmſten Empfindung die Grabſtätten, am
liebſten an ſtillen einſamen Oertern, weil ſie das
Bild der weitſten Entfernung von allem Geräuſch,
und aller Störung der Ruhe, am lebhaftſten in

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[144/0196] XII. Ebr. 4, 9. Es iſt noch eine Rube dem Volke Gottes vorhanden. Ruhe: das iſt, die ſeligſte Freiheit von alle dem, was Schmerz und Verluſt, Sorge und Lei- den heißt, und der genügendſte Ueberfluß alles deſſen, was ſich unſer Herz frohes und ſeliges wünſcht: Ruhe: dieſer Lieblingsgedanke; dieſer lezte und höchſte Wunſch unſers Herzens; dieſes Ziel aller unſrer Arbeit, und Sorgen, und Bemü- hungen: Ruhe, iſt das gewöhnliche Bild, unter dem wir uns Tod und Grab denken, um es uns von der angenehmſten Seite vorzuſtellen. In dieſem Bilde haben Serbebetten und Gräber nichts ſchreckliches für uns. Wir denken es uns ſogar mit ſanftem Vergnügen, das ruhige ge- ſchloſſene Auge, die ſanfte, nie mehr verzogne, ſich immer gleiche Miene, die unbeweglichen, zu keiner Arbeit mehr angeſtrengten Glieder des Sterbenden: beſuchen dann und wann mit der angenehmſten Empfindung die Grabſtätten, am liebſten an ſtillen einſamen Oertern, weil ſie das Bild der weitſten Entfernung von allem Geräuſch, und aller Störung der Ruhe, am lebhaftſten in uns

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/196>, abgerufen am 25.07.2024.