Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.che Art der Freuden, von der niedrigsten bis zur höchsten, ist in diesem Leben des ewigen Wech- sels, nicht dem Unbestande und der Vergänglich- keit ausgesetzt? die Blume welkt abgebrochen, oder verblüht, und mit ihr zugleich das Vergnü- gen dessen, der sich an ihrer Pracht ergötzte: aber so verblühn unsre schönste Freuden, eine nach der andern, bis der Tod die lezte zerstört, und sie alle im Grabe verwelken. Wenig Monathe nur, wandeln wir frölich, unter mildem Sonnenschein, auf dem schöngeschmückten Schauplatze der Na- tur, dann tritt schon wieder der Ungestüm der rauhern Jahrszeit ein, entkleidet unsre Felder und Gärten ihrer Zierde, macht unsern Belustigungen ein Ende, und nöthigt uns, vor Stürmen und Kälte und Schnegestöber, unsre Zuflucht unter dem Obdach unsrer Wohnungen zu suchen. Mit jedem Tage entflieht des Jünglings Jugend, des Mannes Munterkeit und Hoffnungen weiter zu- rück; des Greises Kräfte ersterben allmälig, und sein Ziel dringt näher. Heute fühlen wir uns gesund und heiter, morgen schmachten wir viel- leicht müde und schmerzenvoll auf unserm Lager hingestreckt. Wir sehn uns reichlich gesegnet an irdischem Vermögen; genießen Achtung und Eh- re unter den Menschen; stehn in vielvermögen- dem
che Art der Freuden, von der niedrigſten bis zur höchſten, iſt in dieſem Leben des ewigen Wech- ſels, nicht dem Unbeſtande und der Vergänglich- keit ausgeſetzt? die Blume welkt abgebrochen, oder verblüht, und mit ihr zugleich das Vergnü- gen deſſen, der ſich an ihrer Pracht ergötzte: aber ſo verblühn unſre ſchönſte Freuden, eine nach der andern, bis der Tod die lezte zerſtört, und ſie alle im Grabe verwelken. Wenig Monathe nur, wandeln wir frölich, unter mildem Sonnenſchein, auf dem ſchöngeſchmückten Schauplatze der Na- tur, dann tritt ſchon wieder der Ungeſtüm der rauhern Jahrszeit ein, entkleidet unſre Felder und Gärten ihrer Zierde, macht unſern Beluſtigungen ein Ende, und nöthigt uns, vor Stürmen und Kälte und Schnegeſtöber, unſre Zuflucht unter dem Obdach unſrer Wohnungen zu ſuchen. Mit jedem Tage entflieht des Jünglings Jugend, des Mannes Munterkeit und Hoffnungen weiter zu- rück; des Greiſes Kräfte erſterben allmälig, und ſein Ziel dringt näher. Heute fühlen wir uns geſund und heiter, morgen ſchmachten wir viel- leicht müde und ſchmerzenvoll auf unſerm Lager hingeſtreckt. Wir ſehn uns reichlich geſegnet an irdiſchem Vermögen; genießen Achtung und Eh- re unter den Menſchen; ſtehn in vielvermögen- dem
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0112" n="60"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> che Art der Freuden, von der niedrigſten bis zur<lb/> höchſten, iſt in dieſem Leben des ewigen Wech-<lb/> ſels, nicht dem Unbeſtande und der Vergänglich-<lb/> keit ausgeſetzt? die Blume welkt abgebrochen,<lb/> oder verblüht, und mit ihr zugleich das Vergnü-<lb/> gen deſſen, der ſich an ihrer Pracht ergötzte: aber<lb/> ſo verblühn unſre ſchönſte Freuden, eine nach der<lb/> andern, bis der Tod die lezte zerſtört, und ſie<lb/> alle im Grabe verwelken. Wenig Monathe nur,<lb/> wandeln wir frölich, unter mildem Sonnenſchein,<lb/> auf dem ſchöngeſchmückten Schauplatze der Na-<lb/> tur, dann tritt ſchon wieder der Ungeſtüm der<lb/> rauhern Jahrszeit ein, entkleidet unſre Felder und<lb/> Gärten ihrer Zierde, macht unſern Beluſtigungen<lb/> ein Ende, und nöthigt uns, vor Stürmen und<lb/> Kälte und Schnegeſtöber, unſre Zuflucht unter<lb/> dem Obdach unſrer Wohnungen zu ſuchen. Mit<lb/> jedem Tage entflieht des Jünglings Jugend, des<lb/> Mannes Munterkeit und Hoffnungen weiter zu-<lb/> rück; des Greiſes Kräfte erſterben allmälig, und<lb/> ſein Ziel dringt näher. Heute fühlen wir uns<lb/> geſund und heiter, morgen ſchmachten wir viel-<lb/> leicht müde und ſchmerzenvoll auf unſerm Lager<lb/> hingeſtreckt. Wir ſehn uns reichlich geſegnet an<lb/> irdiſchem Vermögen; genießen Achtung und Eh-<lb/> re unter den Menſchen; ſtehn in vielvermögen-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0112]
che Art der Freuden, von der niedrigſten bis zur
höchſten, iſt in dieſem Leben des ewigen Wech-
ſels, nicht dem Unbeſtande und der Vergänglich-
keit ausgeſetzt? die Blume welkt abgebrochen,
oder verblüht, und mit ihr zugleich das Vergnü-
gen deſſen, der ſich an ihrer Pracht ergötzte: aber
ſo verblühn unſre ſchönſte Freuden, eine nach der
andern, bis der Tod die lezte zerſtört, und ſie
alle im Grabe verwelken. Wenig Monathe nur,
wandeln wir frölich, unter mildem Sonnenſchein,
auf dem ſchöngeſchmückten Schauplatze der Na-
tur, dann tritt ſchon wieder der Ungeſtüm der
rauhern Jahrszeit ein, entkleidet unſre Felder und
Gärten ihrer Zierde, macht unſern Beluſtigungen
ein Ende, und nöthigt uns, vor Stürmen und
Kälte und Schnegeſtöber, unſre Zuflucht unter
dem Obdach unſrer Wohnungen zu ſuchen. Mit
jedem Tage entflieht des Jünglings Jugend, des
Mannes Munterkeit und Hoffnungen weiter zu-
rück; des Greiſes Kräfte erſterben allmälig, und
ſein Ziel dringt näher. Heute fühlen wir uns
geſund und heiter, morgen ſchmachten wir viel-
leicht müde und ſchmerzenvoll auf unſerm Lager
hingeſtreckt. Wir ſehn uns reichlich geſegnet an
irdiſchem Vermögen; genießen Achtung und Eh-
re unter den Menſchen; ſtehn in vielvermögen-
dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |