wäre Armuth und Riedrigkeit, Krankheit und Schmerzen, wider uns alle Leiden des Le- bens: wo fände das arme geängstete Herz, Hoff- nung auf den künftigen Morgen, am Abend, und Sicherheit zur Ruhe in der Nacht, und Trost für jeden neuaufgehenden Tag des Lebens? Wider uns wäre die ganze Natur um uns her, in jedem Augenblick könnte die Erde ihre Ab- gründe unter uns eröffnen, uns in ihre Tieffen zu begraben; jeder Blitzstrahl könnte uns treffen, jede schwüle Wärme uns ersticken, jeder Wurm uns tödten. Wider uns wären unsre Freunde: ihre zärtlichste Sorgfalt könnte uns nachthei- lig werden, ihre Freundschaft erkalten, Schick- sale könnten sie von uns trennen, Unglück sie hülfloser als uns machen, der Tod sie uns auf ewig entreißen. Wider uns, unsre Feinde: ihre Bosheit könnt uns überlisten, ihre Macht uns überwältigen. Wider uns wären unsre Tugenden, unsre edelste Gesinnungen, unsre beste weiseste Thaten: wozu würden sie uns nüz- zen, wenn sie dem Gott nicht theuer wären, der allein belohnen und selig machen kann? Wi der uns wären unsre Sünden; jeder böse Ge- danke, jede auch nur im Herzen genährte unhei- lige Begierde, könnte die strafende Hand des
All-
wäre Armuth und Riedrigkeit, Krankheit und Schmerzen, wider uns alle Leiden des Le- bens: wo fände das arme geängſtete Herz, Hoff- nung auf den künftigen Morgen, am Abend, und Sicherheit zur Ruhe in der Nacht, und Troſt für jeden neuaufgehenden Tag des Lebens? Wider uns wäre die ganze Natur um uns her, in jedem Augenblick könnte die Erde ihre Ab- gründe unter uns eröffnen, uns in ihre Tieffen zu begraben; jeder Blitzſtrahl könnte uns treffen, jede ſchwüle Wärme uns erſticken, jeder Wurm uns tödten. Wider uns wären unſre Freunde: ihre zärtlichſte Sorgfalt könnte uns nachthei- lig werden, ihre Freundſchaft erkalten, Schick- ſale könnten ſie von uns trennen, Unglück ſie hülfloſer als uns machen, der Tod ſie uns auf ewig entreißen. Wider uns, unſre Feinde: ihre Bosheit könnt uns überliſten, ihre Macht uns überwältigen. Wider uns wären unſre Tugenden, unſre edelſte Geſinnungen, unſre beſte weiſeſte Thaten: wozu würden ſie uns nüz- zen, wenn ſie dem Gott nicht theuer wären, der allein belohnen und ſelig machen kann? Wi der uns wären unſre Sünden; jeder böſe Ge- danke, jede auch nur im Herzen genährte unhei- lige Begierde, könnte die ſtrafende Hand des
All-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0161"n="109"/>
wäre <hirendition="#fr">Armuth</hi> und <hirendition="#fr">Riedrigkeit, Krankheit</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Schmerzen, wider</hi> uns <hirendition="#fr">alle Leiden des Le-<lb/>
bens:</hi> wo fände das arme geängſtete Herz, Hoff-<lb/>
nung auf den künftigen Morgen, am Abend,<lb/>
und Sicherheit zur Ruhe in der Nacht, und<lb/>
Troſt für jeden neuaufgehenden Tag des Lebens?<lb/><hirendition="#fr">Wider</hi> uns wäre die <hirendition="#fr">ganze Natur</hi> um uns her,<lb/>
in jedem Augenblick könnte die Erde ihre Ab-<lb/>
gründe unter uns eröffnen, uns in ihre Tieffen<lb/>
zu begraben; jeder Blitzſtrahl könnte uns treffen,<lb/>
jede ſchwüle Wärme uns erſticken, jeder Wurm<lb/>
uns tödten. <hirendition="#fr">Wider</hi> uns wären unſre <hirendition="#fr">Freunde:</hi><lb/>
ihre zärtlichſte Sorgfalt könnte uns nachthei-<lb/>
lig werden, ihre Freundſchaft erkalten, Schick-<lb/>ſale könnten ſie von uns trennen, Unglück ſie<lb/>
hülfloſer als uns machen, der Tod ſie uns auf<lb/>
ewig entreißen. <hirendition="#fr">Wider</hi> uns, unſre <hirendition="#fr">Feinde:</hi><lb/>
ihre Bosheit könnt uns überliſten, ihre Macht<lb/>
uns überwältigen. <hirendition="#fr">Wider</hi> uns wären unſre<lb/><hirendition="#fr">Tugenden,</hi> unſre edelſte Geſinnungen, unſre<lb/>
beſte weiſeſte Thaten: wozu würden ſie uns nüz-<lb/>
zen, wenn ſie dem Gott nicht theuer wären,<lb/>
der allein belohnen und ſelig machen kann? <hirendition="#fr">Wi<lb/>
der</hi> uns wären unſre Sünden; jeder böſe Ge-<lb/>
danke, jede auch nur im Herzen genährte unhei-<lb/>
lige Begierde, könnte die ſtrafende Hand des<lb/><fwplace="bottom"type="catch">All-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[109/0161]
wäre Armuth und Riedrigkeit, Krankheit und
Schmerzen, wider uns alle Leiden des Le-
bens: wo fände das arme geängſtete Herz, Hoff-
nung auf den künftigen Morgen, am Abend,
und Sicherheit zur Ruhe in der Nacht, und
Troſt für jeden neuaufgehenden Tag des Lebens?
Wider uns wäre die ganze Natur um uns her,
in jedem Augenblick könnte die Erde ihre Ab-
gründe unter uns eröffnen, uns in ihre Tieffen
zu begraben; jeder Blitzſtrahl könnte uns treffen,
jede ſchwüle Wärme uns erſticken, jeder Wurm
uns tödten. Wider uns wären unſre Freunde:
ihre zärtlichſte Sorgfalt könnte uns nachthei-
lig werden, ihre Freundſchaft erkalten, Schick-
ſale könnten ſie von uns trennen, Unglück ſie
hülfloſer als uns machen, der Tod ſie uns auf
ewig entreißen. Wider uns, unſre Feinde:
ihre Bosheit könnt uns überliſten, ihre Macht
uns überwältigen. Wider uns wären unſre
Tugenden, unſre edelſte Geſinnungen, unſre
beſte weiſeſte Thaten: wozu würden ſie uns nüz-
zen, wenn ſie dem Gott nicht theuer wären,
der allein belohnen und ſelig machen kann? Wi
der uns wären unſre Sünden; jeder böſe Ge-
danke, jede auch nur im Herzen genährte unhei-
lige Begierde, könnte die ſtrafende Hand des
All-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/161>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.