Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Doch es steht uns allen eine Zeit bevor,
in welcher sich die Barmherzigkeit unsers Gottes
noch weit hülfreicher, wie im ganzen irdischen
Leben, an uns verherrlichen muß: damit wir nicht,
ohne ihr, in den verlaßensten Jammer versinken.
Die Stunde, welche uns unter allen Bedürf-
nißen so erwünscht, so befriedigend schien, und
dennoch, wenn sie kommt, uns viel heißere
ängstlichere Wünsche, als je eine abnöthigt, und
uns bedürftiger als jemals bleiben läßet; die
Stunde, in welcher wir am Rande dieses Lebens
der Unruhe und Mühe, und zugleich, am
Scheidewege der ewigen Unruhe und des
ewigen Friedens
stehn, und den lezten ent-
scheidenden Schritt thun sollen. Unsre müden
Lebenskräfte werden immer ohnmächtiger; die
Erquickungen der Sinne, laben uns immer we-
niger; das unruhige Geräusch der Arbeit dieser
Erde wird wohl stille, und wir entfliehn der
grausamen Gewalt irdischer Leiden, in eine un-
erreichbare Entfernung, auf ewig; aber auch
die Freuden des Lebens fliehn alle ewig weit von
uns. Wir sehn uns über alle Verachtung der
Menschen erhaben; aber auch zugleich von allen
Vorzügen und Schätzen entkleidet: unsre Hütte
vom Staube, versinkt in den Schooß der Erde;

aber

Doch es ſteht uns allen eine Zeit bevor,
in welcher ſich die Barmherzigkeit unſers Gottes
noch weit hülfreicher, wie im ganzen irdiſchen
Leben, an uns verherrlichen muß: damit wir nicht,
ohne ihr, in den verlaßenſten Jammer verſinken.
Die Stunde, welche uns unter allen Bedürf-
nißen ſo erwünſcht, ſo befriedigend ſchien, und
dennoch, wenn ſie kommt, uns viel heißere
ängſtlichere Wünſche, als je eine abnöthigt, und
uns bedürftiger als jemals bleiben läßet; die
Stunde, in welcher wir am Rande dieſes Lebens
der Unruhe und Mühe, und zugleich, am
Scheidewege der ewigen Unruhe und des
ewigen Friedens
ſtehn, und den lezten ent-
ſcheidenden Schritt thun ſollen. Unſre müden
Lebenskräfte werden immer ohnmächtiger; die
Erquickungen der Sinne, laben uns immer we-
niger; das unruhige Geräuſch der Arbeit dieſer
Erde wird wohl ſtille, und wir entfliehn der
grauſamen Gewalt irdiſcher Leiden, in eine un-
erreichbare Entfernung, auf ewig; aber auch
die Freuden des Lebens fliehn alle ewig weit von
uns. Wir ſehn uns über alle Verachtung der
Menſchen erhaben; aber auch zugleich von allen
Vorzügen und Schätzen entkleidet: unſre Hütte
vom Staube, verſinkt in den Schooß der Erde;

aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0180" n="128"/>
        <p>Doch es &#x017F;teht uns allen eine Zeit bevor,<lb/>
in welcher &#x017F;ich die Barmherzigkeit un&#x017F;ers Gottes<lb/>
noch weit hülfreicher, wie im ganzen irdi&#x017F;chen<lb/>
Leben, an uns verherrlichen muß: damit wir nicht,<lb/>
ohne ihr, in den verlaßen&#x017F;ten Jammer ver&#x017F;inken.<lb/>
Die Stunde, welche uns unter allen Bedürf-<lb/>
nißen &#x017F;o erwün&#x017F;cht, &#x017F;o befriedigend &#x017F;chien, und<lb/>
dennoch, wenn &#x017F;ie kommt, uns viel heißere<lb/>
äng&#x017F;tlichere Wün&#x017F;che, als je eine abnöthigt, und<lb/>
uns bedürftiger als jemals bleiben läßet; die<lb/>
Stunde, in welcher wir am Rande die&#x017F;es Lebens<lb/>
der Unruhe und Mühe, und zugleich, am<lb/><hi rendition="#fr">Scheidewege der ewigen Unruhe und des<lb/>
ewigen Friedens</hi> &#x017F;tehn, und den lezten ent-<lb/>
&#x017F;cheidenden Schritt thun &#x017F;ollen. Un&#x017F;re müden<lb/>
Lebenskräfte werden immer ohnmächtiger; die<lb/>
Erquickungen der Sinne, laben uns immer we-<lb/>
niger; das unruhige Geräu&#x017F;ch der Arbeit die&#x017F;er<lb/>
Erde wird wohl &#x017F;tille, und wir entfliehn der<lb/>
grau&#x017F;amen Gewalt irdi&#x017F;cher Leiden, in eine un-<lb/>
erreichbare Entfernung, auf ewig; aber auch<lb/>
die Freuden des Lebens fliehn alle ewig weit von<lb/>
uns. Wir &#x017F;ehn uns über alle Verachtung der<lb/>
Men&#x017F;chen erhaben; aber auch zugleich von allen<lb/>
Vorzügen und Schätzen entkleidet: un&#x017F;re Hütte<lb/>
vom Staube, ver&#x017F;inkt in den Schooß der Erde;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0180] Doch es ſteht uns allen eine Zeit bevor, in welcher ſich die Barmherzigkeit unſers Gottes noch weit hülfreicher, wie im ganzen irdiſchen Leben, an uns verherrlichen muß: damit wir nicht, ohne ihr, in den verlaßenſten Jammer verſinken. Die Stunde, welche uns unter allen Bedürf- nißen ſo erwünſcht, ſo befriedigend ſchien, und dennoch, wenn ſie kommt, uns viel heißere ängſtlichere Wünſche, als je eine abnöthigt, und uns bedürftiger als jemals bleiben läßet; die Stunde, in welcher wir am Rande dieſes Lebens der Unruhe und Mühe, und zugleich, am Scheidewege der ewigen Unruhe und des ewigen Friedens ſtehn, und den lezten ent- ſcheidenden Schritt thun ſollen. Unſre müden Lebenskräfte werden immer ohnmächtiger; die Erquickungen der Sinne, laben uns immer we- niger; das unruhige Geräuſch der Arbeit dieſer Erde wird wohl ſtille, und wir entfliehn der grauſamen Gewalt irdiſcher Leiden, in eine un- erreichbare Entfernung, auf ewig; aber auch die Freuden des Lebens fliehn alle ewig weit von uns. Wir ſehn uns über alle Verachtung der Menſchen erhaben; aber auch zugleich von allen Vorzügen und Schätzen entkleidet: unſre Hütte vom Staube, verſinkt in den Schooß der Erde; aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/180
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/180>, abgerufen am 24.11.2024.