Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



dem Ansehn; sehn eine Menge dienstfertiger
Freunde und Schmeichler um uns: in der näch-
sten Nacht wird vielleicht unsre Wohnung ein
Raub der Flammen; ein wütender Sturm zer-
trümmert das Schiff, dem wir unsre Güter an-
vertraut hatten; eine hereindringende Flut über-
schwemmt unsre Saaten; ein verschwenderischer
Betrüger hat uns um das Unsrige gebracht; ein
Versehn, eine Verläumdung, zieht uns die Un-
gnade des Fürsten zu; ein hämischer Ehrsüchtiger
lauert schon auf unsre Stelle; und unsre Zufrie-
heit und Ruhe ist dahin, unsre Achtung und Ehre
und Ansehn ist dahin, unsre Gesellschafter und
Schmeichler überlassen uns der einsamen Traurig-
keit! Von den Freunden unsrer Jugend sind schon
so viele nicht mehr; und die übrigen reißt vielleicht
bald der Tod, einen nach dem andern, aus unserm
Schooße, und läßt uns ihren Verlust trostlos
beweinen. -- Geschäfte, Zerstreuungen, Sor-
gen des irdischen Lebens, betrügen uns so oft
um die seligsten Freuden der Andacht, Schwach-
heit und Schmerzen des Körpers vermindern
ihr innigstes Gefühl, Fehltritte und Vergehun-
gen demütigen uns tief, und verwandeln die Freu-
den des guten Gewißens in bittre Thränen der
Reue. -- Welch ein dürftiges, nach Freude

dür-



dem Anſehn; ſehn eine Menge dienſtfertiger
Freunde und Schmeichler um uns: in der näch-
ſten Nacht wird vielleicht unſre Wohnung ein
Raub der Flammen; ein wütender Sturm zer-
trümmert das Schiff, dem wir unſre Güter an-
vertraut hatten; eine hereindringende Flut über-
ſchwemmt unſre Saaten; ein verſchwenderiſcher
Betrüger hat uns um das Unſrige gebracht; ein
Verſehn, eine Verläumdung, zieht uns die Un-
gnade des Fürſten zu; ein hämiſcher Ehrſüchtiger
lauert ſchon auf unſre Stelle; und unſre Zufrie-
heit und Ruhe iſt dahin, unſre Achtung und Ehre
und Anſehn iſt dahin, unſre Geſellſchafter und
Schmeichler überlaſſen uns der einſamen Traurig-
keit! Von den Freunden unſrer Jugend ſind ſchon
ſo viele nicht mehr; und die übrigen reißt vielleicht
bald der Tod, einen nach dem andern, aus unſerm
Schooße, und läßt uns ihren Verluſt troſtlos
beweinen. — Geſchäfte, Zerſtreuungen, Sor-
gen des irdiſchen Lebens, betrügen uns ſo oft
um die ſeligſten Freuden der Andacht, Schwach-
heit und Schmerzen des Körpers vermindern
ihr innigſtes Gefühl, Fehltritte und Vergehun-
gen demütigen uns tief, und verwandeln die Freu-
den des guten Gewißens in bittre Thränen der
Reue. — Welch ein dürftiges, nach Freude

dür-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0113" n="61"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
dem An&#x017F;ehn; &#x017F;ehn eine Menge dien&#x017F;tfertiger<lb/>
Freunde und Schmeichler um uns: in der näch-<lb/>
&#x017F;ten Nacht wird vielleicht un&#x017F;re Wohnung ein<lb/>
Raub der Flammen; ein wütender Sturm zer-<lb/>
trümmert das Schiff, dem wir un&#x017F;re Güter an-<lb/>
vertraut hatten; eine hereindringende Flut über-<lb/>
&#x017F;chwemmt un&#x017F;re Saaten; ein ver&#x017F;chwenderi&#x017F;cher<lb/>
Betrüger hat uns um das Un&#x017F;rige gebracht; ein<lb/>
Ver&#x017F;ehn, eine Verläumdung, zieht uns die Un-<lb/>
gnade des Für&#x017F;ten zu; ein hämi&#x017F;cher Ehr&#x017F;üchtiger<lb/>
lauert &#x017F;chon auf un&#x017F;re Stelle; und un&#x017F;re Zufrie-<lb/>
heit und Ruhe i&#x017F;t dahin, un&#x017F;re Achtung und Ehre<lb/>
und An&#x017F;ehn i&#x017F;t dahin, un&#x017F;re Ge&#x017F;ell&#x017F;chafter und<lb/>
Schmeichler überla&#x017F;&#x017F;en uns der ein&#x017F;amen Traurig-<lb/>
keit! Von den Freunden un&#x017F;rer Jugend &#x017F;ind &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;o viele nicht mehr; und die übrigen reißt vielleicht<lb/>
bald der Tod, einen nach dem andern, aus un&#x017F;erm<lb/>
Schooße, und läßt uns ihren Verlu&#x017F;t tro&#x017F;tlos<lb/>
beweinen. &#x2014; Ge&#x017F;chäfte, Zer&#x017F;treuungen, Sor-<lb/>
gen des irdi&#x017F;chen Lebens, betrügen uns &#x017F;o oft<lb/>
um die &#x017F;elig&#x017F;ten Freuden der Andacht, Schwach-<lb/>
heit und Schmerzen des Körpers vermindern<lb/>
ihr innig&#x017F;tes Gefühl, Fehltritte und Vergehun-<lb/>
gen demütigen uns tief, und verwandeln die Freu-<lb/>
den des guten Gewißens in bittre Thränen der<lb/>
Reue. &#x2014; Welch ein dürftiges, nach Freude<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dür-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0113] dem Anſehn; ſehn eine Menge dienſtfertiger Freunde und Schmeichler um uns: in der näch- ſten Nacht wird vielleicht unſre Wohnung ein Raub der Flammen; ein wütender Sturm zer- trümmert das Schiff, dem wir unſre Güter an- vertraut hatten; eine hereindringende Flut über- ſchwemmt unſre Saaten; ein verſchwenderiſcher Betrüger hat uns um das Unſrige gebracht; ein Verſehn, eine Verläumdung, zieht uns die Un- gnade des Fürſten zu; ein hämiſcher Ehrſüchtiger lauert ſchon auf unſre Stelle; und unſre Zufrie- heit und Ruhe iſt dahin, unſre Achtung und Ehre und Anſehn iſt dahin, unſre Geſellſchafter und Schmeichler überlaſſen uns der einſamen Traurig- keit! Von den Freunden unſrer Jugend ſind ſchon ſo viele nicht mehr; und die übrigen reißt vielleicht bald der Tod, einen nach dem andern, aus unſerm Schooße, und läßt uns ihren Verluſt troſtlos beweinen. — Geſchäfte, Zerſtreuungen, Sor- gen des irdiſchen Lebens, betrügen uns ſo oft um die ſeligſten Freuden der Andacht, Schwach- heit und Schmerzen des Körpers vermindern ihr innigſtes Gefühl, Fehltritte und Vergehun- gen demütigen uns tief, und verwandeln die Freu- den des guten Gewißens in bittre Thränen der Reue. — Welch ein dürftiges, nach Freude dür-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/113
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/113>, abgerufen am 12.12.2024.