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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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Werke der reinen uneigennützigen Liebe zu Gott
und unsern Mitbrüdern! Unsre Großmuth und
Selbstüberwindung: -- ach! unzähligemal
haben wir untergelegen, gegen einen Sieg, den
wir über uns selbst gewinnen! -- Wir sollten
nicht Ursache haben, uns auch unsrer Tugend
vor Gott zu schämen? Was ist denn die Lang-
muth,
die den Sünder trägt? Barmherzigkeit.
Was die Huld, die der Frommen schont?
Barmherzigkeit. Was die Liebe, von der
wir alles haben, alles wünschen und hoffen?
Unendliche Barmherzigkeit!

Und wie unaussprechlich viel haben, wün-
schen und hoffen wir nicht von ihr? Unsre Be-
dürfniße sind so viel zahlreicher, je größer der
Mangel an Freude und Glückseligkeit ist, den
uns die Sünde zugezogen hat, je unzählbarer die
Leiden und Beschwerden sind, welche sie über
uns häuft. Daß die Sünde, die uns allen anklebt,
nicht alle Zufriedenheit und Ruhe ewig aus un-
serm Herzen verbannt; daß wir nicht jener so oft
von uns gemißbrauchten Güter und Freuden des
Lebens schon gänzlich entbehren; daß wir nicht
ganz hülflos und ohne Rettung elend sind: das
ist schon unverdiente unaussprechliche Gnade

Got-

Werke der reinen uneigennützigen Liebe zu Gott
und unſern Mitbrüdern! Unſre Großmuth und
Selbſtüberwindung: — ach! unzähligemal
haben wir untergelegen, gegen einen Sieg, den
wir über uns ſelbſt gewinnen! — Wir ſollten
nicht Urſache haben, uns auch unſrer Tugend
vor Gott zu ſchämen? Was iſt denn die Lang-
muth,
die den Sünder trägt? Barmherzigkeit.
Was die Huld, die der Frommen ſchont?
Barmherzigkeit. Was die Liebe, von der
wir alles haben, alles wünſchen und hoffen?
Unendliche Barmherzigkeit!

Und wie unausſprechlich viel haben, wün-
ſchen und hoffen wir nicht von ihr? Unſre Be-
dürfniße ſind ſo viel zahlreicher, je größer der
Mangel an Freude und Glückſeligkeit iſt, den
uns die Sünde zugezogen hat, je unzählbarer die
Leiden und Beſchwerden ſind, welche ſie über
uns häuft. Daß die Sünde, die uns allen anklebt,
nicht alle Zufriedenheit und Ruhe ewig aus un-
ſerm Herzen verbannt; daß wir nicht jener ſo oft
von uns gemißbrauchten Güter und Freuden des
Lebens ſchon gänzlich entbehren; daß wir nicht
ganz hülflos und ohne Rettung elend ſind: das
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[124/0176] Werke der reinen uneigennützigen Liebe zu Gott und unſern Mitbrüdern! Unſre Großmuth und Selbſtüberwindung: — ach! unzähligemal haben wir untergelegen, gegen einen Sieg, den wir über uns ſelbſt gewinnen! — Wir ſollten nicht Urſache haben, uns auch unſrer Tugend vor Gott zu ſchämen? Was iſt denn die Lang- muth, die den Sünder trägt? Barmherzigkeit. Was die Huld, die der Frommen ſchont? Barmherzigkeit. Was die Liebe, von der wir alles haben, alles wünſchen und hoffen? Unendliche Barmherzigkeit! Und wie unausſprechlich viel haben, wün- ſchen und hoffen wir nicht von ihr? Unſre Be- dürfniße ſind ſo viel zahlreicher, je größer der Mangel an Freude und Glückſeligkeit iſt, den uns die Sünde zugezogen hat, je unzählbarer die Leiden und Beſchwerden ſind, welche ſie über uns häuft. Daß die Sünde, die uns allen anklebt, nicht alle Zufriedenheit und Ruhe ewig aus un- ſerm Herzen verbannt; daß wir nicht jener ſo oft von uns gemißbrauchten Güter und Freuden des Lebens ſchon gänzlich entbehren; daß wir nicht ganz hülflos und ohne Rettung elend ſind: das iſt ſchon unverdiente unausſprechliche Gnade Got-

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/176>, abgerufen am 25.07.2024.